Auf Zulauf reagiert nun Thomas Ziegler, pensionierter Sekundarlehrer.
Schulreformen benachteiligen die Buben, Bild: Keystone
Reaktion auf Leserbrief Zulauf von Thomas Ziegler
Lieber Ueli Zulauf
„...jene bekommen recht, die schon immer
gewusst haben, dass man am besten alles beim Alten belässt“.
Diese (zu) späte Einsicht ehrt dich – anders
als all die Bildungstechnokraten, akademisch gebildeten
Erziehungswissenschafter (ohne Praxisbezug) und Schulbehörden (und die ganze
„Heilpädagogen-Mafia“), die immer noch alles wunderbar findet.
Allerdings hat niemand alles beim
Alten lassen wollen, sondern wir wollten z.B. eine statt zwei Fremdsprachen auf
der Primarstufe, eine Integration nur der körperlich behinderten (und nicht
auch noch der Verhaltensoriginellen oder wirklich ganz leistungsschwachen)
Kinder, keine Aufgabe des Klassenlehrerprinzips, v.a nicht an der Primarschule,
eine differenzierte Stundentafel auf der Sekundarschulstufe usw. Und wir
befürchteten, dass die Reformen von den Bildungstheoretikern (und deren
politischer Führungsriege) von oben herab „ohne Pardon“ durchgezogen
würden, ohne die Erfahrungen von ausgewiesenen Lehrkräften an der Front
genügend zu berücksichtigen. Jeder Lehrer, der nicht zu jeder (radikalen)
Reform ja sagte, wurde als rückständig, (ver)alt(et), konservativ oder
überheblich diffamiert – von der Presse über die Bildungsbehörden bis zu den
(meisten) Lehrervereinen...
Dass heute die BiD durch das Volk wenigstens
in kleinsten Schritten (Grundstufe, Unterrichtssprache Kindergarten; Opposition
gegen Totalintegration) zurückgepfiffen wird, ist nur eine kleine Genugtuung.
Dass ich (und viele andere) recht bekommen haben, vermag mich gar nicht zu
erfreuen – im Gegenteil.
Dass die Rückkehr zu einem System mit
wenigstens „nur“ zwei Lehrkräften als (neu erfundener) Versuch dargestellt
wird, ist hingegen geradezu zynisch.
Wenn ich heute (als „Senior im Klassenzimmer“
und als sehr engagierter Grossvater) ins Klassenzimmer komme, kann ich mich vor
lauter Atelier-, Werkstatt- und Gruppen-unterricht (in dem stundenlang
Arbeitsblätter ausgefüllt werden) selten erwärmen. Zwei bis drei (wechselnde)
Lerncoaches (insgesamt sechs bis sieben) statt Lehrkräfte sorgen dafür, dass
(langweilige) Ruhe und gute soziale Zusammenarbeit herrschen – eine
(Klassen)lehrkraft, eine Persönlichkeit, die auch begeistern kann, fehlt.
Besonders nachteilig wirkt sich das auf (wilde) Buben aus. Dass die Schule
heute bubenfeindlich (mit entsprechenden Auswirkungen auf die Mittelschulquote)
geworden ist, ist nicht nur deren Schuld, sondern auch die der Reformen (und
der Verweiblichung des Lehrkörpers).
Und so komme ich zu dem, was für mich an der
Entwicklung der Volksschule am stossendsten ist: Als (einst) glühender
Befürworter des „gebrochenen“ Bildungsweges (und als Vater eines aktiven
Seklehrers, der genau so spricht) muss ich heute meinem ältesten Enkel (5.
Klasse) zum Langzeitgymi raten statt zur Sekundarschule, denn v.a. diese Stufe
ist mit dem Segen von Buschor und Co. „zu Tode“ reformiert worden.
Mit kollegialen Grüssen
Thomas Ziegler, Alt-Seklehrer,
-Bezirksschulpflegepräsident, -Kantonsrat
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