"Das Interesse der Eltern an unserem Immersionsunterricht ist immens", NZZ, 16.2. Interniew von Christophe Büchi mit der Neuenburger Erziehungsdirektorin Monika Maire-Hefti
Der Kanton Neuenburg bietet seinen Primarschülern
einen Unterricht teils auf Französisch, teils auf Deutsch an. Worin besteht
genau das Angebot?
Das Projekt, das noch von meinem Vorgänge Philippe
Gnaegi initiiert wurde, läuft seit dem Schuljahr 2011/2012. Die Primarschüler
werden ab der ersten Klasse gemäss Harmos, also ab 4 Jahren, jeweils von zwei
Lehrpersonen unterrichtet, von denen eine auf Französisch und die andere auf
Deutsch Schule gibt und zu Beginn je die Hälfte des Unterrichts bestreitet. Der
Unterricht ist spielerisch und soll in erster Linie Freude vermitteln, aber
auch Vorurteile abbauen. Auf den höheren Stufen geht der Anteil des auf Deutsch
unterrichteten Pensums dann auf ein Drittel zurück, weil der Schulstoff
zunimmt.
Dies ist eine sehr anspruchsvolle
Versuchsanordnung: Wahrscheinlich hat nicht jede Neuenburger Primarlehrerin -
es handelt sich ja meistens um Frauen - die nötige Sprachkompetenzen und die
Bereitschaft, auf Deutsch zu unterrichten.
Das stimmt. Dies können
in der Regel nur Lehrer deutscher Muttersprache, oder Lehrerinnen, die perfekt
zweisprachig sind. Das ist auch unser Hauptproblem, nämlich genügend geeignete
Lehrpersonen zu finden. Aber ich hoffe, dass wir dank unserer Zusammenarbeit
mit den Deutschschweizer Kantonen Solothurn und Schaffhausen mehr Lehrkräfte
anziehen können.
Und wie ist das Angebot bisher angekommen?
Die Nachfrage ist
immens. Wir wurden vom Enthusiasmus der Eltern regelrecht überrumpelt. Wir
müssen viele Eltern, die ihre Kinder für den Unterricht anmelden wollen,
enttäuschen.
Wird dieser Unterricht also nicht flächendeckend
angeboten?
Nein, so weit sind wir noch nicht. Wir haben
entschieden, dass im Prinzip jeder Schulkreis eine Schule mit
Immersionsunterricht haben soll, haben dies aber noch nicht erreicht. Zurzeit
haben wir 28 Klassen mit insgesamt 540 Schülern, vor allem in La Chaux-de-Fonds
und auf dem Littoral (Neuenburg und Seeufer).
Es gibt sogar eine Gemeinde, Cornaux, deren
politische Behörden beschlossen haben, dass alle Kinder in den
Immersionsunterricht gehen.
Ja, dies ist eine sehr bemerkenswerte Initiative,
die von der ganzen Gemeinde mitgetragen wird.
Können Sie schon eine erste Bilanz ziehen? Können
die Kinder, die Immersionsunterricht haben, tatsächlich auch besser Deutsch?
Für eine solche Evaluation ist es noch zu früh. Uns
geht es ja in erster Linie darum, die Sympathie für die Sprache zu wecken. Und
das wird sicher erreicht.
Interessieren sich die Erziehungsbehörden der
anderen welschen Kantone für Ihr Experiment?
Wir sprechen natürlich in der Westschweizer und
Tessiner Erziehungsdirektorenkonferenz CIIP miteinander. Aber es ist natürlich
schon so, dass alle ein bisschen in ihren eigenen Mauern bleiben und ihre
eigenen Sorgen haben.
Die welschen Kantone haben aber gemeinsam und
blitzschnell die Vorverlegung des Deutschunterrichts auf die dritte Schulklasse
(5. Klasse gemäss Harmos) durchgezogen. Hat dies zu politischen Verwerfungen
geführt, wie es in Deutschschweizer Kantonen mit der Vorverlegung des
Französischunterrichts der Fall ist?
Nein, dies ging in der welschen Schweiz völlig
reibungslos über die Bühne.
Haben Sie keine SVP, die dagegen aufmuckt?
Wir haben schon eine SVP, aber diese legt sich in
dieser Frage nicht quer.
Was sagen Sie jenen Kantonen, die wie der Thurgau
den Französischunterricht entgegen dem 2004 verabschiedeten EDK-Kompromiss
wieder aus der Primarschule verbannen wollen?
Ich kann wirklich nicht verstehen, dass
ausgerechnet eine Partei wie die SVP, die sich immer als so heimatverbunden
gibt, gegen die Landessprachen mobil macht. Das muss man mir erklären!
Sie sind auch in der Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz
EDK, die sich in der Sprachenfrage um eine einvernehmliche Lösung bemüht.
Glauben Sie noch an einen Kompromiss?
Wir müssen miteinander reden und einen Kompromiss
finden. Ich bin fest überzeugt, dass wir die Mehrsprachigkeit pflegen müssen.
Notfalls, wenn die Kantone vom EDK-Kompromiss
abweichen, werde der Bund einschreiten, kündet SP-Bundesrat Alain Berset an.
Sie sind SP-Politikerin. Was sagen Sie hierzu?
Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn der Bund
intervenieren würde. Die Kantone müssen sich zu einer Einigung durchringen.
Der Kanton Neuenburg leistet in Bezug auf Immersion
Pionierarbeit. Weitere Kantone versuchen den Deutschunterricht mit anderen
Mitteln zu verbessern, Genf beispielsweise mit einer
Schweizerdeutsch-Sensibilisierung im Orientierungs-Zyklus. Was halten Sie
davon?
Ich bin nicht überzeugt, dass dies der richtige Weg
ist. Aber für die Romands liegt hier natürlich schon ein Problem. Hochdeutsch
und Schweizerdeutsch sind eben schon zwei ganz verschiedene Sprachen.
Das wohl doch nicht!
Doch, ich glaube schon. Meine Kinder sind
zweisprachig aufgewachsen. Ich erinnere mich aber sehr gut, dass sie sich mit
dem Dialektproblem schwertaten.
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