Die Initiative lässt offen, welche Sprache an der Primarschule gestrichen werden soll, Bild: Keystone
Luzern: Zweite Fremdsprache in Primarschule steht auf der Kippe, Tages Anzeiger, 17.9.
Die
Initiative verlangt, dass an den Primarschulen nur noch eine Fremdsprache
unterrichtet wird. Welche Sprache das sein soll, lässt das Begehren offen. Mit
einer Reduktion auf der Primarstufe wollen die Initianten die einzelnen Sprachkenntnisse
der Schüler verbessern und der deutschen Sprache mehr Priorität geben. Die frei
werdenden Lektionen sollen mit naturwissenschaftlichen Fächern belegt werden.
Eine Fremdsprache an der
Primarschule reiche aus, schreibt das Initiativkomitee. Mit der Aufhebung einer
Sprache sollen die Schüler in den übrigen Fächern ausgewogener gefördert
werden. Damit solle auch der hausgemachte Fachkräftemangel bekämpft werden.
Anliegen
von Lehrern und Berufsbildungsleuten
Dem Initiativkomitee
gehören neben der Präsidentin des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands auch
Vertreter aller Kantonsratsfraktionen sowie der Berufsbildung an. In Luzern
wird derzeit Englisch ab der 3. und Französisch ab der 5. Primarstufe unterrichtet.
Dieser Rhythmus zur Einführung von Fremdsprachen gilt gemäss Angaben der
Erziehungsdirektoren-Konferenz in rund der Hälfte aller Kantone.
Die erste Fremdsprache
ist in der Zentralschweiz und der Ostschweiz Englisch, in der übrigen
Deutschschweiz sowie im Tessin Französisch und in der Westschweiz Deutsch. In
Graubünden ist die erste Fremdsprache je nach Region Deutsch, Italienisch oder
Romanisch.
Damit die beiden
Fremdsprachen in der Primarstufe hätten eingeführt werden können, seien
Lektionen bei anderen Fächern wie Mathematik, Musik sowie Mensch und Umwelt
abgebaut worden, schreibt das Luzerner Initiativkomitee. Der frühe
Fremdsprachenunterricht habe grosse Erwartungen geweckt. Viele Studien würden
nun aber zeigen, dass ein früherer Beginn nicht zu besseren Resultaten führen
würde, schreibt das Komitee weiter.
Bereits
2006 Initiative eingereicht
Bereits 2006 ist in
Luzern vom Lehrerinnen- und Lehrerverband (LLV) eine Initiative für nur eine
Fremdsprache auf der Primarstufe eingereicht worden. Der Verband zog diese ein
Jahr später wieder zurück. Der Rückzug habe aus staatspolitischer Verantwortung
erfolgt, denn ein Alleingang des Kantons Luzern sei vor dem Hintergrund der
Schulharmonisierung (HarmoS) und des Deutschschweizer Lehrplans nicht sinnvoll,
teilte der Verband damals mit.
Vor einer Woche sprachen
sich die kantonalen Lehrerverbände mit einer Gegenstimme für nur noch eine
obligatorische Fremdsprache in der Primarschule aus, und zwar eine
Landessprache. Zwei Frühfremdsprachen unter den heutigen Voraussetzungen
brächten zu wenig Erfolge, lautete der Tenor. Viele Kantone sparten im
Bildungsbereich, bessere Bedingungen würden sich nicht abzeichnen. Definitiv
ist die Haltung der Lehrerverbände noch nicht. Die Westschweizer und die
Deutschschweizer Lehrervertreter werden je an ihren Präsidentenkonferenzen im
November eine Abstimmung durchführen.
In mehreren Kantonen ist
jüngst die Diskussion über Frühfremdsprachen erneut entbrannt. Im Kanton
Thurgau hatte Mitte August das Kantonsparlament entschieden, Französisch erst
ab der Sekundarstufe zu unterrichten. Die Nidwaldner Regierung stimmte kurz
darauf einer SVP-Initiative mit gleicher Forderung zu. Im Kanton Graubünden ist
eine ähnlich lautende Volksinitiative im vergangenen November zustande
gekommen.
Bundesrat
will zwei Fremdsprachen
Alain Berset will nicht
tolerieren, dass Deutschschweizer Schüler erst in der Oberstufe eine zweite
Landessprache lernen. Streichen Kantone das Frühfranzösisch oder -italienisch
aus dem Stundenplan, werde er eingreifen, hat er angekündigt. Möglichkeiten hat
er verschiedene - vermutlich hätte aber am Ende das Volk das letzte Wort.
Die Verfassung gibt dem
Bund das Recht, ins Schulwesen einzugreifen. Können sich die Kantone nicht auf
eine Harmonisierung im Schulbereich einigen, so erlässt der Bund die notwendigen
Vorschriften, heisst es da. Das Volk hat den entsprechenden Verfassungsartikel
im Mai 2006 mit einer grossen Mehrheit von 85,6 Prozent angenommen. Im
Vordergrund stehen zwei Handlungsmöglichkeiten, schreibt der Bundesrat in der
Antwort auf einen Vorstoss zum Thema. Erstens könnte er sich auf Artikel 48a
der Bundesverfassung berufen.
Gemäss diesem kann der
Bundesrat einzelne oder alle Bestimmungen im HarmoS-Konkordat für alle Kantone
verbindlich erklären. Somit wären alle Kantone verpflichtet, bereits auf der
Primarstufe zwei Fremdsprachen zu unterrichten - eine davon müsste eine
Landessprache sein.
Allerdings kann der Bund
nicht von sich aus aktiv werden. Er darf nur «auf Antrag interessierter
Kantone» handeln. Die Verbindlichkeitserklärung hat in Form eines
referendumsfähigen Bundesbeschlusses des Parlaments zu erfolgen. Sprich: Gegen
den Beschluss des Parlaments könnte das Referendum ergriffen werden. Es käme
zur Volksabstimmung.
Sprachengesetz
verschärfen
Die zweite Variante
sieht vor, dass unabhängig vom HarmoS-Konkordat das Sprachengesetz verschärft
wird. Doch auch in diesem Fall wiederholt sich das gleiche Spiel: Das
revidierte Gesetz müsste durchs Parlament, Referendum und anschliessende
Volksabstimmung wären wohl vorprogrammiert.
Vorerst
will der Bundesrat aber ohnehin nicht in den Sprachenstreit eingreifen. Bis
Mitte 2015 sollen die Kantone eine einvernehmliche Lösung finden. Der Bundesrat
warte die Resultate ab, schreibt er. Er werde «zu gegebener Zeit prüfen, ob und
auf welchen Rechtsgrundlagen er handeln werde».
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