31. Dezember 2011

2011: Administration verliert Rückhalt

 
Bild: starflash.de

Das wegweisende Ereignis 2011 aus bildungspolitischer Sicht? Eine kleine, hochmotiverte Truppe gewann in Zürich die Mundart-Initiative. Gegen eine Übermacht von Parteien, Verbänden und Medien. Dies war der wegweisende Fingerzeig für eine Entwicklung, die sich seit dem Monat Mai schweizweit durchsetzen sollte: Die Bildungsadministration mit ihrem seit Jahren aufgeblasenen Verwaltungsapparat verliert ihre Glaubwürdigkeit. Das zeigt sich exemplarisch an drei Beispielen: Lehrmittel, Sparpläne und Lehrplan 21.
In Bern und Zürich wurde massive Kritik laut an den verordneten Lehrmitteln für den frühen Fremdsprachenunterricht. In Zürich setzte der Bildungsrat den seit Jahren anhaltenden Ergänzungen, Verbesserungen und Weiterbildungen ein Ende. Die Lehrmittelserien der Primar- und Sekundarstufe werden gestoppt. Dahinter verbirgt sich mehr als nur Unmut gegenüber unbrauchbaren Materialien. Die entworfenen Lehrmittel setzen ja bloss konsequent die von allen Instanzen propagierte Idee eines CLIL-Ansatzes um, der in dieser  schweizerischen Ausführung das Fremdsprachenlernen effektiv behindert. Dieser orthodoxe Glaube an ein Mini-CLIL ist nun von der Realität eingeholt worden. Nach der Mundart-Initiative bekommt die Zürcher Administration und die PHZH wieder eins auf den Deckel!  
20% der Jungen verlassen unsere Schulen ohne überlebensnotwendige sprachliche Kompetenzen. Die EDK im Verbund mit ihren Duzfreunden vom LCH bejubeln die PISA-Resultate trotzdem. In einem leistungsgeprägten Klima ist klar, dass Versager nicht noch mehr Geld bekommen. Besonders schwer haben es Luxuslösungen. Beispielsweise die Vorbereitungsschule für das KV für schulisch Schwache in Baselland. Aber neu ist, dass der Rotstift auch mal oben - bei der Verwaltung - angesetzt wird. Und so kommt es dann, dass Zürich 10% der Stellen in der Administration abbauen muss
Der Lehrplan 21, das Prestigeprojekt der Bildungsverwaltung, steht auf sehr wackeligen Beinen. Erinnern wir uns bloss an den Aufruhr bei einem vergleichsweise harmlosen Thema wie der Sexualkunde. Die Aufregung lässt sich nur dadurch erklären, dass man den Bildungsämtern schlicht nicht mehr traut. Finanzkompetenz ab 1. Primar und die relative Schwächung der MINT-Fächer dürften weitere Stolpersteine sein. Der geplante Umbau auf kompetenzorientiertes Unterrichten und Überprüfen ist bis jetzt warme Luft geblieben. Auch hier haben die EDK und ihre Adlaten in den Kantonen viel zu verlieren.
Im Aufwachen der Bevölkerung gegen die überhebliche Bevormundung sehe ich kein schlechtes Signal. Im abgeschotteten Umfeld unserer kantonal zerstückelten und medial verhätschelten Bildungsämter tut eines not: Selbstbewusste Lehrkräfte, die ihr Wissen und Können in die Bildungsdiskussion einbringen. Dazu dient auch mein Blog. Vielen Dank für das Vertrauen und die Treue liebe Leserin, lieber Leser. Ich wünsche allen einen beschaulichen Jahresschluss und viel Erfolg und Zufriedenheit im neuen Jahr.

30. Dezember 2011

Von Finnland lernen?

Mathias Binswanger äussert sich zu den Absurditäten der Leistungsmessung in der Schule. Er benennt die gängigen "Tonnenideologien im Bildungswesen" und zeigt uns, wohin der Vergleichswahn führen kann. Vielen Dank auch an meinen Kollegen Fritz Tschudi für den Tipp.
MAMABLOG-GYMNASIUM
Der Nachwuchs muss auf die Wissensgesellschaft vorbereitet werden, heisst es. Bild: Keystone
Die Absurdität der Bildungsideologie, Tages Anzeiger online, 30.12.
Mehr von Mathias Binswanger hier.

BL-Regierung sagt nein zu Schul-Initiativen

Als Reaktion auf das Baselbieter Sparpaket wurden gleich vier Initiativen eingereicht, die die Massnahmen für die Schule rückgängig machen wollen. Konkret: Schüler dürfen nicht innerhalb ihres Schulkreises hin und her geschoben werden; Klassenlehrer sollen eine Stunde weniger unterrichten und so mehr Zeit für schwächere Schüler aufbringen; die Kaufmännische Vorbereitungsschule darf nicht gestrichen werden; keine überfüllten Klassenzimmer.
Die Regierung lehnt alle vier Initiativen ab und nennt konkrete Zahlen zu den Kosten, die eine Annahme verursachen würde.
Der grüne Landrat Jürg Wiedemann (Mitte) ist die treibende Kraft hinter den Initiativen.
Der grüne Landrat Jürg Wiedemann (Mitte) ist die treibende Kraft hinter den Initiativen, Bild: Mischa Christen
Vier mal Ja kostet etliche Millionen, Basler Zeitung, 30.12., von Peter de Marchi

27. Dezember 2011

Abstrakte Naturwissenschaften

Geht es nach Gerhard Schmid, einem pensionierten Ingenieur, dann werden die Mathematik und die Naturwissenschaften falsch unterrichtet. Schüler machten vielfach negative Erfahrungen, weil die Abstraktion zu früh eingefordert werde. Das habe ein schwindendes Interesse an Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zur Folge. In der schulischen Laufbahn wird das Abstraktionsvermögen sehr schnell zum alleinigen Selektionskriterium. Die Freude am Experiment und das Interesse an der Beobachtung würden damit gründlich verdorben.
Schmid organisiert deshalb Kurse für Kinder, wo diese die physikalischen Grundgesetze auf einer einfachen Ebene kennen lernen, ausgehend von beobachtbaren Phänomenen. 

