In Luzern wird die Initiative für eine Fremdsprache an der Primarschule eingereicht, Bild: Sigi Tischler
Die zweite Landessprache ist nicht verhandelbar, Tages Anzeiger, 20.2. von Anja Burri
Der
Bund wird es nicht dulden, wenn einzelne Kantone in der Primarschule nur noch
Englisch als Fremdsprache unterrichten. Diese Abweichler würden die
Fremdsprachenstrategie der Kantone und damit die Harmonisierung des Bildungssystems
infrage stellen. Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Kultur (BAK) in
einem gestern veröffentlichten Bericht. Es stützt damit Kulturminister Alain
Berset, der dies schon mehrmals andeutete. Die Bundesverfassung verpflichte den
Bund sogar dazu einzugreifen, schreibt das BAK. Es hatte den Bericht im Auftrag
der Bildungskommission des Ständerats verfasst. Weil in verschiedenen
Deutschschweizer Kantonen Bemühungen laufen, das Frühfranzösisch auf die
Sekundarstufe zu verschieben, ist der Fremdsprachenunterricht auch im
eidgenössischen Parlament ein Thema.
Für viele Politiker
steht der nationale Zusammenhalt auf dem Spiel. Die Schweiz müsse ihren
Sprachminderheiten Sorge tragen und dafür sorgen, dass sich die Bewohner der
verschiedenen Landesteile verständigen könnten. Aus diesem Grund sei es
wichtig, dass die Kinder bereits in der Primarschule mit einer zweiten
Landessprache in Kontakt kämen. Die Bildungskommissionen brüten derzeit
darüber, ob und wie sie die abweichenden Kantone in der Sprachenfrage
disziplinieren könnten. Es kristallisiert sich immer mehr heraus: Am
einfachsten wäre es, das Sprachengesetz abzuändern. Das BAK liefert dem
Parlament nun einen Vorschlag. Demnach könnte das Gesetz mit einem einzigen
Satz ergänzt werden: «In der zweiten Landessprache beginnt der Unterricht auf
der Primarstufe.» Damit wäre es für die Kantone weiterhin möglich, die
Reihenfolge der Fremdsprachen selber zu bestimmen. Sie wären aber dazu
verpflichtet, ihren Primarschülern eine zweite Landessprache beizubringen.
SVP
fordert Kantonsautonomie
Ob sich die
Standesvertreter der kleinen Kammer schon in den nächsten Monaten auf eine
solche Lösung einlassen werden, ist fraglich. «Wir sollten nicht ohne Not die
Autonomie der Kantone untergraben», sagt etwa SVP-Ständerat Hannes Germann. Und
SP-Ständerätin Anita Fetz ist auch aus taktischen Gründen für Zurückhaltung:
«Greift der Bund ein, würde dies sämtliche Gegner des Frühfranzösischen in den
Kantonen beflügeln», sagt sie mit Blick auf die anstehenden Volksabstimmungen
am 8. März in Nidwalden oder später Luzern. Die Kommission für Wissenschaft,
Bildung und Kultur (WBK) des Ständerats werde sich voraussichtlich im April mit
diesen Fragen beschäftigen, sagt Kommissionspräsidentin Géraldine Savary (SP).
Dann will sie die parlamentarische Initiative der nationalrätlichen
Schwesterkommission auf die Traktandenliste setzen. Die WBK des Nationalrats
möchte den Kantonen vorschreiben, dass die zweite Landessprache spätestens zwei
Jahre vor Ende der Primarschule unterrichtet werden muss.
Matthias Aebischer (SP),
Präsident der nationalrätlichen WBK, ist zufrieden mit dem Vorschlag des BAK.
«Wir wollen im Grundsatz das Gleiche», sagt er. Ähnlich äussert sich
SP-Bildungsexperte Jean-François Steiert. Die Details, etwa wann genau der
Fremdsprachenunterricht beginnen müsse, seien verhandelbar. Im Nationalrat
dürften sich vor allem FDP- und SVP-Vertreter prinzipiell gegen ein Eingreifen
des Bundes wehren. Er werde alle Vorschläge ablehnen, die sich in die
Bildungshoheit der Kantone einmischten, sagt SVP-Nationalrat Peter Keller. Und
zwar, obwohl er den Vorschlag des BAK gut finde: «Ich hätte mir diese Idee
nicht vom Bund, sondern von den Erziehungsdirektoren gewünscht.»
Diese appellieren an die
Geduld der Parlamentarier: «Ende Juni werden wir Bilanz ziehen, ob wir die
Harmonisierungsziele erreichen», sagt Christoph Eymann, Präsident der
kantonalen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Er will die Fremdsprachenfrage
nach wie vor innerhalb der EDK lösen. Bis Juni kann aber auch er nur abwarten.
Denn ob die Kantone es schaffen, sich zusammenzuraufen, entscheiden andere.
Dafür haben die Kritiker des heutigen Fremdsprachenunterrichts mit Volksinitiativen
und Vorstössen in den Kantonsparlamenten gesorgt.
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