Einst waren Strafaufgaben an der Schule eine
Selbstverständlichkeit. Fricktaler Schulleiter und Lehrer erklären, wie sie heute
zum Strafen stehen - und was sich zu früher verändert hat.
Umstritten ist, in welcher Form und Menge Strafarbeiten eingesetzt werden sollen, Bild: imago stock&people
Sind Strafaufgaben für Schüler heute noch sinnvoll? Aargauerzeitung, 8.1. von Susanne Hörth
«Strafaufgaben, was ist das?», stellt Judith Zürcher die Gegenfrage
und schmunzelt. Die Schulleiterin der Laufenburger Primarschule wird aber
gleich wieder ernst und betont, dass in ihrem Lehrerkollegium der Begriff als
solches keine Bedeutung mehr hat. «Fehlverhalten hat aber gleichwohl
Konsequenzen. Unmittelbar nach einem Vorfall», so die Schulleiterin. So wird
ein Kind, das etwa in der Morgenrunde stört, an seinen Platz zurückgeschickt
oder die Lehrperson klärt im direkten Gespräch, was falsch lief, was besser
gemacht werden kann.
«Wir erarbeiten und vereinbaren mit den Kindern Regeln im
Verhalten untereinander und im Umgang mit den gestellten Aufgaben.» Das
Lehrerkollegium setze auf Fördermassnahmen statt Strafen. Letztere hätten keine
Wirkung und würden nur eine Front zwischen Schüler und Lehrer aufbauen. «Nur wenn
die Beziehung zwischen Kindern und Lehrer gut ist, stimmt auch das Lernklima»,
so Judith Zürcher.
Ausdruck
der Hilflosigkeit
Wie in Laufenburg setzt man auch in Münchwilen auf die direkte
Konfrontation und das Gespräch nach einem Vorfall. «Strafaufgaben sind nur dann
sinnvoll, wenn sie direkt mit dem Vergehen zu tun haben und sofort erfolgen,
dann werden sie auch von den Eltern akzeptiert», sagt Barbara Stäubli,
Klassenlehrperson der 5./6. Klasse. «Die Strafen müssen jedenfalls
verhältnismässig sein. Oft habe ich das Gefühl, Strafen werden aus
Rachegefühlen ausgesprochen oder aus Hilflosigkeit.»
Auch an der Fricker Primarschule hat sich der Umgang mit
Strafaufgaben im Vergleich zu früher massgeblich verändert. «Strafaufgaben wie
beispielsweise seitenlanges Abschreiben oder einen Hilfseinsatz beim Abwart
gibt es bei uns nicht mehr», sagt Peter Boss, Schulleiter der Primarschule.
Ausnahme sei, wenn ein Schüler bewusst etwas verwüstet hat. «Dann muss er den
angerichteten Schaden halt auch wieder beseitigen.» Ganz verzichtet wird in
Frick auf «Strafen» nicht. «Bei nicht erledigten Hausaufgaben heisst es für den
betreffenden Schüler dann schon einmal: Nacharbeiten», so Peter Boss.
Massnahmen wie etwa ein seitenlanges Abschreiben, hält er für
pädagogisch sinnlos. Wenn heute ein Lernender seine nicht gemachten
Hausaufgaben nacharbeiten muss, gehe es darum, zur richtigen Arbeitshaltung
erziehen zu können.
Einer, der findet, es braucht auch heute noch ein gesundes Mass an
Strafaufgaben, ist der Laufenburger Dieter Deiss. Der pensionierte
Primarschullehrer hat bis 1977 im heutigen Laufenburger Ortsteil Sulz
unterrichtet. «Strafaufgaben waren damals bei uns Lehrern noch gross in Mode.»
Eine Seite abschreiben oder zusätzliche Rechnungsaufgaben seien als Strafe
nichts Aussergewöhnliches gewesen. Im Extremfall wurden die Kinder auch vor die
Türe geschickt oder zu einem Arbeitseinsatz beim Abwart «verknurrt».
Autoritätsgläubigkeit
Wie haben die Eltern auf diese Massnahmen reagiert? «Ich habe null
Reaktionen erhalten», so der ehemalige Primarschullehrer und hält dazu aber
auch fest: «Die Autoritätsgläubigkeit war damals sehr hoch. Da haben sich viele
gar nicht getraut, gegenüber dem Lehrer etwas zu beanstanden.» Er ist
überzeugt, dass die verhängten Strafen den Kindern nicht geschadet haben. «Es
war auch immer ein gutes, erzieherisches Mittel.» Dass es heute aber auch
anders gut funktionieren kann, weiss er und macht es am Beispiel seiner Enkelin
deutlich. In deren zweiten Klasse verteilt die Lehrerin Punkte. Bei
Fehlverhalten wird ein Punkt abgezogen. Wer alle Punkte behält, erhält als
Belohnung ein Präsent.
Belohnen statt bestrafen: Darauf setzt auch Frick. «Im
Verhaltensbereich arbeiten die Lehrpersonen vorwiegend mit Bonussystemen», sagt
Peter Boss. Da werden für positives Verhalten, beispielsweise konzentriertes
Arbeiten oder Einhalten der Klassenregeln, Steine oder grüne Karten gesammelt.
Wenn eine bestimmte Anzahl erreicht wird, darf sich die Klasse eine freie
Turnlektion oder ein gemeinsames Frühstück wünschen. «Das belohnt erwünschtes
Verhalten und stärkt mit einem gemeinsamen Ziel den Zusammenhalt in der
Klasse», so der Fricker Schulleiter.
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