Mint-Fächer werden falsch unterrichtet, Bild: hilchenbach.de
Basisarbeit für zukünftige Naturwissenschafter, NZZ, 27.12. von Michael Schoenenberger

23. Dezember 2011

Urner haben mehr Französisch

Anders als in den umliegenden Kantonen beginnt im Kanton Uri der Französischunterricht erst auf der 1. Oberstufe. Um den Anschluss an die restlichen Zentralschweizer Kantone mit Frühfranzösisch nicht zu verlieren, wird die Zahl der Französischlektionen ab Schuljahr 2012/13 auf der 1. Oberstufe von heute vier auf neu fünf Lektionen erhöht. Damit erhalten die Urner Jugendlichen in der 1. Oberstufe zwei Lektionen mehr Französisch als ihre Kollegen in den anderen Kantonen. 
Diese Massnahme dürfte sich auszahlen. Ein späterer Beginn mit mehr Lektionen ist erfolgversprechender als eine zeitlich lange dafür dünne Lektionsverteilung. Gratulation: Da könnten andere Kantone noch viel lernen.
Mehr Französisch für Urner Oberstufenschüler, Neue Luzerner Zeitung, 23.12.

22. Dezember 2011

Zürcher Englisch-Lehrmittel: Das Ende eines Flops

Wir haben bereits darüber berichtet: Zürich ersetzt die unbeliebten Englisch-Lehrmittel. Im Moment ist noch offen, ob man zukünftig ein bestehendes Lehrmittel übernimmt oder erneut eigene Lehrmittel entwickelt.
Das Gutachten der Schulsynode vom Juni 2011 hat gezeigt, wie vernichtend das Urteil der Praktiker ist. Überrascht bin ich, dass die PHZH - aus deren Küche die Lehrmittel stammen - weiterhin ein Mandat zur fachdidaktischen Unterstützung und Beratung der Lehrkräfte erhält. Immerhin kostete dieser Flop 10 Millionen Franken. 
Schwierige Praxis der integrativen Schule.

Der Englischunterricht darf weder Schüler noch Lehrer überfordern, Bild: Regina Kühne/Keystone
Ein letzter Service an "Explorers", NZZ 22.12. von Walter Bernet, inkl. Kommentar von Walter Bernet: Das Ende eines Flops

Keine Mehrkosten für neue PH Zug

Der Regierungsrat des Kantons Zug legt dem Parlament die Vorlage mit dem Gesetz über die Pädagogische Hochschule Zug vor. Dieses soll nach dem Ende des Konkordats mit der PH Zentralschweiz Ende Juli 2013 in Kraft treten. Der Standort St. Michael für die neue PH bleibt bestehen.
An der PH Zug sollen Lehrpersonen für den Kindergarten und die Primarschule ausgebildet werden. Die maximale Zahl der Studenten soll nicht über 300 steigen. Damit entstünden auch keine Mehrkosten gegenüber der heutigen Situation. 
Studenten an der PHZ in den Räumen der Schulen St. Michael in Zug.
PH Studenten in Zug, Bild: Archiv/Neue ZZ
Zug plant Lehrerausbildung nach PHZ-Konkordat, Neue Luzerner Zeitung, 22.12.
Zug will eigenständige Lehrerbildung, Regionaljournal DRS, 22.12.

21. Dezember 2011

"Schule bewegt" mit neuen Inhalten

Das Programm "Schule bewegt" des Bundesamts für Sport will Schulklassen zu einer täglichen Bewegungszeit von 20 Minuten animieren und stellt dafür einfach umsetzbare Bewegungsideen kostenlos zur Verfügung.

Einfache Bewegungsförderung in der Schule, Bild: schulebewegt.ch
Bewegung in den Schulalltag integrieren - aber wie? Schule bewegt

PISA 2009 im Kanton Bern

Die Zahlen des Kantonsvergleichs zu PISA liegen nun auch für den Kanton Bern vor. Im Vergleich zum Jahr 2000 blieben die Leistungen in allen drei Fächern mehrheitlich stabil. Auffallend ist, dass Mädchen deutlich mehr und besser lesen als Knaben und der soziale Hintergrund die Lesekompetenzen stark beeinflusst.
PISA 2009 im Kanton Bern, Erziehungsdirektion Kanton Bern, 5.12.

Schüler und Lehrkräfte in der Schweiz

Das Bundesamt für Statistik hat die Zahlen zur Lehrkräftestatistik (Schuljahr 2009/10) aktualisiert und veröffentlicht. Ebenfalls abrufbar sind die Zahlen und Entwicklung der Schüler und Studierenden.
Bildungssystem - Detaillierte Daten, Bundesamt für Statistik

Neue Englischlehrmittel für Zürich

Die Kritik zeigt Wirkung: Die Zürcher Volksschule soll mittelfristig eine neue Lehrmittelreihe für den Englischunterricht erhalten. Der Bildungsrat hat eine Projektgruppe eingesetzt, die das Anforderungsprofil erarbeiten soll. 
Bald ausgedient: Die Zürcher Schüler bekommen neue Englischbücher.
Die Zürcher Schüler bekommen neue Englischbücher. Bild: Keystone
Ersatz für umstrittene Englischbücher, Tages Anzeiger, 21.12.

Prävention von Jugendverschuldung

Wie sollen Kinder den Umgang mit Geld lernen, wenn es ihre Eltern nicht können? Im Jahr 2008 lebten im Grossraum Zürich 18,8% der unter 18-Jährigen in einem Haushalt mit Schulden. Deshalb könne bei Geldfragen nicht mehr auf die Kompetenz der Eltern gesetzt werden.
Der Lehrplan 21 sieht denn vor, den Umgang mit Finanzen im Unterricht zu thematisieren. Laut Martin Wendelspiess, Amtschef der Bildungsdirektion Zürich, sind im Fach Natur/Mensch/Umwelt Unterrichtsgebiete wie "Konsumieren und Lebensstil" oder "Zusammenleben und Haushalten" vorgesehen.
Wer sich früh kritisch mit Geld und Konsum befasst, kann später finanzielle Risiken besser einschätzen. (Bild: Keystone / Peter Klaunzer)
In der Schule den Umgang mit Geld lernen? Bild: Keystone/Peter Klaunzer
Den Umgang mit Geld von klein auf lernen, NZZ, 21.12. von Susanna Ellner

20. Dezember 2011

Kein gemeinsamer Nordwestschweizer Schulabschluss

Ein gemeinsamer Schulabschluss der vier Kantone Basel-Stadt, Basel-Land, Aargau und Solothurn ist auch im Zuge der Schulreform vorest nicht möglich. Dazu bräuchte es einen Staatsvertrag, schreibt die Basler Regierung. Ein Abschlusszertifikat soll aber ab 2017 die Leistungen der Schüler in den vier Kantonen vergleichbar machen.
Quelle: Regionaljournal DRS, 20.11.

