Künftig wird in der Schule gegessen, NZZ, 5.3. von Jan Hudec
Bereits auf das neue Schuljahr werden in den ersten von sieben
Pilotschulen in der Stadt Zürich Tagesstrukturen eingeführt, die übrigen folgen
2016. Dies hat der Gemeinderat am Mittwochabend beschlossen. Dieses Projekt ist
aber gewissermassen nur der Startschuss zu einem grösseren Ziel: Bis 2025 soll
die ganze Volksschule umgekrempelt werden. Die Kinder sollen auch über Mittag
in der Schule bleiben, um dort zu essen, sofern sie am Nachmittag Unterricht
haben. Längerfristig sollen damit 30 bis 40 Millionen Franken eingespart werden
gegenüber dem Hortsystem, das derzeit rasant ausgebaut wird.
Die grosse Mehrheit des Gemeinderats begrüsste das neue Modell, einige
fast schon euphorisch. So hiess es zum Beispiel von der GLP: «Hurra, die
Tagesschule kommt!» Generell wurde gelobt, dass das neue System die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessere. Nur mit grösster Mühe könne das
gegenwertige Hortsystem den Ansturm bewältigen, befand die FDP. Mit
Tagesschulen liessen sich Kosten einsparen. Vonseiten der Grünen und der SP
wurde zudem betont, dass eine Betreuung über Mittag die Chancengleichheit
fördert.
Grundsätzliche Kritik kam nur von der SVP. Es gehe keineswegs um das
Wohl der Kinder, sondern um das Wohl von Doppelverdienern und
Familiendekonstruktivisten, sagte Daniel Regli. Künftig wolle man die Kinder
dazu zwingen, in der Schule zu Mittag zu essen - im gegenwärtigen Versuch ist
die Teilnahme freiwillig. Die SVP werde versuchen, diese Zwängerei auf
kantonaler Ebene zu verhindern. Dem entgegneten die anderen Parteien, dass die
Kinder dank verkürzter Mittagspause am Nachmittag auch früher nach Hause
könnten, somit also mehr Zeit hätten für Freizeitaktivitäten oder fürs
Zusammensein mit der Familie. Zudem stimme man gegenwärtig nur über das
Pilotprojekt ab, und in den teilnehmenden Schulen seien Pflichtmittagessen kein
Thema.
Es überraschte denn auch nicht, dass das Tagesschulmodell mit 97 zu 21
Stimmen klar angenommen wurde. Eine lebhafte Diskussion entzündete sich dann
aber noch an den Details, insbesondere an den Kosten fürs Mittagessen. Der
Vorschlag des Stadtrats sah vor, fürs Schulessen einen Beitrag von 6 Franken
pro Kind und Tag zu verlangen. SP, GP und AL war dies zu viel. Die Grünen
wollten den Elternbeitrag zumindest für die erste Pilotphase komplett
streichen, AL und SP forderten eine Befreiung vom Beitrag für Eltern mit
tieferen Einkommen.
6 Franken seien ein guter Kompromiss, befand die FDP. Es sei ja auch zu
Hause kaum möglich, für weniger Geld zu kochen, der Betrag sei für die meisten
Familien tragbar, sagte Severin Pflüger. Zudem könnten jene Familien, für die
diese Kosten wirklich zu hoch seien, einen Antrag auf die Befreiung von diesem
Beitrag stellen. Die Linke hielt dem entgegen, dass es darum gehe, dass
möglichst alle Familien am Versuch teilnehmen könnten. Nur ein
niederschwelliges Angebot könne zum Erfolg führen. Der Entscheid fiel am
Schluss aber relativ deutlich aus. 60 Parlamentarier sprachen sich für die
stadträtliche Variante aus, 44 für den SP/AL-Vorschlag und 14 fürs
Gratis-Mittagessen.
Mit seinem Ja hat der
Gemeinderat entschieden, für das Pilotprojekt einen Kredit von 19 Millionen
Franken zur Verfügung zu stellen. An den Schulen Aegerten, Am Wasser,
Albisriederplatz, Balgrist-Kartaus, Blumenfeld, Leutschenbach, Schauenberg
werden nun Tagesstrukturen eingerichtet. Das Mittagessen in der Schule ist für
die Kinder zwar nicht obligatorisch, die Mittagspause wird aber von 110 Minuten
auf 80 Minuten reduziert. Der Versuch läuft nun bis 2018, danach soll er
ausgeweitet werden.
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