Lehrer-Empfehlung ersetzt Prüfung - Jetzt sind die Details des neuen Verfahrens bekannt, Solothurner Zeitung, 9.4. von Elisabeth Seifert
Im Januar 2017 werden die Schüler der sechsten Primarschulklassen
ein letztes Mal über der kantonsweiten Prüfung brüten. Mit einem Gewicht von 40
Prozent entscheidet diese «Vergleichsarbeit» (VA) über die weitere
Schulkarriere der jungen Leute. 2011 ist sie im Rahmen der Umsetzung der
Sek-I-Reform ein erstes Mal durchgeführt worden – demnächst wird sie
wieder abgeschafft.
An ihre Stelle tritt neben den Schulnoten die
Empfehlung der Lehrperson. In den letzten Wochen hat das
Volksschulamt (VSA) jetzt die Details des komplett neu gestalteten
Übertrittsverfahrens geklärt – gemeinsam mit Vertretern der Schulleitenden, der
Volksschullehrerschaft sowie der Kantonsschulen.
Als Erste
betreffen die neuen Bestimmungen die Primeler, die nach den Sommerferien in die
fünfte Klasse eintreten. Statt der kantonal durchgeführten
«Orientierungsarbeit» (OA) werden sie im Verlauf des ersten Semesters eine
«regionale Vergleichsarbeit absolvieren. Wie die OA soll auch diese Prüfung
Eltern und Schülern ein erstes Feedback in Hinblick auf den Übertritt in eine
der drei Abteilungen der Sekundarstufe I geben. Anders als heute zählen die
Zeugnisnoten der fünften Klasse nicht mehr für den Übertritt.
Prüfung ist unnötig
Mit der
Abschaffung der kantonsweiten Prüfung in der sechsten Primarschulklasse folgt
der Kanton Solothurn dem schweizweiten Trend. Die grosse Mehrheit der Kantone
kennt keine Übertrittsprüfung, sondern setzt auf ein Verfahren, bei dem die
Empfehlung der Lehrpersonen nebst den Schulleistungen die zentrale Rolle
spielt. Im Bildungsraum Nordwestschweiz ist Solothurn der einzige Kanton mit
einem prüfungsbasierten Übertrittsverfahren.
In den beiden
Basel, dem Aargau und auch in Solothurn wird derzeit stattdessen eine Reihe
vierkantonaler «Checks» eingeführt – verteilt über die ganze
Volksschulzeit. Zu Beginn der dritten und der sechsten Primarschulklasse sowie
am Ende der zweiten und dritten Klasse der Sekundarstufe I. Diese «Checks», für
die es keine Noten gibt, dienen nicht der Selektion, sondern der
Standortbestimmung. Um die Primarschüler aber nicht mit zu vielen und zu
unterschiedlichen Tests respektive Checks zu belasten, hat das Volksschulamt
bereits vor geraumer Zeit gemeinsam mit den betroffenen Lehrerverbänden eine
Neuorganisation des Übertritts in die Sek I an die Hand genommen.
Ist das neue
Verfahren im Kanton Solothurn also vor allem durch die Entwicklung im
Bildungsraum Nordwestschweiz bedingt, weint der Chef im Volksschulamt dem erst
wenige Jahre bestehenden System kaum eine Träne nach. Das prüfungsbasierte
Verfahren habe zwar durchaus gut funktioniert, betont Andreas Walter im
Gespräch mit dieser Zeitung. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeige aber auch,
dass der «riesige Aufwand» für die Schulbehörden sowie die Belastung der
Schülerinnen und Schüler nicht wirklich gerechtfertigt seien.
«Die Prüfung hat
in den meisten Fällen die Lehrerbeurteilung bestätigt», so die Beobachtung des
Amtschefs. Oder anders herum ausgedrückt: «Nur in wenigen Fällen hat die Prüfung
zu einer Korrektur der Lehrerbeurteilung geführt.»