19. Dezember 2011

Geleitete Schulen in Schaffhausen?

Im Kanton Schaffhausen sollen flächendeckend geleitete Schulen eingeführt werden. Dies beschloss der Kantonsrat mit einer Revision des Schulgesetzes - gegen den Widerstand der SVP, die für eine freiwillige Lösung eintrat. Das letzte Wort hat nun das Volk, das am 11. März 2012 über die Vorlage entscheidet.

Werden Schulleitungen in Schaffhausen obligatorisch? Bild: aegelsee.ch
Schaffhauser Kantonsrat für geleitete Schulen in allen Gemeinden, Regionaljournal DRS, 19.12.

Unsichere Lohnerhöhung für Schwyzer Lehrer

Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, wollte die Schwyzer Regierung die Löhne für Lehrpersonen der Primar- und Sekundarschule um 3 Prozent erhöhen . Dieser Vorschlag fand bei der zuständigen Kommission aber kein Gehör.
Einverstanden ist die Kommission jedoch damit, dass die existierende Lohndifferenz zwischen Kindergarten und Primarschule deutlich reduziert werden soll. Die Personal- und Besoldungsverordnung soll im März 2012 im Schwyzer Kantonsrat behandelt werden.
Quelle: Regionaljournal DRS, 19.12.

Bericht zur Urner Volksschule

Der Jahresbericht der Bildungs- und Kulturdirektion Uri gibt in elf Kapiteln Auskunft über verschiedene Bereiche der Volksschule.
Bericht zur Volksschule, Bildungs- und Kulturdirektion Uri

Szenarien 2011-2020 für die obligatorische Schule

Wir erleben in den nächsten Jahren eine deutliche Zunahme der Schülerbestände im Vorschulbereich. In der Primarschule steigen die Schülerzahlen ab dem Jahr 2013 wieder an. Gleichzeitig nehmen die Pensionierungen auf der Primar- und Sekundarstufe I bedeutend zu. Vertiefende Informationen dazu im folgenden Bericht:
Bildungsperspektiven Szenarien 2011-2020 für die obligatorische Schule, Bundesamt für Statistik

Aargau: Schlussbericht Check 5

Check 5 ist ein freiwilliger Leistungstest für die fünften Klassen im Kanton Aargau. Getestet wurden die Kompetenzen in den Fächern Mathematik und Deutsch sowie fächerübergreifende Lösungsstrategien. 2010 wurde der Check 5 zum siebten Mal durchgeführt. Im vorliegenden Schlussbericht werden die aktuellen Ergebnisse zu den Ergebnissen der Vorjahre in Beziehung gesetzt. 
Check 5 Schlussbericht, Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich

18. Dezember 2011

Verpönter Frontalunterricht

Der Frontalunterricht, bei dem Schulkinder starr in Reih und Glied sitzen, gilt heute als verpönt. Dabei war er einst ein grosser Schritt vorwärts. In Zeiten der Individualisierung lohnt es sich, Gedanken über die Entstehung des Frontalunterrichts zu machen. 

Frontalunterricht galt als Fortschritt, Bild: Duden.de
Frontalunterricht war ein Fortschritt, Beobachter Denkzettel Nr. 18

Zauberwort Individualisierung

Alle reden davon: Individualisierung! Das Zauberwort der aktuellen pädagogischen Debatte verspricht viel, wir haben schon darüber berichtet. Wer sich für individualisierten Unterricht ausspricht, der kann sich des Beifalls sicher sein. Der deutsche Unterrichtsforscher Andreas Helmke im Gespräch.

Der imaginäre Durchschnittsschüler in unseren Klassen, Bild: Zeit online
"Keine Angst vor Vielfalt", Zeit online

Altersdurchmischtes Lernen sorgt für Ärger in Zug

In Hünenberg (Zug) sorgt die geplante Einführung von Altersdurchmischtem Lernen (AdL) ab nächstem Schuljahr für Ärger. Die Lehrer fühlen sich übergangen und befürchten Mehrarbeit. Auch auf Elternseite hat sich Widerstand formiert.
Neues Schulsystem sorgt für rote Köpfe, Neue Luzerner Zeitung, 18.12.

16. Dezember 2011

Weiterhin keine integrative Oberstufe in Zug

Der Kanton Zug will die Oberstufe weiterhin separativ (klare Trennung von Sek und Real) halten. Damit verschliesst man sich Tendenzen in anderen Kantonen, welche die Grenzen der beiden Oberstufen-Schultypen auflösen. Gleichzeitig sollen die Schüler des 9. Schuljahres gezielt auf ihr Berufsprofil vorbereitet werden. 
Sekundar- und Realschule bleiben getrennt, Neue Luzerner Zeitung, 16.12.

