Nach dem Schlamassel mit
der Rechtschreibedoktrin, der im Kanton Aargau zur Ächtung eines Lehrmittels
geführt hat, macht die Fachhochschule einen Teilrückzieher. Plötzlich heisstes, man stehe der Reichen-Methode kritisch gegenüber. So wie im jetzt
verabschiedeten Lehrmittel praktikziert, sei es nie gemeint gewesen.
Kommentar zu «Keine zu frühen Korrekturen», Felix Schmutz, 10.3.
Afra Sturms
Stellungnahme ist bezeichnend: Teils hat sie Recht, teils verharrt sie im
Irrtum. Recht hat sie, wenn sie sagt, dass Kinder im Anfangsunterricht die
schwierigen Regeln noch nicht wirklich verstehen könnten. Unrecht hat sie, wenn
sie deshalb gewisse Fehler unkorrigiert stehen lassen will: Z.B. *Hamer statt
Hammer, *schtehen statt stehen, weil die entsprechenden Begründungen noch zu
hoch seien.
Der Irrtum liegt darin,
dass sie meint, man müsse Regeln durchschauen und beherrschen, um richtig
schreiben zu können. Tatsache ist, dass viele Leute, die problemlos korrekt
schreiben, die Rechtschreiberegeln nicht oder nur sehr oberflächlich kennen,
bzw. sich ihre eigenen Eselsbrücken zurechtgelegt haben.
Warum? Regeln sind
theoretisches Wissen. Beim Schreiben denkt der Mensch jedoch an die Inhalte,
die er formuliert. Der Schreibvorgang erfolgt automatisiert, er wird durch
prozedurale Vorgänge gesteuert, die unbewusst ablaufen. Auf Regeln greift man allenfalls
zurück, wenn der eigene Schreibautomat bei fehlenden Voreinstellungen ins
Stocken gerät. Wobei selbst dann viele Leute eher in ihrem visuellen Gedächtnis
herumkramen als Regeln zu bemühen.
Kinder lernen
Rechtschreibung durch visuelle Vorbilder, durch die Motorik des Nachschreibens,
durch Speicherung im Gedächtnis und durch analogisches Schliessen. Analogisches
Schliessen funktioniert dann, wenn die lautliche Entsprechung im Schriftbild
selbsterklärend ist: Wer «immer» kennt und richtig schreibt, wird wohl
automatisch auch «Zimmer» (und nicht *Zimer) schreiben, ohne dass er die
theoretische Regel der Konsonantenverdoppelung nach kurzer Silbe samt Ausnahmen
herunterrattern kann.
Wenn *Hamer und
*schtehen nicht sofort korrigiert werden, prägt sich logischerweise Falsches im
Gedächtnis ein und führt später zu dauernder Unsicherheit. Verhängnisvoll ist,
dass Fachhochschuldozierende in hartnäckiger Sturheit diese Realität nicht zur
Kenntnis nehmen wollen, sondern eisern an ihren Theorien festhalten, bzw. ihre
Irrtümer erst auf politischen Druck schrittweise zurücknehmen, um ja nicht das
Gesicht zu verlieren.
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