NZZ, 6.3. Leserbrief von Peter Aebersold
7. März 2020
Integration bedeutet Stigmatisierung
DasExperiment der schulischen Total-Integration ist klar gescheitert. Es rächt
sich nun, dass man diese theoretische Konstruktion nicht vorher in
Versuchsklassen getestet hat, bevor man die bewährten Schulformen abgeschafft
hat. Bei der Diskussion gibt es eine Wahrnehmungsverschiebung zwischen
Schulpraktikern und Theoretikern. Während viele Praktiker kaum mehr fördern
können, weil sie überfordert werden, behaupten Behörden und Fachhochschulen,
eine inklusive Schule sei eine gute Schule. Weil die Zahl der Schüler mit Sonderschulstatus
massiv zu- statt abgenommen hat, wie die Reformer angenommen haben, fällt die
Rechnung für den Steuerzahler massiv höher aus. Deshalb möchte man mittels
«Pauschalressourcierung» den schwarzen Peter den Gemeinden und Schulen
zuschieben und auf der Sekundarstufe durchmischte Lerngruppen einführen, weil
das in der Primarschule so gut funktioniere. Die höheren Kosten bringen zudem
weniger Qualität (siehe Pisa 2019) und den Schülern weniger Bildung und
Wohlbefinden. Leidtragende sind vor allem die schwächeren Schüler: Tag für Tag
erleben zu müssen, dass man nichts versteht und nicht mitkommt, ist auch eine
Form von Stigmatisierung und sicher kein Menschenrecht.
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