8. Januar 2016

Umgang mit Strafarbeiten

Einst waren Strafaufgaben an der Schule eine Selbstverständlichkeit. Fricktaler Schulleiter und Lehrer erklären, wie sie heute zum Strafen stehen - und was sich zu früher verändert hat. 









Umstritten ist, in welcher Form und Menge Strafarbeiten eingesetzt werden sollen, Bild: imago stock&people
Sind Strafaufgaben für Schüler heute noch sinnvoll? Aargauerzeitung, 8.1. von Susanne Hörth


«Strafaufgaben, was ist das?», stellt Judith Zürcher die Gegenfrage und schmunzelt. Die Schulleiterin der Laufenburger Primarschule wird aber gleich wieder ernst und betont, dass in ihrem Lehrerkollegium der Begriff als solches keine Bedeutung mehr hat. «Fehlverhalten hat aber gleichwohl Konsequenzen. Unmittelbar nach einem Vorfall», so die Schulleiterin. So wird ein Kind, das etwa in der Morgenrunde stört, an seinen Platz zurückgeschickt oder die Lehrperson klärt im direkten Gespräch, was falsch lief, was besser gemacht werden kann.
«Wir erarbeiten und vereinbaren mit den Kindern Regeln im Verhalten untereinander und im Umgang mit den gestellten Aufgaben.» Das Lehrerkollegium setze auf Fördermassnahmen statt Strafen. Letztere hätten keine Wirkung und würden nur eine Front zwischen Schüler und Lehrer aufbauen. «Nur wenn die Beziehung zwischen Kindern und Lehrer gut ist, stimmt auch das Lernklima», so Judith Zürcher.

Ausdruck der Hilflosigkeit

Wie in Laufenburg setzt man auch in Münchwilen auf die direkte Konfrontation und das Gespräch nach einem Vorfall. «Strafaufgaben sind nur dann sinnvoll, wenn sie direkt mit dem Vergehen zu tun haben und sofort erfolgen, dann werden sie auch von den Eltern akzeptiert», sagt Barbara Stäubli, Klassenlehrperson der 5./6. Klasse. «Die Strafen müssen jedenfalls verhältnismässig sein. Oft habe ich das Gefühl, Strafen werden aus Rachegefühlen ausgesprochen oder aus Hilflosigkeit.»
Auch an der Fricker Primarschule hat sich der Umgang mit Strafaufgaben im Vergleich zu früher massgeblich verändert. «Strafaufgaben wie beispielsweise seitenlanges Abschreiben oder einen Hilfseinsatz beim Abwart gibt es bei uns nicht mehr», sagt Peter Boss, Schulleiter der Primarschule. Ausnahme sei, wenn ein Schüler bewusst etwas verwüstet hat. «Dann muss er den angerichteten Schaden halt auch wieder beseitigen.» Ganz verzichtet wird in Frick auf «Strafen» nicht. «Bei nicht erledigten Hausaufgaben heisst es für den betreffenden Schüler dann schon einmal: Nacharbeiten», so Peter Boss.
Massnahmen wie etwa ein seitenlanges Abschreiben, hält er für pädagogisch sinnlos. Wenn heute ein Lernender seine nicht gemachten Hausaufgaben nacharbeiten muss, gehe es darum, zur richtigen Arbeitshaltung erziehen zu können.
Einer, der findet, es braucht auch heute noch ein gesundes Mass an Strafaufgaben, ist der Laufenburger Dieter Deiss. Der pensionierte Primarschullehrer hat bis 1977 im heutigen Laufenburger Ortsteil Sulz unterrichtet. «Strafaufgaben waren damals bei uns Lehrern noch gross in Mode.» Eine Seite abschreiben oder zusätzliche Rechnungsaufgaben seien als Strafe nichts Aussergewöhnliches gewesen. Im Extremfall wurden die Kinder auch vor die Türe geschickt oder zu einem Arbeitseinsatz beim Abwart «verknurrt».

Autoritätsgläubigkeit

Wie haben die Eltern auf diese Massnahmen reagiert? «Ich habe null Reaktionen erhalten», so der ehemalige Primarschullehrer und hält dazu aber auch fest: «Die Autoritätsgläubigkeit war damals sehr hoch. Da haben sich viele gar nicht getraut, gegenüber dem Lehrer etwas zu beanstanden.» Er ist überzeugt, dass die verhängten Strafen den Kindern nicht geschadet haben. «Es war auch immer ein gutes, erzieherisches Mittel.» Dass es heute aber auch anders gut funktionieren kann, weiss er und macht es am Beispiel seiner Enkelin deutlich. In deren zweiten Klasse verteilt die Lehrerin Punkte. Bei Fehlverhalten wird ein Punkt abgezogen. Wer alle Punkte behält, erhält als Belohnung ein Präsent.
Belohnen statt bestrafen: Darauf setzt auch Frick. «Im Verhaltensbereich arbeiten die Lehrpersonen vorwiegend mit Bonussystemen», sagt Peter Boss. Da werden für positives Verhalten, beispielsweise konzentriertes Arbeiten oder Einhalten der Klassenregeln, Steine oder grüne Karten gesammelt. Wenn eine bestimmte Anzahl erreicht wird, darf sich die Klasse eine freie Turnlektion oder ein gemeinsames Frühstück wünschen. «Das belohnt erwünschtes Verhalten und stärkt mit einem gemeinsamen Ziel den Zusammenhalt in der Klasse», so der Fricker Schulleiter.


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