Die Freude war von kurzer Dauer: Die Situation am Pädagogik-Stellenmarkt hatte sich 2020 entspannt. Wohl wegen Unsicherheiten in der Corona-Krise blieben mehr Lehrer ihrer Stelle treu als sonst. Jetzt aber sind im Kanton Zürich fürs neue Schuljahr noch 550 Stellen unbesetzt – 80 mehr als im Frühling 2019. Im Kindergarten und in der Primarschule herrscht laut Bildungsdirektion eine angespannte Lage. Noch prekärer ist sie in der Heilpädagogik.
Zürcher Lehrer sollen mehr arbeiten, NZZaS, 23.5. von René Donzé
Das
hat mit dem Kinderboom zu tun. Seit 2012 ist die Schülerzahl um 20000 auf
150000 gestiegen. Es liegt aber auch daran, dass viele in diesem Beruf Teilzeit
arbeiten. Der Beschäftigungsgrad beträgt im Schnitt 69 Prozent. Erschwerend
kommt dazu, dass heute die Lehrpersonen nicht mehr für alle Fächer ausgebildet
seien, sagt Sarah Knüsel, Präsidentin des Zürcher Schulleiterverbandes. Man
müsse «jedes Jahr ein unglaubliches Puzzle zusammenbauen», sagt sie.
Nun
bittet der Kanton die Gemeinden, auf höhere Pensen hinzuwirken. Laut
Amtsleiterin Myriam Ziegler will man die Gemeinden als anstellende Behörden
sensibilisieren und ihnen «den Blick auf das gesamte Schulsystem öffnen». Ihre
Rechnung: Würde der Beschäftigungsgrad um durchschnittlich ein Prozent wachsen,
würden 250 Stellen gespart. «Das Volksschulamt empfiehlt deshalb, diese
Massnahmen zusammen mit den Lehrpersonen anzugehen und mittel- und
längerfristig zu planen und umzusetzen», schreibt das Amt.
Christian
Hugi, der Präsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands, spricht von
«Pflästerlipolitik». Das Problem sei die Überzeit: «Viele Lehrpersonen
reduzieren ihr Pensum, um sich vor Überlastung zu schützen.» Der Grund für
diese strukturell bedingte Mehrarbeit liege in den vielen Absprachen im Team
und den heterogenen Klassen, was mehr Zeitaufwand pro Kind bedeute. Dazu komme,
dass die Klassen im Kanton Zürich grösser seien als im Rest der Deutschschweiz.
Den Lehrern müsste mehr Zeit für solche Tätigkeiten zugesprochen werden,
fordert er. Demgegenüber sagt Volksschulamtschefin Ziegler, dass solche
Entlastungen die angespannte Personalsituation zusätzlich verschärfen würden.
Der
Mangel an Lehrkräften besteht in der ganzen Schweiz, weil die Kinderzahlen
steigen und die Lehrer der Babyboomer-Generation in Pension gehen. «Es muss
alles unternommen werden, um Attraktivität und Ansehen des Lehrerberufs zu
steigern», sagt Dagmar Rösler, Präsidentin des Schweizer
Lehrerinnen-und-Lehrer-Dachverbandes LCH. Gerade in der Corona-Krise habe sich
gezeigt, wie wichtig die Arbeit der Lehrpersonen sei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen