Mitwirkung üben, NZZ, 26.6. von Florian Bissig
Am Anfang
eines Epochenwechsels stehen zwei, drei schwammige Paragrafen im
Volksschulgesetz von 2005. Seither haben die Eltern ein Recht auf eine
Mitwirkung, die über die individuelle Kooperation in Sachen eigenes Kind
hinausgeht. Die Schulen sind verpflichtet, ein Reglement für eine institutionalisierte
Elternmitwirkung auszuarbeiten. Natürlich ist es ausgeschlossen, dass die
Eltern bei Personalentscheiden und in didaktischen Fragen mitreden. Tatsächlich
zu entscheiden haben die Eltern ohnehin nichts. Das einzige konkrete Recht, das
die zugehörige Volksschulverordnung den Eltern einräumt, ist das Anhörungsrecht
beim Schulprogramm.
Ringen um bescheidenes Recht
Das scheint
mager, denn Anhörung ist nicht Mitsprache. Und dazu kommt, dass der Gesetzgeber
darauf bedacht war, die Autonomie der Schulgemeinden nicht anzutasten. Die
Ausgestaltung der Reglemente obliegt den Schulkonferenzen und ihre Genehmigung
den Schulpflegen. Das dürfte der Grund sein, wieso der Spielraum, der den
Eltern in diesen Reglementen gewährt wird, für diese meist eher bescheiden
ausfällt.
Vielmehr wird
vor allem die Abgrenzung grossgeschrieben: was die Eltern alles nicht dürfen.
Trotzdem bilden die Paragrafen den Anfang einer kleinen Revolution im
Schneckentempo. Das verbriefte Recht der Eltern auf Mitwirkung in der Schule
ist ein Novum. Von Alters her haben die Schulen ihre Autorität höchstens mit
der Schulpflege geteilt, keineswegs aber mit den Eltern.
Seit rund
zwei Jahren gibt es einen Verband, welcher der Mitwirkungs-Revolution im Kanton
Zürich auf die Beine helfen will: die Kantonale Elternmitwirkungs-Organisation
(KEO). Sie berät die Elternforen und Elternräte und verleiht den Anliegen der
Eltern als Vernehmlassungs-Partnerin des Volksschulamts politisches Gewicht im
Gesetzgebungsprozess. Das Gewicht könnte allerdings noch grösser sein, denn die
KEO repräsentiert nicht alle Eltern im Kanton. Ihre Mitglieder sind nämlich
nicht direkt die Elterngremien, sondern die Schulgemeinden, und von 204
Schulgemeinden sind zurzeit nur rund 100 Mitglied der KEO, wie deren
Präsidentin Gabriela Kohler-Steinhauser auf Anfrage sagt. Die andere Hälfte der
Schulgemeinden - meist kleinere ländliche Gemeinden - sei teilweise deshalb
nicht dabei, weil es die Schulpflegen trotz dem Wunsch ihrer Elterngremien
ablehnten, ein Beitrittsgesuch zu bewilligen.
Ein weiteres
Problem ist, dass gewisse Schulen der Verordnung zum Trotz bis heute das
Anhörungsrecht beim Schulprogramm in ihrem Reglement nicht aufgenommen haben,
wie Kohler-Steinhauser sagt. So verwundere es nicht, dass die Elternmitwirkung
oft als «Kuchenbackverein» wahrgenommen werde, dessen Aufgabe sich darin
erschöpfe, Freiwilligenarbeit zu leisten, etwa in der Organisation von
Elternbildungs-Veranstaltungen, Räbeliechtli-Umzügen oder Lese-Nächten.
Gerangel um Macht
Kohler-Steinhauser
legt indessen Wert darauf zu betonen, dass es im ganzen Kanton erfolgreiche
Projekte auf Initiative von Elterngremien gebe. Doch sie wünscht sich, dass
sich die Schulen noch weiter öffnen für die Sicht und auch die Ressourcen der
Eltern. «Die Elternmitwirkung ist noch ein junges Kind, und die neue Kultur
muss sich an den Volksschulen immer noch entwickeln», sagt Kohler-Steinhauser.
Sie ist überzeugt, dass die Schulen profitieren, wenn sie offen für die
Initiative der Eltern sind. Würden sie in den Gesprächen zum Schulprogramm
angehört, könnten sie auch ihre eigenen Aktivitäten besser auf die Bedürfnisse
der Schule abstimmen. Die Ängste der Schulbehörden gegenüber einer solchen
Öffnung sind für Kohler-Steinhauser unbegründet.
Für den
Präsidenten des Schulpräsidentenverbands, Johannes Zollinger, ist die
Zusammenarbeit von Schulbehörden und Elterngremien eine Frage der Übung. Sein
Verband empfehle den Schulgemeinden den KEO-Beitritt, sagt er. Von verhinderten
Beitritten wisse er nichts. Bei der institutionalisierten Elternmitwirkung
ortet er neben der Schulpflege Reibungspotenzial. Doch das sei nichts Neues.
Zur
Etablierung der Elternmitwirkung gehört also auch ein Gerangel um
institutionalisierte Macht. Doch keinem Schulleiter oder Schulpfleger sollte
ein Zacken aus der Krone fallen, wenn er dem bescheidenen Wunsch des
Gesetzgebers nachkommt, Elterngremien aufzubauen und deren Meinung Gehör zu
schenken. Aber es wäre ein kleines Zeichen mit grosser Bedeutung an die Eltern:
Sie sind an der Schule angekommen.
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