25. Mai 2021

KV-Reform darf Übertritt an weiterführende Schulen nicht gefährden

Es ist essenziell, dass Ausbildungen mit der Zeit gehen und deshalb immer wieder überarbeitet werden. Die KV-Lehre ist einer der grössten Bereiche der Berufsbildung – und eine der wichtigsten Zubringerinnen der Fachhochschulen. Eine Reform ist nötig, darf den Übertritt an weiterführende Schulen jedoch nicht gefährden; das wäre eine enorme Qualitätseinbusse und würde der Berufsbildung schaden.

Die KV-Reform darf nicht zur Sackgasse werden, NZZ, 25.5. von Andri Silberschmidt

Zentrale Grundlagen fallen weg

Heute muss man effizient, agil und flexibel arbeiten können. Es ist deshalb wichtig, wo immer möglich den administrativen Aufwand zu verringern. Das sieht auch die derzeit vieldiskutierte KV-Reform vor. Sie will vor allem die Handlungskompetenzen stärken. Das ist für die Zukunft zentral, denn diese bleiben relevant. Das bestätigt die neue Kompetenz- und Lohnstudie von FH Schweiz, dem Dachverband der Fachhochschulabsolventen. Allerdings darf bei all den Bemühungen das schulische Niveau nicht vergessen werden.

Die Reform sieht vor, dass Fächer wie Wirtschaft und Gesellschaft wegfallen sollen. Fächer wie Finanz- und Rechnungswesen müssten nicht mehr zwingend belegt werden. Diese fachlichen Grundlagen sind jedoch unabdingbar, um die Wirtschaft und das Weltgeschehen zu verstehen. Sie bilden das Fundament für das lebenslange Lernen. Die Berufsmaturität, die Fachhochschulen, die höhere Berufsbildung, die Universitäten: Alle weiterführenden Aus- und Weiterbildungen bauen auf diesem Fundament auf. Fällt es weg, ist die schulische Weiterentwicklung nicht mehr sichergestellt, und die Durchlässigkeit ist in Gefahr. Um Wissen anwenden zu können, muss es zuerst erworben werden. Zudem brauchen Lernende Begleitung und gewisse Anweisungen.

Die Reform möchte, dass die Lernenden vor allem das lernen, was sie im Ausbildungsbetrieb benötigen. Das schränkt jedoch klar die Flexibilität ein, nach der Lehre einen Betriebs- oder Branchenwechsel zu vollziehen.

Sprachen sind Türöffner

Die Vorschläge, wie der Spracherwerb geregelt werden soll, gefährden ebenso den reibungslosen Übertritt an weiterführende Schulen. In der Anhörung zur KV-Reform wurden zwei Varianten bezüglich Fremdsprachenerwerb dargelegt. Der Originaltext sieht vor, dass nur eine Fremdsprache obligatorisch ist. Dies kann je nach Kanton eine Landessprache oder auch Englisch sein. Englisch könnte nur als Wahlpflichtfach gewählt werden. Englisch ist jedoch für Betriebe und den Übertritt in die Berufsmittelschule sowie für tertiäre Ausbildungen wichtig.

Unterdessen wurde das Problem erkannt. Eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat nun ein Konzept erarbeitet, welches vorsieht, dass zwei Fremdsprachen obligatorisch sind. Mindestens eine davon muss eine Landessprache sein. Die Anhörung für das neue Fremdsprachenkonzept läuft vom 4. Mai bis zum 4. Juni. Die vorgeschlagenen Verbesserungen sind begrüssenswert, denn mangelnde Sprachkenntnisse sind Stolpersteine auf dem Karriereweg unseres Nachwuchses.

Berufsmaturität muss integriert möglich sein

Nicht zuletzt ist noch nicht geklärt, wie die Berufsmaturität in die Lehre eingegliedert werden soll. Die Berufsmaturität während der Lehre muss weiterhin integriert machbar sein und den Anforderungen der Fachhochschulen entsprechen. Ohne sie würde die Berufsbildung massiv an Attraktivität einbüssen.

Eine Weiterentwicklung der KV-Lehre muss sein. Sie sollte jedoch den Jugendlichen attraktive Perspektiven bieten und das KV nicht in eine schulische Sackgasse umwandeln. Zum Glück gibt es Anhörungen, welche die Sicht der verschiedenen Stakeholder einbeziehen und die Verbesserung eines Grundkonzeptes zulassen.

Andri Silberschmidt ist Präsident von FH Schweiz, nationaler Dachverband der Fachhochschul-Absolventinnen und -Absolventen, und Zürcher FDP-Nationalrat.

 

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