Berufsauftrag schwächt Lehrer

In Zürich spricht man nicht mehr über das schwache Abschneiden am PISA-Kantonsvergleich, die Bildungsdirektion hat ein neues Thema lanciert: Berufsauftrag. Dieser wird eifrig kommentiert und ich frage mich, wie lange es geht, bis die nächsten Kantone ähnliche Vorlagen präsentieren.
Es ist ein bürokratischer Trugschluss, verschiedene Fächer undifferenziert als gleichwertig bezüglich Aufwand zu betrachten. Als erfahrener Lehrer weiss ich, wie unterschiedlich der Aufwand für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts in unterschiedlichen Fächern ist. Aber bekanntlich stösst das Erbsenzählen hier an seine Grenzen. Deshalb setzt man einfach einen Pauschalwert pro Lektion ein und hofft, es gleiche sich dann schon irgendwie aus. Während - abgesehen vom Unterrichten - über jede Minute Buch geführt werden soll, vertraut man bei den Lektionen auf eine nicht mehr zeitgemässe Milchbüechlirechnung. 
Mit dem Berufsauftrag werden Lehrer gezwungen Weiterbildungen zu besuchen. Ob sie das nötig haben oder nicht, spielt keine Rolle. Die Folge davon ist, dass viele unmotivierte Leute an solchen Weiterbildungen ihr Soll abhäkeln. Das ist bürokratischer Unsinn. Wer nicht aus eigenem Antrieb aus regelmässig Weiterbildungen besucht, ist doch selbst schuld. Und als Profis brauchen wir keine Anleitungen darüber, wie viel Weiterbildung für unsere Arbeit wichtig ist: Das entscheiden wir selbst! Ausserdem ist gerade im Bereich der Sekundarstufe das Angebot an guten, praktischen Kursen sehr beschränkt. Die Lehrerweiterbildung gehört deshalb vollkommen liberalisiert. Niemand soll zu einer Weiterbildung verknurrt werden, die ihm/ihr nichts bringt! Die Weiterbildung ist ausserdem fest in den Händen der PH, wo sie als willkommene Pensenergänzungen für Dozenten dienen. Die Lehrerschaft wird durch den Weiterbildungszwang zu Zudienern der PH: Dies schwächt die Position der Schulpraktiker gegenüber den selbsternannten Experten! 
Wer kontrolliert denn eigentlich diese Zeitberechnungen über Weiterbildungstage, Elterngespräche etc.? Ist dies wieder eine willkommene Aufgabe für unsere Schulleitungen? Die werden sich sicher darauf freuen.
Abschliessend werde ich den Verdacht nicht los, dass hinter der ganzen "Übung" Berufsauftrag ein riesiger Berg von Misstrauen gegenüber uns Lehrpersonen steht. Wir werden zu Buchhaltern degradiert, die sich über die Verwendung ihrer Zeit rechtfertigen müssen. Man fragt nicht: Haben die Schüler etwas gelernt?, sondern interessiert sich primär, ob die Lehrkräft ihr zeitliches Soll erfüllt hat. Die entscheidende Frage aber lautet: Wird mit dem Berufsauftrag die Schule verbessert? Kaum, denn Lehrkräfte, die nicht gerne arbeiten, werden Wege finden, dies weiterhin zu vertuschen. Aber Lehrkräfte, die gerne arbeiten, könnten leicht die Fassung verlieren, wenn sie feststellen, dass sie anstatt den Unterricht zu planen, Minuten zusammen zählen.
Für Lehrer gilt künftig die Jahresarbeitszeit, Zürcher Oberländer, 15.12.
Der neue Berufsauftrag für Zürcher Lehrkräfte bewegt die Gemüter. Was ist davon zu halten, wenn nicht mehr die Anzahl Wochenlektionen ein Pensum definieren? Wo liegen die Vor- und Nachteile dieses Vorschlags? Walter Bernet sammelt in der NZZ vom 16.12. erste Stellungnahmen.

15. Dezember 2011

Berner Lehrer wollen kämpfen

Die Berner Lehrer sind nicht gewillt, die vom Grossen Rat beschlossene Lektionskürzung (von der 2. bis 6. Klasse je eine Lektion pro Woche) hinzunehmen. Der Spareffekt beträgt 10 Millionen Franken pro Jahr. Trotz der Kürzung haben die 3. und 4.-Klässler eine Lektion mehr als bisher. Grund dafür ist das neue Fremdsprachenkonzept.
Bildungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) riet in einer kurzen Ansprache sachte von Kampfmassnahmen ab.
Der Lehrerverband des Kantons Bern ist nicht damit einverstanden, dass Primarschüler weniger Unterricht haben sollen.
Der Berner Lehrerverband (Lebe) ist gegen eine Lektionskürzung in der Primarschule, Bild: Colourbox
Lehrer wollen  kämpfen, Berner Zeitung, 15.12.

Neuer Berufsauftrag für Zürcher Lehrkräfte

Die Zürcher Bildungsdirektion unterbreitet dem Kantonsrat eine Neuregelung des  Berufsauftrags der Lehrpersonen der Volksschule. Neu daran ist, dass sich das Pensum nicht mehr an der Anzahl erteilter Wochenlektionen ergibt. Die Aufgaben einer Lehrpersonen werden in vier Bereichen gegliedert: Unterricht (inkl. Vor- und Nachbearbeitung, Schule, Zusammenarbeit und Weiterbildung. 
Neuer Berufsauftrag für Lehrerinnen und Lehrer, Kanton Zürich, 15.12.
Lehrpersonalgesetz, Kanton Zürich, 15.12.

Zürcher Bildungsapparat muss sparen

Der Sparbeschluss des Zürcher Kantonsrats bereitet der Bildungschefin Aeppli Kopfzerbrechen. Walter Bernet analysiert in der NZZ vom 15.12. die Situation.

Urs Moser kritisiert Sek C

Der Bildungsforscher und PISA-Experte Urs Moser kritisiert die Sek C für schwache Schüler. Er findet: "Gute Schüler werden eher besser, wenn sie allein unterrichtet werden. Schwache Schüler hingegen lernen weniger, wenn sie unter sich sind. Das negative Milieu potenziert sich". Aus wissenschaftlicher Sicht sieht Moser keine wirklichen Vorteile im Führen einer Sek C.
Pisa-Experte kritisiert Sek C, Tages Anzeiger, 15.12. von Liliane Minor

Protest gegen Baselbieter Sparpaket

Etwa 400 Personen demonstrierten vor dem Regierungsgebäude in Liestal gegen die geplanten Sparmassnahmen. Ähnliche Demonstrationen hatten schon früher stattgefunden. Die Demonstranten appellierten ans Parlament,  den Niedergang an den Schulen zu stoppen und den Arbeitsfrieden wiederherzustellen. Nach Ansicht der Lehrkräfte bringe das Sparpaket einen massiven Qualitätsabbau und streue Sand ins Getriebe der Harmos-Schulreform.
«Bildungsabbau nicht mit uns !!» Demonstranten vor dem Regierungsgebäude in Liestal.
"Bildungsabbau nicht mit uns!!" Demonstranten in Liestal, Bild Mischa Christen
Protest-Demo gegen Baselbieter Sparpaket, Basler Zeitung, 14.12.

