Seit 10 Monaten läuft der Schulversuch «Fokus
starke Lernbeziehungen». Am Freitag erstatteten Bildungsdirektorin Regine
Aeppli und Urs Meier, stellvertretender Chef des Volksschulamts, zusammen mit
vier beteiligten Lehrerinnen einen ersten Werkstattbericht. Die Idee hinter dem
Versuch ist einfach: Im Kindergarten und in der Primarschule unterrichten nur
noch zwei Lehrpersonen eine Klasse. Diese übernehmen auch das Fach Deutsch als
Zweitsprache (DaZ) und die integrative Förderung (IF). DaZ- und IF-Fachpersonen
haben nur noch beratende und unterstützende Aufgaben.
Ziel ist es, die Lernbeziehungen zu stärken,
mehr Ruhe und Konzentration ins Klassenzimmer zu bringen und den
Koordinationsaufwand zu senken. Alle bisher verstreut eingesetzten Ressourcen
werden für die Regelklasse eingesetzt. Damit stehen durchschnittlich 140
Stellenprozente pro Klasse zur Verfügung. Teamteaching und
Halbklassenunterricht werden in weit umfangreicherem Ausmass als bisher
möglich. Damit können die Schüler individueller gefördert werden. Aepplis
erstes Fazit: Der Aufwand ist am Anfang gross, aber er lohnt sich. Mit Willen
und Überzeugung kann ein pädagogischer Mehrwert und mehr Zufriedenheit bei den
pädagogischen Akteuren erreicht werden.
Mehr Zeit und mehr Ruhe dank weniger Lehrern, NZZ, 21.6. von Walter Bernet
Der Versuch läuft noch bis 2019 und wird
einer wissenschaftlichen Evaluation unterzogen. Bis jetzt sind 5 Schulen mit 56
Klassen beteiligt, ab Sommer kommen weitere 4 Schulen mit 54 Klassen dazu. Eine
dritte Staffel startet ein Jahr später. Dafür können sich Schulen noch bis im
November melden. Das Ziel wären mindestens 200 teilnehmende Klassen. Warum sich
die Schulen nicht um die Teilnahme reissen, ist am Freitag deutlich geworden
aus den Berichten von Cornelia Battaglia, Schulleiterin in Wetzikon, Natalie
Meienberg und Eva Durisch-Simioni, Klassenlehrerin bzw. Schulische
Heilpädagogin in Schlieren, und Elsbeth Fässler, Projektleiterin für die
Einführung des Schulversuchs in den 18 Klotener Kindergärten, nach den
Sommerferien.
Je nach Voraussetzungen ist die Etablierung
des Versuchs mit starken Eingriffen in bisherige Teamstrukturen verbunden.
Kleinpensen müssen neu gebündelt werden, es kommt zu Abgängen, neue und
bisherige Lehrpersonen müssen sich in harmonierenden Zweierteams finden. Das
klappt letztlich nach den Aussagen der Beteiligten nur, wenn die Schule als
ganze den Entscheid zur Teilnahme mitträgt. Ein sorgfältig gestalteter
Teambildungsprozess zahlt sich aus, reicht aber noch nicht. Zusätzlich müssen
die Kompetenzen der Lehrpersonen gestärkt werden. Dafür kann das Fachwissen der
Heilpädagogen und der DaZ-Lehrpersonen angezapft werden, es ist aber auch
gezielte Weiterbildung in den neu übernommenen Aufgabenbereichen nötig.
Ist das System einmal etabliert, wirkt es
nach den bisherigen Erfahrungen der Beteiligten auf die ganze Schule
beruhigend. Die Zuständigkeiten sind klarer, auch für die Eltern, das Kommen
und Gehen im Klassenzimmer verringert sich, man hat mehr Zeit für den
Unterricht und für das einzelne Kind. Im Klassenzimmer sinkt der Lärmpegel.
Eine Herausforderung stellt das veränderte
Berufsbild der Schulischen Heilpädagogen dar. Sie arbeiten nicht mehr direkt
mit den Kindern. Für Eva Durisch-Simioni ist es schwieriger, das fachliche
Know-how indirekt über die Lehrkräfte in die Klassen zu transferieren, als
direkt selber anzuwenden. Es brauche deshalb auf beiden Seiten Weiterbildung,
um Überforderung zuvorzukommen. Die Hochschule für Heilpädagogik beobachtet die
Veränderungen offenbar wohlwollend, aber genau.
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