Es braucht eine gehörige Portion Niedertracht, einen Artikel über
Lehrerentschädigungen unter dem Titel «Die Privilegienreiter» zu publizieren
(BaZ 30. 6. 2014). Vielleicht sind solch populistische
Beiträge der Grund, warum Journalisten in einer Umfrage des Allensbacher
Instituts für Demoskopie unter 18 Berufen nur den zwölften Rang belegen.
Sigfried Schibli zitiert in einer lesenswerten Untersuchung über das geringe
Ansehen von Journalisten den Wiener Schriftsteller Karl Kraus: «Es genügt
nicht, keinen Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, ihn auszudrücken.»
(BaZ, 7. 7. 2014)
Nun bin ich nach über
40 Jahren Lehrerberuf natürlich befangen. Allerdings tropfen pauschale Vorwürfe
an meinen Berufsstand, auf dem Niveau «viel Freizeit und lange Ferien», «hohe
Löhne, luxuriöse Pensionskasse», unterdessen an mir ab. Sogar die Beschimpfung
von alt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) – «ihr wisst doch, was das für
faule Säcke sind» gegenüber einer Schülerzeitung – habe ich mit Gelassenheit
und ein bisschen Verständnis aufgenommen. Die Vorwürfe an die Politiker weisen
bekanntlich auch keinen höheren Differenzierungsgrad auf.Roland Stark war Lehrer, Basler Grossratspräsident und Präsident der SP Basel, Bild: Roland Schmid
Faul, fauler, am faulsten, Basler Zeitung, 31.7. von Roland Stark
Von der Schule versteht jede und jeder etwas. Pädagogen gibt es in
der Schweiz gleich viel wie Schiedsrichter, Nationaltrainer oder Verkehrsexperten.
Zwar käme ich nie auf die verwegene Idee, einem Schreiner zu erklären, wie er
eine Türe einsetzen soll. Es gilt aber als Selbstverständlichkeit, dass Kreti
und Pleti eine Lehrkraft darüber belehren darf, wie den Kindern Rechnen und
Schreiben beigebracht werden muss.
Nun
haben sich die Verhältnisse seit meinem Start als Junglehrer natürlich
verändert. Es beginnt schon damit, dass ich noch bescheiden ein Lehrerseminar
besucht habe, während man heute Lehrkräfte auf höchstem wissenschaftlichen und
theoretischen Niveau an Pädagogischen Hochschulen ausbildet. Fundierte
Kenntnisse der gängigen Kommunikationstheorien können jedoch beispielsweise das
fehlende Rüstzeug für den Umgang mit schwierigen Schülern oder für
Elterngespräche nicht ersetzen.
Grundlegend
verändert hat sich der schulische Alltag. Während früher die Arbeit mit den
Schülerinnen und Schülern, die Vermittlung von Wissen und Werten im Zentrum
stand, fressen heute die Bewältigung des Papierbergs und das Absitzen
unzähliger Sitzungen wertvolle Zeit und Energie. Der Kontrollwahn einer
aufgeblasenen Verwaltung und deren ungebrochene Projekteuphorie nehmen zuweilen
kafkaeske Züge an. Der Wasserkopf einer wirklichkeitsentwöhnten Schulbürokratie
blockiert Bildung und Ausbildung, statt sie zu ermöglichen oder gar zu
befördern.
Dazu
kommen vermehrt schwierige und auffällige Kinder mit sozialen und seelischen
Verfallserscheinungen. Die überstürzte, realitätsferne und zuweilen mit
religiösem Eifer betriebene Forcierung der Integration hat diese Problematik
noch verschärft. Die nicht selten masslosen Ansprüche der Elternschaft an die
Schule sind ebenfalls wenig hilfreich.
In diesem Umfeld
arbeiten also die vom Staat verhätschelten Lehrerinnen und Lehrer, die «faulen
Säcke» und «Privilegienreiter». Man kann sich über solche Beschimpfungen
aufregen oder sich an ein Motto des Priesters Don Bosco halten: «Fröhlich sein,
Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.» Und man darf sich damit trösten,
dass die Lehrer in der eingangs erwähnten Allensbach-Umfrage immerhin acht
Plätze vor den Journalisten rangieren.
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