Urs Wüthrich nimmt Stellung zum "Therapiewahn"

Der Artikel "Schulen im Therapiewahn" hat zu vielen Reaktionen geführt. Der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich nimmt Stellung zu den Fragen von Franziska Laur.
«Kinder sind heute nicht auffälliger.» Bildungsdirektor Urs Wu?thrich sieht die Schule auf dem richtigen Weg.
Urs Wüthrich sieht die Schulen auf dem richtigen Weg, Bild: Roland Schmid
"Eltern fechten häufig Entscheide an", Basler Zeitung, 15.12. von Franziska Laur

14. Dezember 2011

Thurgau spart bei der Schulentwicklung

Die Zeit der grossen Reformen im Thurgauer Schulwesen sei vorbei, sagt Bildungschefin Monika Knill (SVP). Im Vergleich zum Kanton Zürich sind die Sparanstrengungen von Fr. 700'000 jedoch bescheiden. Die Basisstufe können die Gemeinden auf freiwilliger Basis einführen.

Die Thurgauer Regierungsrätin Monika Knill auf Schulbesuch, Bild: Nana do Carmo
"Die Zeit der Reformen ist vorbei", St. Galler Tagblatt, 14.12. Interview mit Monika Knill von Marc Haltiner

13. Dezember 2011

Zürcher Kantonsrat kürzt Budget

Der Zürcher Kantonsrat hat Regine Aeppli einen happigen Sparauftrag aufgedrückt. Das Bildungsbudget wurde um 43,5 Millionen Frnaken gekürzt. Umgesetzt werden soll der Sparauftrag durch den Abbau von rund 30 Stellen.
Ihre Gegenwehr war umsonst: Bildungsdirektorin Regine Aeppli. (Archivbild)
Muss sparen: Regierungsrätin Aeppli, Archivbild Tages Anzeiger
Zürcher Bildungsverwaltung muss abspecken, Tages Anzeiger, 13.12.

Zürich sucht Praktikumsstellen

Martin Wendelspiess, Chef des Zürcher Volksschulamtes, sucht dringend Praktikumsplätze für angehende Lehrer. In einem Brief an alle Schulpflegen ist von rund 1000 Praktikumsstellen die Rede. Die PH Zürich hat Mühe, ihre Studierenden in Praktika unterzubringen.
Künftigen Lehrern fehlen die Stellen, Tages Anzeiger, 13.12.

Lernen Schüler in Klassen mit vielen Ausländern gleich gut?

Eine Berner Forscherin kommt bei ihrer Doktorarbeit zu einem überraschenden Schluss: Die kulturelle Zusammensetzung einer Klasse spiele keine Rolle für die Schulleistungen - weder für das allgemeine Niveau der Klasse, noch für den einzelnen Schüler.
Die Untersuchung stützt sich auf Erhebungen bei 42 Schulklassen der dritten Primarklasse aus dem Kanton Bern.
Für den Schulerfolg von Berner Schülern spielt es keine Rolle, woher ihre Klassengspähnli kommen.
Klassenzusammensetzung ohne Auswirkungen auf die Leistung, Bild: Keystone
Berner Schüler lernen in Klassen mit vielen Ausländern genauso gut, Berner Zeitung, 13.12.
Schulleistung hängt nicht vom Ausländeranteil ab, Regionaljournal DRS, 13.12.

Chaos statt Sicherheit

Franziska Laur kommentiert die Schulsituation 
In den Schulen herrschen Verunsicherung und Chaos. Reformen stehen an, die
kaum einer der Protagonisten mittragen will – die Lehrpersonen leiden. Sie leiden unter ihrem schlechten Ruf und unter den überhöhten Ansprüchen von Politik, Eltern und Wirtschaft. Kommt hinzu, dass sie sich täglich mit einer Schar übersättigter und verzogener Schüler auseinandersetzen müssen. Und weil kaum jemand ausserhalb des Bildungssystems die Probleme richtig wahrhaben will, werden die Lehrkräfte auf den Pfad des Selbstbetrugs gedrängt. Sie negieren ihre eigenen Probleme und pathologisieren die Schüler bei den kleinsten Schwierigkeiten. Denn sind diese einmal an die Medizin abgeschoben, so muss man sich mit den tatsächlichen Problemen nicht mehr auseinandersetzen. So nimmt man einer ganzen Generation die Chance, an Problemen zu wachsen und Grenzen zu finden. Die Politik andererseits bietet auch keine nachhaltigen Lösungen. Die Schulen sind zur Beute der Parteien geworden und amtierende Bildungsdirektoren wollen mit grossen Würfen Zeichen setzen. So wird die Schule in Unruhe gehalten: Fächerübergreifender Unterricht, Mitbestimmungsmodelle, Elternbeteiligungen, immer wieder neue Qualitätsstandards, die Einführung von zusätzlichen Fächern und Tests auf mögliche psychologische Defekte. Und kaum ist das eine eingeführt, wird es schon wieder gestrichen. Anstatt Planungssicherheit herrscht das Chaos. Die Folge: ausgebrannte Lehrer, verwirrte Kinder und zweifelnde Eltern. Profitieren tut höchstens das Heer an Therapeuten, das auf eine ellenlange Warteliste verweist und sich über einen florierenden Markt die Hände reibt. Tatsache ist allerdings, dass es nicht zuletzt mit Multikulti-Klassen für die Lehrer immer schwieriger wird. Im Kleinbasel etwa haben die meisten Kinder Eltern mit Migrationshintergrund und viele von ihnen müssen sich mit den hiesigen Traditionen erst vertraut machen. Dies bringt mit sich, dass die Schule nicht nur den Lernplan einhalten, sondern auch Integrations- und Erziehungsaufgaben übernehmen muss. Daher wird es immer wichtiger, den Schulalltag nicht zu überfrachten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.100000 Franken kostet ein Kind im Laufe seiner Volksschulzeit den Steuerzahler – ohne Sondertherapien und Förderunterricht. Bei der Verwendung dieses Geldes gilt es, Sorge zu tragen – und zur Zukunft unserer Kinder sowieso.
Quelle: Basler Zeitung, 13.12. von Franziska Laur

