Kantonsschulen und Berufsbildner sind nicht zufrieden, Bild: Felix Gerber
Remo Ankli könnte sich eine dreijährige Sek P vorstellen, Solothurner Zeitung, 6.3. von Elisabeth Seifert
Die neue Sek I will besser auf die abnehmenden
Schulen vorbereiten. Erste Erfahrungen zeigen: Kantonsschulen und Berufsbildner
sind nicht zufrieden. Was läuft falsch?
Remo Ankli: Man muss sich bewusst sein, dass die Erfahrung mit der neuen Sek I, vor
allem bei den Berufsbildnern, noch sehr schmal ist. Die allgemeine Klage
darüber, dass die Schulabgänger nicht genügen, gibt es immer, auch bei
Maturanden, die an die Uni wechseln. Aber tatsächlich, ja, es gibt Diskussionen
um die Sek-I-Reform. Zuerst aber möchte ich festhalten, dass die Sek-I-Reform
in vielen Bereichen erfolgreich ist, und das wird auch allgemein anerkannt. Die
Vorbereitung der Jungen zum Beispiel im Fach Berufsorientierung in der Sek E
und der Sek B auf die anschliessende Berufslehre war das Ziel und ist
erfolgreich umgesetzt worden. Es gibt aber auch Klagen auf der Seite der
Berufsbildner, und die nehmen wir selbstverständlich ernst. Ganz besonders
wichtig scheinen mir aber auch die Erfahrungen der Gymnasien mit den
Absolventen der Sek P. Hier überblickt man immerhin bereits zwei Jahre.
Können Sie das konkretisieren?
Von den ersten
Sek-P-Absolventen sind rund 10 Prozent nicht ins Gymi eingetreten. Sie haben entweder
die zweite Sek-P-Klasse repetiert, was eigentlich nicht vorgesehen ist, oder
sie haben in die Sek E gewechselt. Besonders zu denken gibt uns, dass nur rund
zwei Drittel der ersten Sek-P-Absolventen derzeit die zweite Klasse des
Gymnasiums besuchen. Rund 10 Prozent repetieren die erste Gymiklasse. Gegen 20
Prozent gehen in die Berufsbildung, der Rest besucht die Fachmittelschule.
Trotz einer frühen und scharfen Vorselektion werden also viele Sek-P-Schüler
den Anforderungen am Gymnasium nicht gerecht. Oder aber sie erkennen, dass das
Gymnasium nicht der richtige Bildungsweg für sie ist.
Die Sek P richtet sich an Schüler, die eine Matura
machen wollen. Ihre Zahlen belegen deutlich, dass dies nicht zutrifft. Wie
gehen Sie mit dieser Tatsache um?
Es stellt sich
für mich die Frage, ob wir eine Weiterentwicklung der Sek-I-Reform anpacken
sollen. Die Debatte Ende Januar im Kantonsrat drehte sich ja auch um die Frage,
ob die jetzige Struktur mit einer zweijährigen Sek P sowie einer dreijährigen
Sek E und Sek B wirklich richtig ist. In den anderen Bildungsraumkantonen
dauert die Sek P ebenfalls drei Jahre und ist nicht wie bei uns einzig auf die
künftigen Maturanden ausgerichtet. Ich habe das Volksschulamt damit beauftragt,
einen unabhängigen Bericht erstellen zu lassen. Dieser soll zwei Varianten
abklären: Zum einen geht es um eine Schärfung und Verbesserung des aktuell
bestehenden Systems. Und zum anderen um eine Anpassung an das System in den
umliegenden Kantonen.
Bis wann sollen solche Änderungen realisiert werden
können?
Die Erarbeitung
der Grundlagen braucht natürlich Zeit. Wir müssen zudem die Konsequenzen
abschätzen können. Gerade die zweite Variante mit einer dreijährigen Sek P
hätte wohl auch zur Folge, dass die Schüler nach der Primarschule anders als heute
auf die einzelnen Abteilungen der Sekundarstufe I verteilt werden. Es werden
dann sicher mehr Schüler die Sek P besuchen. Zudem müssen wir auch die
finanziellen Konsequenzen abschätzen. Die Verlängerung der Sek P um ein Jahr
ist nicht gratis. Es ist geplant, dass wir allfällige Änderungen mit Beginn der
nächsten Legislatur ab 2017 starten.
