Mehr Lektionen in den unteren Klassen, dafür wird an der Mittelstufe abgebaut, Bild: Annika Buetschi
Halbklassen-Unterricht bleibt vorrangig im Kanton Solothurn, Solothurner Zeitung, 19.3. von Elisabeth Seifert
Seit November
liegt die abgespeckte Version des neu vereinheitlichten Deutschweizer Lehrplans
auf den Tischen der Bildungsdirektoren. Und die Verantwortlichen in den
Kantonen sind derzeit damit beschäftigt, die Vorgaben des 470-Seiten-Dokuments
an die jeweiligen Bedürfnisse und Eigenheiten anzupassen. Der Lehrplan 21
zwingt trotz Harmonisierung nämlich nicht alle Kantone in die gleiche Norm, sondern
lässt durchaus Spielraum für regionale Besonderheiten.
Das zentrale
Element der kantonalen Lehrplan-Arbeit ist die Definition der Stundentafel.
«Wir nehmen damit eine inhaltliche und auch politische Gewichtung vor», sagt
Andreas Walter, Chef im kantonalen Volksschulamt, gegenüber dieser Zeitung.
Soeben hat das Bildungsdepartement die Stundentafel bei Verbänden und
politischen Fraktionen in die Vernehmlassung gegeben. Geplant ist die
Einführung des Lehrplans 21 samt der zugehörigen Stundentafel im Kanton ab dem
Schuljahr 2018/2019. Ein möglicher Stolperstein ist eine kantonale
Volksinitiative gegen den Lehrplan, die Anfang Jahr lanciert worden ist.
Wird der neue
Lehrplan auch gerne als aufgeblasenes und praxisfernes Monstrum verschrien –
auf die geplante Stundentafel im Kanton Solothurn trifft dies nicht zu. Trotz
einer Anhebung der Lektionen-Zahl in den ersten beiden Primarschulklassen
kommen keine neuen Kosten auf den Kanton zu. In Grenzen halten sich gegenüber
heute die inhaltlichen Änderungen. Vor allem werden nicht, wie befürchtet, die
Grenzen zwischen den Fächern verwischt. Im Gegenteil: Neu erhalten in den
unteren Primarklassen Deutsch und Sachunterricht – aber auch Musik – gegenüber
heute ein stärkeres Gewicht.
Mehr Lektionen in der Unterstufe
Eine
Besonderheit im Kanton Solothurn ist der hohe Anteil an Halbklassen-Unterricht.
Und daran soll sich trotz einer Reduktion in den ersten zwei Primarschulklassen
auch nichts ändern. «Wir sind und bleiben schweizweit Spitzenreiter in diesem
Bereich», hält Andreas Walter nicht ohne Stolz fest. «Ursprünglich meinten wir,
dass wir die nötige Aufstockung der Stunden in der Unterstufe der Primarschule
nur mit einer deutlichen Reduktion oder gar Abschaffung des
Halbklassen-Unterrichts finanzieren können.»
Im
interkantonalen Vergleich haben die Schülerinnen und Schüler der ersten beiden
Klassen mit 21 Lektionen (1. Klasse) und 23 Lektionen (2. Klasse) derzeit
relativ wenige Schulstunden. Dafür ist die Zahl der Unterrichtsstunden in
Halbklassen mit 12 Lektionen (1. Klasse) und 10 Lektionen (2. Klasse) sehr
hoch. Im Sinne der schweizweiten Harmonisierung sollen die Solothurner
Erstklässler – je nach Version – künftig 24 oder 26 Lektionen pro Woche
zur Schule gehen. Der Kanton gebe bewusst zwei Alternativen in die
Vernehmlassung, so Walter. Wobei die Architekten des neuen Lehrplans von 26
Lektionen für die Erstklässler ausgehen.
Der
Halbklassenunterricht soll im Gegenzug für die Erstklässler – wiederum je nach
Version – auf 11 oder 9 Lektionen reduziert werden. «Der Unterricht in
Halbklassen ist intensiver und deshalb erachten wir auch eine Gesamtstundenzahl
von 24 Lektionen in der ersten Klasse für einen durchaus gangbaren Weg.» Für
die Zweitklässler soll die Anzahl der Wochenlektionen um drei Schulstunden auf
26 aufgestockt werden – und davon der Unterricht in Halbklassen gegenüber heute
um zwei auf 8 Lektionen gesenkt werden.
In allen
übrigen Klassen der Primarschule und auch der Sekundarstufe I soll der
Halbklassenunterricht im aktuellen Umfang bestehen bleiben. Gerade auch in der
sechsten Primarklasse, wo die Teamteaching-Lektionen mit Blick auf den
Übertritt in die Sekundarstufe I eine besonders fördernde Wirkung haben, hält
der Amtschef fest.
Um die nicht
unbedeutende Erhöhung der Unterrichtszeit in den ersten beiden
Primarschulklassen finanziell vollständig aufzufangen, wird neben der Reduktion
des Halbklassen-Unterrichts in der Unterstufe in der vierten und sechsten
Primarschulklasse die Unterrichtszeit leicht gesenkt: in der vierten Klasse von
heute 30 auf neu 28 Lektionen, in der sechsten Klasse von heute 31 auf 30
Lektionen. Walter: «Mit dieser Verschiebung von Lektionen von den oberen zu den
unteren Primarschulklassen erzielen wir eine ausgeglichenere Verteilung.»
Kaum
Auswirkungen auf die Stundendotationen wird der harmonisierte Lehrplan indes
auf der Sekundarstufe I haben. Hier wird einzig die Anzahl Lektionen für die
Projektarbeit in der 3. Sek I von heute 3 auf künftig 2 Lektionen reduziert.
«So haben die Schüler aller vier Bildungsraumkantone beim Abschlusszertifikat
die gleich langen Spiesse», führt Walter als Begründung an. Keine Auswirkungen
hat der Lehrplan auf die Stundenzahl im Kindergarten. «Wie bis anhin können die
Schulträger aufgrund ihrer Bedürfnisse die Anzahl Lektionen innerhalb einer
Bandbreite frei wählen.»
Die höhere
Stundenzahl in den ersten beiden Klassen der Primarschule bedeutet – wie
bereits erwähnt – vor allem mehr Deutsch, mehr Sachunterricht und auch mehr
Musik. Über alle sechs Primarschuljahre hinweg wird dagegen der Bereich
Gestalten um 1 Lektion auf neu 4 Lektionen gekürzt. Unverändert bestehen
bleiben Solothurner Eigenheiten wie das Fach «Medien und Informatik» ab der
dritten Primarschulklasse und auch das Fach «Berufsorientierung» in der Sek E
und der Sek B. Völlig unverändert bleibt im Übrigen die Stundentafel der Sek P.
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