Mit 42 zu 50 Stimmen hat der Kantonsrat beschlossen, dass er nicht über die Einführung des Lehrplans 21 entscheiden wird, Bild: Keystone
Kantonsrat will nicht über den Lehrplan 21 entscheiden, Oltner Tagblatt, 25.6. von Sven Altermatt
Beat Künzli (SVP, Laupersdorf) sprach von einem «missratenen
Stück», sein Parteikollege Roberto Conti (Solothurn) machte einen vernichtenden
Vergleich: «In der Privatwirtschaft hätte man eine solche Projektleitung längst
in die Wüste geschickt.» Die SVP kämpft an allen Fronten gegen den Lehrplan 21,
der in jedem deutschsprachigen Kanton eingeführt werden soll. Das ist kein
Geheimnis. Doch im Kanton Solothurn gab es nun Schützenhilfe von unerwarteter
Seite – zumindest nach Leseart der SVP.
Der Kantonsrat soll
entscheiden, ob und wann der Lehrplan im Solothurnischen eingeführt wird. Das
forderte die Mittefraktion (CVP, EVP, GLP und BDP) in einem Auftrag, der vom
Rat abgelehnt wurde. Der Entscheid fiel mit 42 zu 50 Stimmen – allerdings erst
nach einer einstündigen Debatte.
Die Mittefraktion war
einverstanden, dass nicht jede Änderung von Lehrplänen und Stundentafeln vom
Kantonsrat behandelt werden muss. «Aber ein Projekt in dieser Dimension braucht
eine breite Abstützung», sagte Fraktionssprecherin Tamara Mühlemann (CVP,
Zuchwil).
Allein deswegen sei ein
Entscheid vom Kantonsrat zu treffen. Befürchtet wird auch, dass der neue
Lehrplan unnötige Mehrkosten verursacht. Das passe nicht zu den Sparmassnahmen
des Kantons. Für Mühlemanns Fraktionskollege René Steiner (EVP, Olten) war
klar: «Bei der Neudefinition der Volksschule muss das Volk mitreden.»
Lehrer drückten Stempel
auf
Eigentlich drehte sich
der Auftrag der Mittefraktion nur um die Frage, ob der Kantonsrat über die
Einführung des Lehrplans 21 und deren Zeitpunkt bestimmen soll. Doch oft ging
es in den Voten um viel mehr.
Die Beratung glich bisweilen
einer Grundsatzdebatte. Beat Künzli startete einen Rundumschlag gegen den
Lehrplan 21. Die Idee des wertfreien Lernens sei zur ideologischen
Indoktrination verkommen, monierte der SVP-Mann und fragte seine Kollegen
rhetorisch: «Entspricht das noch dem Verfassungsauftrag?» Fast ein Fünftel der
Kantonsräte steht berufsmässig im Klassenzimmer.
Es waren denn auch die
Pädagogen, die der Diskussion ihren Stempel aufdrückten. Während sich Tamara
Mühlemann und Roberto Conti mit dem Lehrplan 21 nicht anfreunden wollten,
zerstreuten links-grüne Bildungsvertreter deren Bedenken. Doris Häfliger
(Grüne, Zuchwil) gab zu, dass sie anfangs «über einen Systemwechsel an meiner
Berufsschule geflucht» habe. Auch wenn nicht mehr mit Zielen, sondern mit
Kompetenzen gearbeitet wird, wisse sie in der Zwischenzeit aber: «Die
Unterschiede sind in der Praxis gar nicht so gross.»
Ankli: «Hat sich
bewährt»
Ist der Kantonsrat
überhaupt imstande, über den Lehrplan 21 zu befinden? Nein, fand Mathias
Stricker (SP, Bettlach) bereits in der Beratung einer Interpellation der
Mittefraktion, in der diese Fragen zum Lehrplan stellte. Der Sozialdemokrat
mahnte, dass der Lehrplan 21 über 500 Seiten umfasst und in Fachsprache
verfasst sei. Daran erinnerte auch Hubert Bläsi (FDP, Grenchen), der wie
Stricker als Primarlehrer arbeitet.
Natürlich könne auch er
viele Vorschläge nicht mittragen, erklärte Bläsi. «Trotzdem können wir nicht
mitten im Prozess die Spielregeln ändern.» Tatsächlich ist die Rechtslage
eigentlich klar: Gemäss Volksschulgesetz ist der Regierungsrat für den Erlass
eines Lehrplans zuständig. Und daran möchte Bildungsdirektor Remo Ankli (FDP)
auch nichts ändern, wie er nach einem Appell zur Einführung des Lehrplans 21
erklärte. Ein Lehrplan sei ein fachliches Konstrukt, in keinem Kanton ist die
Legislative dafür zuständig. «Was gut ist und sich bewährt hat, soll auch so
bleiben», sagte Ankli.
Allein, damit war noch
nicht geklärt, warum nicht auch der Kantonsrat über den Lehrplan bestimmen
könnte. Der Bildungsdirektor gab sich bewusst diplomatisch: «Im Kantonsrat wird
engagiert und emotional diskutiert.
In der Vernehmlassung
kamen jedoch alle Stimmen zum Ausdruck.» Den Vorwurf der SVP, Kritiker seien
nicht in die Ausarbeitung einbezogen worden, lies Ankli nicht gelten.
Schliesslich stelle «diese Partei» in der Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren-Konferenz ja am meisten Mitglieder.
Vom Tisch ist das
Harmonisierungsprojekt im Kanton Solothurn noch lange nicht. Die SVP will den
Lehrplan 21 stoppen, und zwar um jeden Preis. Voraussichtlich im Herbst
behandelt der Kantonsrat einen Auftrag von Beat Künzli. Darin fordert er, die
Einführung des Lehrplans zu unterbinden.
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