10. März 2019

Teilrückzieher der PH


Nach dem Schlamassel mit der Rechtschreibedoktrin, der im Kanton Aargau zur Ächtung eines Lehrmittels geführt hat, macht die Fachhochschule einen Teilrückzieher. Plötzlich heisstes, man stehe der Reichen-Methode kritisch gegenüber. So wie im jetzt verabschiedeten Lehrmittel praktikziert, sei es nie gemeint gewesen.
Kommentar zu «Keine zu frühen Korrekturen», Felix Schmutz, 10.3.
 


Afra Sturms Stellungnahme ist bezeichnend: Teils hat sie Recht, teils verharrt sie im Irrtum. Recht hat sie, wenn sie sagt, dass Kinder im Anfangsunterricht die schwierigen Regeln noch nicht wirklich verstehen könnten. Unrecht hat sie, wenn sie deshalb gewisse Fehler unkorrigiert stehen lassen will: Z.B. *Hamer statt Hammer, *schtehen statt stehen, weil die entsprechenden Begründungen noch zu hoch seien. 


Der Irrtum liegt darin, dass sie meint, man müsse Regeln durchschauen und beherrschen, um richtig schreiben zu können. Tatsache ist, dass viele Leute, die problemlos korrekt schreiben, die Rechtschreiberegeln nicht oder nur sehr oberflächlich kennen, bzw. sich ihre eigenen Eselsbrücken zurechtgelegt haben. 


Warum? Regeln sind theoretisches Wissen. Beim Schreiben denkt der Mensch jedoch an die Inhalte, die er formuliert. Der Schreibvorgang erfolgt automatisiert, er wird durch prozedurale Vorgänge gesteuert, die unbewusst ablaufen. Auf Regeln greift man allenfalls zurück, wenn der eigene Schreibautomat bei fehlenden Voreinstellungen ins Stocken gerät. Wobei selbst dann viele Leute eher in ihrem visuellen Gedächtnis herumkramen als Regeln zu bemühen. 


Kinder lernen Rechtschreibung durch visuelle Vorbilder, durch die Motorik des Nachschreibens, durch Speicherung im Gedächtnis und durch analogisches Schliessen. Analogisches Schliessen funktioniert dann, wenn die lautliche Entsprechung im Schriftbild selbsterklärend ist: Wer «immer» kennt und richtig schreibt, wird wohl automatisch auch «Zimmer» (und nicht *Zimer) schreiben, ohne dass er die theoretische Regel der Konsonantenverdoppelung nach kurzer Silbe samt Ausnahmen herunterrattern kann.

Wenn *Hamer und *schtehen nicht sofort korrigiert werden, prägt sich logischerweise Falsches im Gedächtnis ein und führt später zu dauernder Unsicherheit. Verhängnisvoll ist, dass Fachhochschuldozierende in hartnäckiger Sturheit diese Realität nicht zur Kenntnis nehmen wollen, sondern eisern an ihren Theorien festhalten, bzw. ihre Irrtümer erst auf politischen Druck schrittweise zurücknehmen, um ja nicht das Gesicht zu verlieren.

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