Huber: Lehrer brauchen eine akademische Ausbildung. Bild: Politblog Tages Anzeiger
Brauchen Lehrer einen Hochschulabschluss? Politblog Tages Anzeiger, 24.8. von Christina Huber
Das «Geissenpeter-Syndrom», wie Andreas Pfister das Unbehagen gegenüber
Akademikerinnen und Akademikern kürzlich betitelte, zeigt sich auch in der
Debatte um die Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Insbesondere mit Blick auf die
Ausbildung von Lehrpersonen für die Kindergarten- und Unterstufe wird
eine «Verakademisierung» beklagt und argumentiert, dass diese Lehrer keine
Hochschulausbildung bräuchten, um unterrichten zu können.
Natürlich braucht es kein Doktorat in Mathematik, um dieses Fach auf der
Primarstufe zu unterrichten, aber vertiefte Kenntnis davon, wie Kinder
lernen. Lehrer und Lehrerinnen müssen beispielsweise wissen, wie sich
Kinder mathematische Grundfertigkeiten aneignen und welche spezifischen
Entwicklungsschwierigkeiten dabei entstehen können. Dies setzt sowohl ein
Grundverständnis der Mathematik als auch fachdidaktisches, lerntheoretisches
und diagnostisches Wissen voraus.
In der Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen (PH) lernen angehende
Lehrer, wie sie Lernprozesse anleiten und guten Unterricht
durchführen. Dieses Wissen vertiefen sie in den einzelnen Praktika – der Umfang
der praktischen Ausbildung an den heutigen PH ist grösser, als dies vor deren
Gründung der Fall war.
Neben dem Unterrichten gehört es auch zum Lehrberuf, Kinder und
Jugendliche auf ihrem Lern- und Lebensweg zu begleiten. Lehrpersonen arbeiten
dabei Hand in Hand mit Eltern und weiteren Fachleuten. Darüber hinaus wird von
ihnen mehr denn je – und durchaus zu Recht – gefordert, dass sie ihre Schule
sowie ihren Unterricht laufend verbessern. Dies verlangt von
den Lehrpersonen ein hohes Mass an Selbstreflexion sowie organisatorische und
kommunikative Kompetenzen.
Die Professionskompetenzen des Lehrberufs und das dafür notwendige
Wissen sind letztlich also nur bedingt schulstufenabhängig, sodass das
Argument, gerade Lehrer auf den unteren Schulstufen bräuchten keine akademische
Ausbildung, nicht verfängt. Ganz im Gegenteil kommt gerade ihnen eine besonders
wichtige Rolle im Hinblick auf die spätere Schullaufbahn von Kindern zu.
Überdies müssen Lehrpersonen auf den unteren Schulstufen eine wesentlich grössere
Übersetzungsleistung erbringen, wenn sie (akademisches) Fachwissen in
lern- und damit vermittelbares «Schulwissen» umformen wollen.
Die Behauptung also, dass der Lehrberuf keine grossen intellektuellen
Anforderungen stelle und deshalb kein akademischer,
sondern primär ein (Klassen-)Führungsberuf sei, in dem es vor allem darum
gehe, Kindern Disziplin und Fachwissen beizubringen, ist fernab von jeglicher
pädagogischer Professionalität und Praxis.
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