Zwei Jahre nach der letzten grossen nationalen PisaStudie liegen die Ergebnisse für einzelne Kantone vor. Die Auswertung war freiwillig, mitgemacht haben dreizehn Stände. Ein Resultat sticht heraus: Besonders schlecht schnitt in der Deutschschweiz der Kanton Zürich ab. «Zürcher sind schlechte Schüler», schrieb der lokale Tages-Anzeiger. Der Grund dafür seien «die vielen Fremdsprachigen». Die Tatsachen sind derart klar, dass sie sich nicht leugnen lassen, auch nicht von den Verantwortlichen. Die Zürcher Bildungs-direktorin Regine Aeppli (SP) kündigte umgehend an, sie prüfe verschiedene Massnahmen. Sie laufen alle auf dasselbe hinaus: mehr Personal, mehr Büro-kratie, mehr Geld. Die Schule, sagte Aeppli weiter, sei nicht die «Reparatur-werkstatt» der Gesellschaft. Es brauche eine «sinnvolle Raum, Finanz und
Familienpolitik».
Auffällig an dieser Aufzählung ist, was fehlt: Von einer vernünftigen Auslän-derpolitik war nirgends die Rede. Auch Parteien und Lehrerverbände redeten um den heissen Brei herum oder flüchteten sich in Gemeinplätze («Leistung muss sich auch für schlechte Schüler auszahlen»). Bevor irgendwelche bürokratischen Sofortmassnahmen ergriffen werden, deren Wirksamkeit zweifelhaft bleibt, lohnte sich ein Blick auf das Ganze. Die ernüchternden Ergebnisse sind nicht zufällig entstanden, sie sind das Resultat einer verfehlten Politik. Regine Aeppli und ihre Partei und Gesinnungsgenossen in Politik, Verwaltung und Bildungsmilieu haben die Weichen eigenhändig in die falsche Richtung gestellt. Jetzt erhalten sie die Quittung.
Jahrelang haben diese «progressiven» Kreise unter dem Schlagwort des «Multikulturalismus» verneint, dass die starke Zuwanderung zu Problemen führt. An der Urne haben sie sich Verschärfungen des Ausländerrechts wider-setzt, auch wenn sie mit den Füssen längst anders abgestimmt hatten: Indem sie aus den Quartieren mit hohem Ausländeranteil wegzogen, sobald die eigenen Kinder in die Schule kamen. Verschärft zeigt sich die Situation in der Bildungspolitik, für die Regine Aeppli als Regierungsrätin und wichtige Figur in der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) unmittelbar verantwortlich zeichnet. Unter ihrer Ägide ist der Kanton Zürich mit einer Reihe von Reformen vorgeprescht, die sich allesamt nachteilig für Immigrantenkinder auswirken.
Die Integration leistungsschwacher und verhaltensauffälliger Schüler in die Regelklassen erhöht gerade für sogenannte Risikoschüler die Herausforderung. Die Betreuungsintensität nimmt ab. Ihre Leistungen geraten zusätzlich unter Druck.
Falsche Richtung: Bildungsdirektorin Aeppli, Bild: 20min.ch
Wer heute eine Zürcher Schule besucht, wähnt sich an einem fröhlichen Jekami (Jeder kann mitmachen). Ein Schüler arbeitet dort, ein anderer da. Eine Schülerin füllt ein Arbeitsblatt aus, ihre Kollegin malt etwas aus. Indivi-dualisierter Unterricht nennt sich das. Was zählt, sind Eigenverantwortung und Individualität. Das sind hehre Werte, wer hätte etwas dagegen. Nur überfordert die grosse Freiheit zuallererst die schwachen Schüler und die Immigranten. Ein weiteres grossangelegtes Reformprojekt der letzten Jahre betrifft Frühenglisch und Frühfranzösisch. Bereits die Kleinsten sollen Fremdsprachen lernen. Wieder sind die Folgen für Ausländerkinder negativ: Sie müssen weitere Sprachen lernen, bevor sie richtig Deutsch können.
Ausländerfreundlich ist eine solche Politik höchstens der Absicht, nicht der Wirkung nach. Frau Aeppli muss über die Bücher.
Aus: Weltwoche Nr. 49/2011, von Philipp Gut
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