Schulen im Therapiewahn

Jedes zweite Kind fasst in seiner Schulkarriere eine oder mehrere Therapien. Dieser Trend hin zur Pathologisierung einer ganzen Generation geschieht nicht zuletzt aus einer Überforderung der Lehrpersonen heraus. Diese stehen zwischen Ansprüchen aus der Politik und dem Elternhaus. Während die Politik den Lehrkräften immer mehr Aufgaben ausserhalb ihres Lehrauftrags zumutet, fordern die Eltern Mitspracherecht in den Schulen oder können ihrem anspruchsvollen Nachwuchs nicht mehr Einhalt gebieten. Und da in vielen Basler Schulen der Anteil an verhaltensauffälligen Kindern gross ist, gibt es Klassen, in  denen fast ein Viertel der Kinder wegen ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) mit dem Medikament Ritalin behandelt wird.
Nun schlagen Ärzte und Fachleute Alarm. Sie fordern ein einfacheres Schulsystem, eine seriösere Abklärung, bevor Therapien verordnet werden, und eine grössere Toleranz bei Abweichungen von der Norm. Es dürfe nicht sein, dass ein Kind nicht mehr das kleinste Lispeln oder das geringste Tagträumchen haben dürfe, ohne dass sofort eine Diagnose gestellt und nach dem Therapeuten gerufen werde.
Tatsächlich sind die Schulen überfrachtet. Frühfranzösisch, die Neueinführung von Qualitätsstandards, Kinder zu dick, zu dünn, zu neurotisch, zu fernsehbesessen - die Schule beugt sich dem Druck, führt Purzelbaumstunden ein und übt das richtige Freizeitverhalten. Doch unter all dem Genügenwollen brechen ihre Protagonisten zusammen. Auch viele Lehrer können nur noch mit psychologischer Beratung und Tabletten funktionieren.
Getestet und behandelt. Mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler geht in eine Therapie. Fachleute warnen vor der Überbetonung von Schwächen.
Ärzte wehren sich gegen unnötige Diagnosen, Bild: Fotolia
Aus: Basler Zeitung, 13.12. von Franziska Laur
Eine Generation wird krank geredet, Basler Zeitung, 13.12. von Franziska Laur

12. Dezember 2011

St. Gallen streicht Fremdsprachenlektionen an Oberstufe

Die neue Lektionentafel (in Kraft ab nächstem Schuljahr) streicht Fremdsprachenlektionen an der Oberstufe. Dies als Folge der Einführung von Englisch ab der 3. Primarklasse im Kanton St. Gallen. Konkret fällt in der 3. Sek. je eine Lektion Französisch und Englisch weg. 
In der Real wird ab 2. Klasse nur noch Englisch unterrichtet, ab der 3. Real fallen beide Fremdsprachen weg.
Damit setzt der Kanton St. Gallen die mit dem frühen Fremdsprachen-Unterricht erfolgten Weisungen konsequent um. D.h. in der Zeit, wo die Schüler am schnellsten lernen wird abgebaut, damit man möglichst früh beginnen kann. Damit Realschüler möglichst nichts mehr vom Gelernten über die Schulzeit hinaus retten können, streicht man ihnen die Fremdsprachen-Lektionen ganz (Wahlfächer ausgenommen). 
Die lange Geschichte der Absurditäten im Zusammenhang mit der Einführung der Frühfremdsprachen ist um ein Kapitelchen länger.
Stundentafel Oberstufe St. Gallen

SG: Schlussbericht Sonderpädagogik-Konzept

Während der letzten zwei Schuljahre wurde im Kanton St. Gallen ein Konzept zur integrativen Sonderschulung erprobt. Insgesamt 20 Kinder und Jugendliche mit einer Spracherwerbsstörung, einer geistigen Behinderung oder einer Verhaltensstörung wurden in Regelklassen beschult. Beteiligt waren 11 Regelschulen und 8 Sonderschulen.
Schlussbericht zum Projekt Sonderpädagogik-Konzept, Kanton St. Gallen, Bildungsdepartement

11. Dezember 2011

PISA: Zürcher auch ohne Ausländer am Schluss

Die Rechtfertigung von Regine Aeppli (SP), der Bildungsdirektorin Zürichs, wonach der hohe Ausländeranteil schuld sei an den schwachen Leistungen im PISA-Kantonsvergleich, greift zu kurz. Der Anteil der leistungsschwachen einheimischen, deutschsprachigen Schüler ist in Zürich so hoch wie in keinem anderen Deutschschweizer Kanton.

Nur die halbe Wahrheit: Martin Wendelspiess und Regine Aeppli, Bild: peterlienhard.ch
Pisa: Zürcher Schüler sind auch ohne Ausländer das Schlusslicht, Der Sonntag, 11.12. von Yannick Nock

Bischof Felix Gmür kontert Bischof Huonder

Letzte Woche verlangte der Churer Bischof Vitus Huonder ein Dispensationsrecht für den Sexualkundeunterricht an der Volksschule. Der Basler Bischof Felix Gmür will davon nichts wissen: Die Sexualaufklärung gehöre zum Bildungsauftrag der Volksschule. "Der Unterricht über die menschliche Sexualität gehört zu den Aufgaben der Schule ... sie soll darauf nicht verzichten." Die Eltern würden in der Erziehungsaufgabe von der Schuule unterstützt und ergänzt. Der Bischof spricht sich gegen das Recht auf Dispensation vom Sexualkundeunterricht aus. "Wenn die Schule die verschiedenen Aspekte darlegt, dann sehe ich keinen Grund, die Kinder abzumelden."Wichtig sei, dass unterschiedliche Meinungen in den Unterricht einfliessen würden. Für manche Menschen seien wechselnde Sexualpartner in Ordnung, die Kirche dagegen betone, dass die Sexualität ein Ausdruck gegenseitiger Liebe sei, "der Ort dafür ist die Ehe, also eine feste, stabile Beziehung."

Gegen Bischof Huonder: Der Basler Bischof Gmür, Bild: NZZ 
Quelle: Sonntagszeitung, 11.12.

Die Schulreformen haben wenig gebracht

In diesem Blog wurde schon verschiedentlich auf die schwachen Resultate der Zürcher beim PISA-Kantonsvergleich hingewiesen. Der Grundtenor dabei: Diese Schlappe lässt sich nicht mit dem hohen Ausländeranteil rechtfertigen. In einem Kommentar in der NZZaS spricht nun Michael Furger Klartext.

