Das Vertrauen zu den Schülern ist zentral, Bild: Basellandschaftliche Zeitung
Schulsozialarbeiter sollen unabhängig sein, Basellandschaftliche Zeitung, 14.4. von Hans-Martin Jermann
Wem sollen die
Schulsozialarbeiter an den Baselbieter Sekundarschulen unterstellt sein? Was
nach einer organisatorischen Bagatelle klingt, ist tatsächlich von grosser
Bedeutung, nicht «nur» für die Sozialarbeiter selbst, sondern vor allem für
Schüler und Lehrer. Dazu ein fiktives, aber realitätsnahes Beispiel: Ein
13-jähriges Mädchen wird zu Hause von ihrem Vater, einem in der Gemeinde
angesehenen Unternehmer, geschlagen. Soll sie davon der Schulsozialarbeiterin
an ihrer Schule erzählen? Ob sie das tut, ist eine Frage des Vertrauens. Wie
gut dieses ist, hängt auch davon ab, wem die Schulsozialarbeiterin unterstellt
ist.
Bisher uneinheitlich geregelt
An sich war die
Aufsichtsfrage so gut wie entschieden: Im vergangenen Herbst sickerte durch,
dass Bildungsdirektor Urs Wüthrich auf dem Verordnungsweg den Schulsozialdienst
der jeweiligen Schulleitung unterstellen will. Bisher war die Aufsicht an den
Baselbieter Schulen uneinheitlich und teilweise widersprüchlich geregelt; in
den meisten Gemeinden oblag diese dem Schulrat, manchenorts auch den sozialen
Diensten. Gegen die Neuregelung wehrte sich der Birsfelder Landrat Jürg
Wiedemann mit einer Parlamentarischen Initiative (PI) – dem griffigsten
Instrument, das der Landratsbetrieb überhaupt kennt.
«Die
Unterstellung unter die Schulleitung ist falsch», sagte Wiedemann, der kürzlich
von den Grünen ausgeschlossen wurde und aktuell ohne Fraktion politisiert,
bereits im vergangenen Herbst. Und er wiederholt es heute. Falsch deshalb, weil
das erwähnte Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Schulsozialarbeitern
leide, wenn letztere der Schulleitung Rechenschaft schuldig seien. Die
Schulsozialarbeiter müssen unabhängig vom System Schule handeln können; die
Aufsicht und fachliche Betreuung solle einer unabhängigen Organisation
übertragen werden, fordert Wiedemann. Allerdings wurde seine PI an der
Landratssitzung vom 26. März abgelehnt – nicht zuletzt, weil das Instrument zu
einer buchstabengetreuen Umsetzung verpflichtet hätte.
«Die
Parlamentarische Initiative war das falsche Instrument, da sie kaum Spielraum
in der Umsetzung lässt», erklärt die Aescher SP-Landrätin Christine Koch. Dies
ändere nichts daran, dass die Forderung nach einer unabhängigen
Schulsozialarbeit richtig sei. Koch will morgen Donnerstag im Landrat mit einer
eigenen Motion die Forderung nach einer unabhängigen Schulsozialarbeit wieder
aufnehmen. Zeitgleich doppelt auch Wiedemann nach, wie er verrät.
Politiker aller Parteien sind dabei
Die beiden
Vorstösse unterscheiden sich inhaltlich in Details: Jener von Wiedemann fordert
verbindlicher eine unabhängige Organisation als jener von Christine Koch. Dass
dennoch zwei separate Papiere eingereicht werden, hat persönliche Gründe:
Wiedemann ist spätestens, seit er bei den Wahlen vom 8. Februar
FDP-Regierungskandidatin Monica Gschwind unterstützt hat, bei den Genossen ein
rotes Tuch. Gleichwohl hat es Wiedemann geschafft, für seinen neuen Vorstoss
Bildungspolitiker aus sämtlichen Fraktionen – ausser eben der SP – zusammenzutrommeln.
Zum Beispiel die Reinacher SVP-Landrätin Caroline Mall: «In unserem Schulwesen
gibt es eine Tendenz, alles von oben herab zu regeln. Dem müssen wir
entgegenwirken», erklärt Mall.
Dank der
breiten Unterstützung und dem schwächeren Instrument wird die Forderung nach
einer unabhängigen Schulsozialarbeit im zweiten Anlauf überwiesen. Die
Umsetzung wird nicht mehr dem am 30. Juni abtretenden Urs Wüthrich unterstehen.
Sondern seiner Nachfolgerin Monica Gschwind. Sie hat sich in dieser Frage
bereits positioniert: als Anhängerin der Idee Wiedemanns.
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