14. Februar 2015

Ruinöses Bildungsgebastel

Thomas Dähler rät der Starken Schule Baselland nun die eingereichten Initiativen gegen Harmos und für die Beibehaltung der Fächertrennung in der Sekundarlehrer-Ausbildung zurückzuziehen. Der Reformkurs des abtretenden Bildungsdirektors Wüthrich sei gescheitert.




Die neugewählte Bildungsdirektorin Monica Gschwind im Gespräch mit Urs Wüthrich, Bild: Daniel Wahl

Der Reform-Schnellzug ist entgleist, Basler Zeitung, 14.2. von Thomas Dähler



Mit dem bürgerlichen Wahlerfolg hat sich im Baselbiet vor allem eines verändert: Das Reformtempo an den Baselbieter Schulen wird ­markant verlangsamt werden. Im Juli wird die Freisinnige Monica Gschwind die Bildungs­direktion von Urs Wüthrich über­nehmen. Der von ihr angekündigte Marschhalt bei den Reformplänen der Volksschule wird damit Realität.
Das ist auch gut so, denn die Baselbieter Schulen sind mit dem um ein Jahr hinausgeschobenen Übertritt von der Primar- in die Sekundarschule bereits genügend herausgefordert. Auch die noch nicht weit zurückliegende ­Einführung der Frühfremd­sprachen ist noch lange nicht gefestigt. Und die beschlossene frühere Ein­schulung der Kindergärtler braucht ebenfalls Angewöhnungszeit.

Vom ideologischen Ballast befreit
Die vor acht Jahren eingeleitete ­Bildungsharmonisierung in der Schweiz gleicht heute einem überhitzten Reformmotor. Dass mit Baselland jetzt ausgerechnet jener Kanton eine Denkpause einlegt, der den Prozess ­seinerzeit angestossen hat, könnte in der Schweiz durchaus als Signal wirken, von Übertreibungen abzusehen. In der Nordwestschweiz jedenfalls dürfte der angekündigte Reformstopp mehrheitlich positiv aufgenommen werden. Im Nachbarkanton Aargau hat man von Anfang an ein weit gemächlicheres Tempo angeschlagen, und auch im Kanton Solothurn haben die Proteste aus der Bevölkerung dazu geführt, dass nichts überstürzt wird. Die Hoffnung ist durchaus berechtigt, dass die Harmonisierung auf ein vernünftiges Mass zurückgestutzt wird. Einst angedacht war nämlich einzig, den Familien, die über die Kantonsgrenze zügeln, den Schulwechsel zu erleichtern.
Kaum jemand ahnte bei der eidgenössischen Volksabstimmung im Mai 2006, wozu der damals beschlossene Bildungsartikel in der Folge alles ­herhalten musste: Heute berufen sich sämtliche Bildungsbürokraten ­zwischen Genf und St. Gallen für jede mögliche Schulreform auf das überwältigende Ja von Volk und Ständen. Doch seit sich herausgestellt hat, wie ruinös das Bildungsgebastel das bisher funktionierende Schulsystem beschädigt, wird auf die Bremse gedrückt. Davon zeugt auch die Kurskorrektur, welche die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren beim Lehrplan 21 vorgenommen haben. Das Werk der Bildungstheoretiker wurde inzwischen nicht nur gekürzt, sondern auch vereinfacht und von ideologischem Ballast befreit.
Was von Schulreformern aus dem linken Lager als Reformanleitung an alle Kantone ausgedacht war, mutierte nach der Überarbeitung durch die Erziehungsdirektoren zum «Kompass», wie Christian Amsler, der Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren, meint. «Der Lehrplan 21 ist in erster Linie ein Instrument zur Harmonisierung der Volksschule und keine Schulreform», steht jetzt im Vorspann des nachgebesserten Lehrplans 21.
Die grösste Herausforderung der Baselbieter Bildungspolitik der nächsten Jahre ist die Eindämmung der Kosten, die zurzeit aus dem Ruder laufen: Die vielen Reformen beschäftigen eine überdimensionierte kantonale Ver­waltung, der Reformkurs hat eine zu teure Weiterbildungswelle ausgelöst, das Supportangebot für nicht ganz verhaltenskonforme Schüler befeuert zurzeit eine ständig wachsende Nachfrage, und sowohl die Universität als auch die Fachhochschule sind auf etwas gar starkem Wachstumskurs. Die neue Regierung wird nicht darum herumkommen, eingeleitete Entwicklungen zu beenden und nicht für alles Wünschbare neue finanzielle Mittel freizugeben. Schon nur die Entschleunigung des Reformkurses dürfte hier Wirkung zeigen.

Überflüssige Ratschläge
Anders als die Starke Schule Baselland hat sich Monica Gschwind im Wahlkampf nie grundsätzlich gegen den Lehrplan 21 ausgesprochen, in den der Kanton Baselland bereits erhebliche Mittel investiert hat. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die neue Bildungsdirektorin Zeit ­nehmen wird, den Lehrplan zusammen mit den Betroffenen auf die Bedürfnisse des Kantons anzupassen. Dabei ist es ihr wichtig, wie Gschwind im Wahlkampf betont hat, dass in der Sekundarschule Lernziele verfolgt werden, die auf die einzelnen Niveaus zugeschnitten sind. Mit dem Abschied von Bildungsdirektor Urs Wüthrich dürfte definitiv vom Umbau der ­Sekundarschule in eine Art Gesamtschule Abschied genommen werden.
Es ist verständlich, dass das ­Komitee Starke Schule Baselland den Wahlsieg von Monica Gschwind ge­­feiert hat, als ob es selber die Macht in der Bildungsdirektion übernimmt. Doch die diese Woche per Presse­mitteilung verschickten Ratschläge an die neue Bildungsdirektorin sind gänzlich überflüssig: Gschwind braucht keine Anweisungen. Sie hat ihre Bildungspolitik im Wahlkampf erläutert und wird sie umsetzen. Der Wechsel an der Spitze der Bildungs­direktion erfolgt rechtzeitig: Aufgegleist ist der Strukturwechsel, der das Baselbiet an die übrigen Kantone heranführt, alles Weitere ist noch offen. Wenn die Starke Schule Gschwind wirklich unterstützen will, sollte sie ihre Initiativen, die weit über das Ziel hinausschiessen, zurückziehen. Das wäre ein echter Vertrauensbeweis an die Adresse der neuen Bildungs­direktorin – und ein Beitrag zu ­weniger Aufregung in den Schulen.

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