Man findet immer einen Kniff, um schlechte Resultate schönzureden. Bei den Pisa-Resultaten wird es allmählich schwierig. Der Kanton Zürich, der sich seit den neunziger Jahren als Bildungsmotor der Schweiz betrachtet, schneidet in den neusten Auswertungen miserabel ab. Die Schüler liegen im Lesen, Rechnen und in den Naturwissenschaften zum Teil signifikant unter dem Schweizer Schnitt. Ein Fünftel aller 9.-Klässler ist nicht in der Lage, einfachste Texte zu verstehen oder simple Rechenaufgaben zu lösen. Die vielen Fremdsprachigen seien schuld, sagt die Bildungsdirektion. Doch selbst wenn man die Fremdsprachigen herausrechnet, schneidet das teure Zürcher Schulwesen nur durchschnittlich ab.
Das Problem liegt anderswo. Die ganze Schweiz brilliert bei Pisa nicht wirklich. Sie rangiert zwar stabil im oberen Drittel, macht aber seit zehn Jahren kaum Fortschritte, im Gegensatz etwa zu Deutschland, das sich seit dem ersten Test 2000 deutlich verbessert und die Schweiz zum Teil überholt hat. Hierzulande fehlt der Druck, wirklich besser zu werden. Seit Jahren widmen sich die Erziehungsdirektoren vor allem dem Definieren von Bildungsstandards oder ziehen mit Hingabe unrealistische Schulversuche wie die Grundstufe durch. Man schraubt an Messgrössen und Strukturen, während die Leistungen in den Klassenzimmern immer stärker auseinanderdriften. Zürich baut seit 12 Jahren seine Volksschule um. Angesichts der Pisa-Resultate ist das Ergebnis beschämend. Es wäre Zeit, die Kräfte neu auszurichten - auf die Steigerung der Schülerleistungen und nur darauf.
Quelle: NZZaS, 11.12. von Michael Furger


10. Dezember 2011

Bildungsbericht Baselland

Der Kanton Basel-Landschaft nimmt alle vier Jahre zur Qualität der öffentlichen Schulen im Kanton Stellung. Erstmals legte der Regierungsrat dem Landrat den Bildungsbericht 2007 vor. Die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion wurde vom Regierungsrat beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Amt des Kantons den zweiten kantonalen Bildungsbericht 2011 zu erstellen. Der in erster Linie an den Landrat adressierte Bericht beschreibt die Entwicklung des Bildungswesens zwischen 2007 und 2011 und enthält statistische Portraits mit vergleichenden Kennzahlen.
Bildungsbericht Basel-Landschaft 2011 

9. Dezember 2011

Frau Bock ist der Gärtner

Zwei Jahre nach der letzten grossen nationalen Pisa­Studie liegen die Ergebnisse für einzelne Kantone vor. Die Auswertung war freiwillig, mitgemacht haben dreizehn Stände. Ein Re­sultat sticht heraus: Besonders schlecht schnitt in der Deutschschweiz der Kanton Zürich ab. «Zürcher sind schlechte Schüler», schrieb der lokale  Tages-Anzeiger. Der Grund dafür seien «die vielen Fremdsprachigen». Die Tatsachen sind derart klar, dass sie sich nicht leugnen lassen, auch nicht von den Ver­antwortlichen. Die Zürcher Bildungs-direkto­rin Regine Aeppli (SP) kündigte umgehend an, sie prüfe verschiedene Massnahmen. Sie lau­fen alle auf dasselbe hinaus: mehr Personal, mehr Büro-kratie, mehr Geld. Die Schule, sagte Aeppli weiter, sei nicht die «Reparatur-werkstatt» der Gesellschaft. Es brauche eine «sinnvolle Raum­, Finanz­ und 
Familienpolitik». 
Auffällig an dieser Aufzählung ist, was fehlt: Von einer vernünftigen Auslän-derpolitik war nirgends die Rede. Auch Parteien und Lehrer­verbände redeten um den heissen Brei herum oder flüchteten sich in Gemeinplätze («Leis­tung muss sich auch für schlechte Schüler aus­zahlen»). Bevor irgendwelche bürokratischen Sofort­massnahmen ergriffen werden, deren Wirk­samkeit zweifelhaft bleibt, lohnte sich ein Blick auf das Ganze. Die ernüchternden Ergebnisse sind nicht zufällig entstanden, sie sind das Resultat einer verfehlten Politik. Regine Aeppli und ihre Par­tei­ und Gesinnungsgenossen in Politik, Ver­waltung und Bildungsmilieu haben die Wei­chen eigenhändig in die falsche Richtung gestellt. Jetzt erhalten sie die Quittung.
Jahrelang haben diese «progressiven» Kreise unter dem Schlagwort des «Multikulturalis­mus» verneint, dass die starke Zuwanderung zu Problemen führt. An der Urne haben sie sich Verschärfungen des Ausländerrechts wider-setzt, auch wenn sie mit den Füssen längst anders abgestimmt hatten: Indem sie aus den Quartieren mit hohem Ausländeran­teil  wegzogen, sobald die eigenen Kinder in die Schule kamen. Verschärft zeigt sich die Situation in der Bil­dungspolitik, für die Regine Aeppli als Regie­rungsrätin und wichtige Figur in der Erzie­hungsdirektorenkonferenz (EDK) unmittel­bar verantwortlich zeichnet. Unter ihrer Ägide ist der Kanton Zürich mit einer Reihe von Reformen vorgeprescht, die sich allesamt nachteilig für Immigrantenkinder auswirken. 
Die  Integration leistungsschwacher und verhaltensauffälliger Schüler in die Regelklas­sen erhöht gerade für sogenannte Risikoschü­ler die Herausforderung. Die Betreuungs­intensität nimmt ab. Ihre Leistungen geraten zusätzlich unter Druck.

Falsche Richtung: Bildungsdirektorin Aeppli, Bild: 20min.ch
Wer heute eine Zürcher Schule besucht, wähnt sich an einem fröhlichen Jekami (Jeder kann mitmachen). Ein Schüler arbeitet dort, ein anderer da. Eine Schülerin füllt ein Ar­beitsblatt aus, ihre Kollegin malt etwas aus. Indivi-dualisierter Unterricht nennt sich das. Was zählt, sind Eigenverantwortung und In­dividualität. Das sind hehre Werte, wer hätte etwas dagegen. Nur überfordert die grosse Freiheit zuallererst die schwachen Schüler und die Immigranten. Ein weiteres grossangelegtes Reformprojekt der letzten Jahre betrifft  Frühenglisch und Frühfranzösisch. Bereits die Kleinsten sollen  Fremdsprachen lernen. Wieder sind die Fol­gen für Ausländerkinder negativ: Sie müssen weitere Sprachen lernen, bevor sie richtig Deutsch können. 
Ausländerfreundlich ist eine solche Politik höchstens der Absicht, nicht der Wirkung nach. Frau Aeppli muss über die Bücher.
Aus: Weltwoche Nr. 49/2011, von Philipp Gut 

Aussensicht auf den Romanisch-Konflikt


Aus: NZZ, 9.12.