Was spricht konkret für eine dreijährige Sek P?
Bei der
Sek-P-Quote haben wir eine bestimmte bildungspolitische Vorgabe. Seit Beginn
der neuen Sek I liegen wir immer über dieser Vorgabe. Und wie die Erfahrung
jetzt zeigt, hat das wesentlich damit zu tun, dass etliche Jugendliche die Sek
P besuchen, die später keine Maturität machen wollen. Das halte ich für
durchaus legitim. Es stellt für viele Schülerinnen und Schüler am Ende der
Primarschule eine grosse Herausforderung dar, genau zu wissen, ob sie später
eine Berufslehre machen oder ins Gymnasium gehen wollen. Eine zweijährige Sek P
aber ist für künftige Berufslernende nicht sehr gut geeignet, weil den
betreffenden Schülern dadurch ein Volksschuljahr fehlt. Zudem gibt es auch
keine Berufsorientierung in der heutigen Sek P.
Dennoch geben Sie auch dem bestehenden System mit
einer zweijährigen Sek P eine Chance. Ist das nicht ein Widerspruch?
Nein. Wichtig
ist aber, dass wir das bestehende System verbessern und auch schärfen. Das
bedeutet zum einen, dass in aller Regel nur jene die Sek P besuchen, die später
tatsächlich eine Maturität machen wollen. Mit der Festlegung der ursprünglichen
Quote von 15 bis 20 Prozent Sek-P-Schülern war das ja auch so gedacht. Die
Architektur der Sek P schliesst an die Tradition der Solothurner Untergymnasien
an. Das ist im Vergleich zu den umliegenden Kantonen eine Besonderheit, die
häufig nicht verstanden wird. Ein solch verengter Zugang zur Sek P schliesst
aber zwingend eine gute Durchlässigkeit von der Sek E ins Gymnasium ein.
Schülerinnen und Schüler, die im Verlauf der Sek E erkennen, dass sie ins
Gymnasium wechseln wollen, müssen eine gute Chance dafür haben.
Es braucht im Vergleich zu heute eine höhere
Durchlässigkeit von der Sek E ins Gymnasium?
Ja. Die Quote
jener, die nach der dritten Sek E ins Gymnasium wechseln, ist zwar in etwa
vergleichbar mit der Quote jener, die früher nach der dritten Bezirksschule ins
Gymnasium gingen. Im alten System aber wechselten viele bereits nach der
zweiten Bezirksschule ins Gymnasium, ohne ein Jahr zu verlieren. Und wenn sie
gut waren, mussten sie nicht einmal eine Prüfung machen. Diese Möglichkeiten
gibt es heute nicht mehr. In dem Bericht, den ich erwähnt habe, wollen wir die
Möglichkeit prüfen, wie wir im heutigen System die Durchlässigkeit verbessern
können.
In der mangelnden Durchlässigkeit von der Sek E ins
Gymnasium liegt also der eigentliche Fehler der Sek-I-Reform, wie sie von Ihren
Vorgängern aufgegleist worden ist?
Das muss man
aus heutiger Sicht wohl so sagen. In der politischen Debatte der letzten Jahre
ist diese mangelnde Durchlässigkeit wiederholt thematisiert worden.
Berufsbildner klagen, dass der Schulrucksack von
Sek-E-Absolventen für anspruchsvolle Berufslehren oft nicht genügt. Muss die
Sek E schulisch anspruchsvoller werden?
Ich habe
gehört, dass in der Mathematik Mängel bestehen. Im Rahmen sogenannter
Treffpunkte zwischen der Volksschule und den abnehmenden Berufsschulen besteht
neu die Möglichkeit, dass die Berufsschulen ihre Bedürfnisse anmelden.
Inhaltliche Verbesserungen erfordern nicht zwangsläufig zusätzliche Lektionen.
Andererseits schliesse ich aber auch zusätzliche Lektionen nicht völlig aus.
Grundsätzlich möchte ich betonen, dass wir in der Sek E und in der Sek B auf
gutem Weg sind. Wesentlich tragen auch die Abschlusszertifikate dazu bei, die
eine klare Aussage über das Leistungsniveau machen. Zudem sind hier jeweils
auch Berufsbilder hinterlegt.
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