Der Basler Lehrstellenbericht lässt die kantonalen
Bildungspolitiker Jahr für Jahr ratloser zurück. Heuer gingen sie bei der
Grossratsdebatte mit dem hiesigen Bildungssystem härter ins Gericht als je
zuvor. Joël Thüring (SVP) kam zum Schluss, dass das städtische Schulsystem
«miserabel» sei, was sich in den Zahlen derjenigen niederschlage, die direkt
nach der Schule eine Lehre anfangen. Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP)
war bei der letzten Sitzung vor den Sommerferien abwesend und kam so drum
herum, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Im Lehrstellenbericht musste er jedoch
einräumen, dass die neu konzipierte berufliche Orientierung, welche 2018
eingeführt worden war, nicht den erhofften Erfolg nach sich gezogen habe. «Die
Quote der Direktübertritte von der Volksschule in die Berufsschule ist mit 17
Prozent immer noch deutlich zu tief», heisst es.
Sind Jugendliche aus Basel zu faul? Lehrbetriebe stellen jedenfalls lieber Lernende aus dem Baselbiet ein, BZ Basel, 4.7. von Leif Simonsen
Mehr Baselbieter als Basler Lehrlinge angestellt
SVP-Grossrat Lorenz Amiet, selbst KMUler und CEO
einer Umzugsbude, nahm kein Blatt vor den Mund und befeuerte die
feind-freundschaftliche Nachbarschaft zwischen Baselland und Basel-Stadt: «Die
Basler Lehrbetriebe nehmen erfahrungsgemäss lieber Baselbieter oder Aargauer
Stifte. Die Basler sind weniger leistungsbereit, unpünktlicher und oft
unmotivierter als die anderen.» Amiets Aussagen werden im Lehrstellenbericht
belegt. Die städtischen Lehrbetriebe schlossen im vergangenen Jahr mehr
Lehrverträge für das sogenannte Eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ mit
Baselbieter Auszubildenden ab als mit baselstädtischen. Von den insgesamt 1723
Lehrverträgen wurden deren 656 von Baslern unterzeichnet, 658 von Baselbietern.
Zehn Prozent der neu angestellten Lehrlinge kamen aus dem Aargau, sieben
Prozent aus dem Kanton Solothurn. Im weniger fordernden Eidgenössischen
Berufsattest (EBA) für die Leistungsschwächeren kamen über 50 Prozent der neuen
Stifte aus Basel-Stadt. «Nur» 35 Prozent der EBA-Lehrlinge stammen aus dem
Baselbiet.
Dass sich weniger als jeder fünfte Basler Schüler
nach der Sek für eine Lehre entscheidet, habe mehrere Gründe, schreibt der
Regierungsrat. Unter anderem habe dies mit der «demografischen Zusammensetzung»
der Bevölkerung sowie mit dem «Drang, in weiterführende Schulen zu gehen», zu
tun. Vom immer wieder ins Feld geführten Nachteil des Basler Schulsystems,
wonach es zu viele Ausländer habe, hält Amiet wenig. «Lehrlinge, die als
Autolackierer tätig sind, müssen nicht fliessend Deutsch sprechen und die
Kommaregeln beherrschen», sagt er. Es sei vielmehr eine Einstellungsfrage. «Es
gibt diejenigen, die sich freuen, wenn es bei der Arbeit viel zu tun gibt.
Andere hingegen schmeissen dann den Bettel.» Die Lehrlinge aus dem
Nachbarkanton würden in der Regel zu Ersteren gehören.
Zehn Prozent weniger Lehrstellen besetzt
Beim Basler Gewerbeverband hört man nicht zum
ersten Mal von diesen Vorwürfen. Reto Baumgartner, Leiter Berufsbildung, sagt,
er halte die Übertrittsquote von der Volksschule in die Lehre für «sehr
schlecht». Er will nicht die Leistungsbereitschaft der Basler pauschal infrage
stellen, doch meint er: «In Basel-Stadt fällt auf, dass die Jungen sich in
erster Linie nach einer anderen Lösung als nach einer Berufslehre umsehen.»
Dieses Problem müsse gelöst werden. «Denkbar wäre, dass man für die
Weiterführenden Schulen die Übertrittsbedingungen erhöht», sagt Baumgartner.
Die Auswirkungen von Corona auf die
Lehrstellensituation sind nicht von der Hand zu weisen. In Basel-Stadt werden
in diesem Sommer zehn Prozent weniger Lehrstellen als 2019 besetzt – dies,
obwohl die Zahl der Ausbildungsplätze etwa gleich geblieben ist. Als
krisenanfällig haben sich besonders die Gastro und der Detailhandel erwiesen,
wo besonders viele Lehrstellen nicht besetzt werden konnten.
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