Vernehmlassung für neues PHZ-Gesetz

Nach der Kündigung des PHZ-Konkordates auf Mitte 2013 braucht die Pädagogische Hochschule Luzern eine neue gesetzliche Grundlage. Der Regierungsrat schickt nun eine Vorlage in die Vernehmlassung. Diese dauert bis zum 16. März 2012. 
Neues Gesetz für Pädagogische Hochschule, Neue Luzerner Zeitung, 9.12.

Rumantsch Grischun gebremst

Der Bündner Grosse Rat korrigiert sich selbst: Er hat seinen Entscheid, romanische Lehrmittel nur noch in Rumantsch Grischun herauszugeben, umgestossen. Neu sollen Lehrmittel in allen fünf romanischen Idiomen plus in Rumantsch Grischun herausgegeben werden. Davon betroffen sind 3700 Schüler, d.h. gut 600 Schüler pro romanische Sprachvariante! Zuerst wird jetzt ein Mathematiklehrmittel (!) für 2,6 Millionen in den Idiomen gedruckt. Wenn wir hier von 2500 Schülern ausgehen (1/3 hat RG), macht dies den stolzen Betrag von 1040 Fr. pro Buch und Schüler. Wer sagt hier, die Bündner liessen sich ihre Sprachen nichts kosten? Ob das Mathebuch das Romanische stützen kann? 
Der Grosse Rat hat die Einführung der rätoromanischen Schriftsprache Rumantsch Grischun an der Bündner Volksschule gebremst.
Rumantsch Grischun wird neu neben den Idiomen unterrichtet, Bild: Arno Balzarini/Keystone
Rückschlag für Rumantsch Grischun an den Volksschulen, Südostschweiz, 8.12.

8. Dezember 2011

Mehr Lohn für Berner Lehrer

Die Berner Lehrer erhalten im kommenden Jahr 1,3% mehr Lohn. Davon entfallen 0,4% auf den Teuerungsausgleich. Ursprünglich wollte der Regierungsrat eine Lohnsteigerung von 1,5% erreichen. Angesichts der angespannten Finanzlage des Kantons korrigierte der Grosse Rat den Gehaltsaufstieg nach unten.
Mehr Lohn für bernische Staatsangestellte, Regionaljournal DRS, 8.12.

Förderung von DaZ

Als Folge der bescheidenen Zürcher Resultate im Kantonsvergleich von PISA, soll nun der Unterricht in Deutsch als Zweitsprache gefördert werden. Die Bildungsdirektion sieht Handlungsbedarf. Anders beurteilt das Zürcher Schulamt die Situation. Hier erachtet man eine Infragestellung oder einen Ausbau des heutigen DaZ-Unterrichts als verfrüht.
Ein eigentlicher Systemwechsel, NZZ, 8.12. von Walter Bernet

Was passiert mit Schülerdaten?

Sobald ein Schüer an einer öffentlichen Schule die Schulpflicht erfüllt habe, müssten sämtliche Dossiers und elektronischen Daten über ihn vernichtet werden. Dies verlangt eine Stimmberechtigte in einer Einzelinitiative im Kanton Zürich. Damit verlangt sie eine Ergänzung des kantonalen Datenschutzgesetzes.
Nur Daten von Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern sollen erhalten bleiben: Schüler im Kanton Zürich.
Nur Daten von Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern sollen erhalten bleiben, Bild: Keystone
Schülerdaten sollen vernichtet werden, Tages Anzeiger, 8.12.

7. Dezember 2011

Zürich hat ein Problem

Die Zürcher ringen nach Erklärungen für das schlechte Abschneiden (letzte Stelle der Deutschschweiz) im Kantonsvergleich der PISA-Tests. Immer zur Stelle in solchen Fällen ist Daniel Schneebeli vom Tages Anzeiger, sozusagen der verlängerte Arm des Bildungsdepartements in der Redaktion des Zürcher Blattes. Schneebeli beruhigt erst mal und rät, jetzt "nicht hysterisch" zu werden.  Wie die verantwortliche Bildungschefin, Regine Aeppli (SP), sieht er den Grund des Versagens im hohen Ausländeranteil. 
Schauen wir diese Argumentation genauer an. Im Kanton Zürich wurden über 1200 Schüler aus 31 Klassen getestet. Diese stammen aber nicht alle aus dem Stadtzürcher Kreis Aussersihl. Die Auswahl der Zürcher Klassen verteilt sich auf den ganzen Kanton - auch ländliche Gebiete wurden berücksichtigt. 
Die Stadt Zürich als Finanz- und Wissenschaftszentrum zieht bekanntlich besonders viele hochqualifizierte Ausländer an. Wir wissen, dass die Gruppe der Deutschen - in Zürich überaus gut vertreten - bessere Leistungen als die Schweizer erbringen. Es ist nicht haltbar, dass die Leistungen von Ausländern pauschal als schwächer als diejeniger der Schweizer dargestellt werden.
Angesichts der Zürcher Blamage würde man eigentlich eine kritische Analyse des Zürcher Schulsystems erwarten. Weit gefehlt! Schneebeli beurteilt den eingeschlagenen Kurs bezüglich früher Förderung (z.B. Frühfremdsprachen) als "zu hundert Prozent richtig".
Regierungsrätin Aeppli schlägt nun vor, schulschwache Kinder länger in Deutsch und Mathematik zu unterrichten. Gleichzeitig sind es gerade diese Kinder, die am stärksten unter den verordneten und wissenschaftlich nicht vertretbaren Frühfremdsprachen leiden. 
Mit der von Aeppli und Schneebeli verbreiteten Meinung, der Migrationsdruck sei schuld am Abschneiden der Zürcher, verschliesst man die Augen vor den wirklichen Problemen im teuersten Schulsystem der Schweiz.
LesenQuelle: Pisa-Studie 2009522522520508505505504504504502502501501496495495485VS(f)SHFR(f)ARAGSGVS(d)NEJUCHBE(d)VDGEFLBE(f)ZHTI0200400600Punkte
Schulnoten sind nicht alles, Tages Anzeiger, von Daniel Schneebeli, 6.12.