Arbeitsverhalten spielt eine Rolle
Ein durchaus
überraschender Befund. Die Notengebung der einzelnen Lehrpersonen, der Schulen
und Schulregionen scheint nicht so unterschiedlich zu sein, wie man vielleicht
annehmen könnte. Möglicherweise ist dies eine Folge der Bemühungen, mit der
«Orientierungsarbeit» in der fünften Klasse und der «Vergleichsarbeit» in der
sechsten Klasse ein kantonsweit möglichst einheitliches Beurteilungssystem zu
schaffen.
Möglichkeit einer «Kontrollprüfung»
Der Chef im
Volksschulamt erinnert zudem an die «regionale Vergleichsarbeit», die vor der
Umsetzung der Oberstufenreform in vielen Schulkreisen bereits durchgeführt
worden ist. Genau diese Prüfung soll auch in Zukunft für Transparenz und
Vergleichbarkeit bei der Notengebung sorgen. Ab August müssen sämtliche
Primarschulen eines Sekundarschulkreises irgendwann im ersten Semester eine
«regionale Vergleichsarbeit» organisieren. Geprüft werden die Leistungen der
Fünftklässler in Mathematik und Deutsch.
Neben der Eichung
der Notenmassstäbe dienen die Ergebnisse dieser regionalen Prüfung gemäss
Andreas Walter als Grundlage eines ersten Standortgesprächs der Lehrperson mit
den Eltern und den Schülern. Bei diesem Gespräch und zwei weiteren, die in der
sechsten Klasse folgen, geht es um die «Entwicklung einer gemeinsamen Haltung»,
so der Amtschef. In diese Gespräche fliesst neben der Leistung der Schülerinnen
und Schüler auch deren Arbeits- und Lernverhalten mit ein. Und zwar bezogen auf
die Anforderungen der Abteilungen der Sek I, wie Andreas Walter betont.
Ein künftiger
Sek-P-Schüler etwa müsse über eine andere Leistungsbereitschaft verfügen als
ein künftiger Sek-B-Schüler. Im Unterschied zu heute werden diese
Verhaltenaspekte künftig mittels eines kantonsweit einheitlichen Rasters
erhoben und fliessen in die Übertrittsempfehlung des Lehrers ein.
Kein «Graubereich» bei den Noten
Anders als bisher
spielen neu die Noten in der fünften Klasse keine Rolle mehr für den Übertritt.
Eine zusätzlich Entlastung für die Schülerinnen und Schüler sowie die
Lehrpersonen bedeutet die Abschaffung des Semesterzeugnisses in der fünften
Klasse (ab kommendem Schuljahr) und der sechsten Klasse (ab dem Schuljahr
2017/2018).
Damit werden in
der gesamten Primarschulzeit nur noch Jahreszeugnisse ausgestellt. «Aufgrund
der geringen Lektionenzahl pro Fach haben die Lehrpersonen Schwierigkeiten,
eine sachlich begründete Note zu setzen», begründet Andreas Walter den
Beschluss. In der fünften und auch in der sechsten Klasse dürfte dies zu einer
Reduktion der Anzahl Tests führen.
Die Noten in der
sechsten Klasse gewinnen dadurch an Bedeutung. Relevant für die Empfehlung der
Lehrperson sind dabei die Leistungen von August bis Anfang März. Und zwar in
den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht. Für die Sek P ist gleich
wie heute ein Durchschnitt von 5,2 erforderlich, für die Sek E ein Notenschnitt
von 4,6. Im Unterschied zur heutigen Praxis gebe es künftig keinen
«Graubereich», unterstreicht Andreas Walter.
Dafür
berücksichtigen die Lehrpersonen, wie oben bereits erwähnt, für ihre Empfehlung
neben den Schulleistungen auch weiche Faktoren wie das Arbeitsverhalten. Und
zwar vor allem dann, wenn ein Schüler den Notenschnitt für die Sek P oder die
Sek E nicht ganz erreicht. Mit dem heutigen «Graubereich» sei dies nicht mehr
vergleichbar, so Walter: «Ein Lehrer muss gegenüber der Schulleitung eine
Abweichung sehr gut begründen können.»
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