Der Bund habe keine Strategie, um steigende Corona-Infektionszahlen an Schulen im Winter zu verhindern. Das sagt eine prominente Genfer Virologin. Die Behörden müssten dringend proaktive Massnahmen ergreifen und verstehen, wie Kinder das Virus bekommen und übertragen.
Virologin warnt vor steigenden Infektionszahlen an Schulen im Winter, Blick, 26.8.
Schulen sind in der Schweiz seit diesem Monat wieder geöffnet. Kantone
haben verschiedene Corona-Massnahmen ergriffen. Unabhängig von den geltenden
Regeln: Schulen und Lehrinstitute in der Schweiz seien nicht auf die kommenden
Wintermonate vorbereitet. Das sagt die Virologin Isabella Eckerle, Professorin
am Genfer Zentrum für neu auftretende
Viruserkrankungen.
Viren sind das Leben der Epidemiologin. Zu ihren Interessen zählt
Eckerle neu auftretende Viren, Tropenmedizin, Fledermäuse und Vögel – die
Lebewesen, von denen Coronaviren auf Menschen überspringen. Jetzt warnt Eckerle
davor, dass die Schweiz gerade bezüglich des Schutzes von Kindern in Schulen
nicht weitsichtig plane. Im Januar informierte die Wissenschaftlerin noch an
der Seite von Mister Corona Daniel Koch, dem damaligen Leiter der Abteilung
Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Jetzt übt sie
Kritik an den zuständigen Bundesbehörden.
«Schweiz
ist nicht gut vorbereitet»
«Die Schweiz ist nicht gut vorbereitet», schreibt Eckerle auf Twitter.
«Präventionsmassnahmen variieren von Kanton zu Kanton und Schule.» Es gebe
keine nationale Strategie oder Anleitungen. «Schlimmer noch», so Eckerle: Tests
bei Kindern jünger als zwölf seien «inkonsistent».
Die Wissenschaftlerin ist erstaunt über die Untätigkeit des Bundes.
Warum würden die Behörden zu diesem so wichtigen Thema schweigen, fragt sie:
«Ich bin auch sehr überrascht, dass die schweizerische Covid-Taskforce zu
diesem wichtigen Thema so schweigsam ist – wo ist die Expertengruppe zu
Covid-19, Kindern und Schulen?»
Verstehen, wie Kinder das Virus bekommen und verbreiten
Die prominente Virologin hat keine Zweifel: «Es wird in diesem Winter
zweifellos positive Fälle in Schulen geben.» Das Risiko von Übertragungen sei
zu verringern und Schulschliessungen seien zu verhindern, wenn sich die Schweiz
«proaktiver» vorbereite.
Damit Schulen sicher offen bleiben können, schlägt sie ein
Massnahmenpaket vor: angemessene Belüftung der Klassenzimmer und kleinere
Klassen, Masken, eine Mischung aus digitalem und persönlichem Unterricht sowie
feste epidemiologische Gruppen, die sich nicht vermischen. Kinder und Lehrer
sollen zudem schnellen und einfachen Zugang zu Tests haben.
Die Schweiz brauche eine «nationale Strategie, die auf
wissenschaftlichen Daten basiert und von wissenschaftlichen Studien begleitet
wird», fordert Eckerle. Kinder seien in aktuellen Studien «unterrepräsentiert»,
weil sie vorwiegend milde Erkrankungssymptome aufwiesen. «Das wahre Ausmass der
Anfälligkeit und Übertragung im Vergleich zu Erwachsenen ist noch unklar», sagt
Eckerle. «Aber Kinder können das Virus bekommen und übertragen.» (kes)
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