5. Juli 2020

Bloss 17 Prozent der Basler beginnen nach der Volksschule eine Lehre

Der Basler Lehrstellenbericht lässt die kantonalen Bildungspolitiker Jahr für Jahr ratloser zurück. Heuer gingen sie bei der Grossratsdebatte mit dem hiesigen Bildungssystem härter ins Gericht als je zuvor. Joël Thüring (SVP) kam zum Schluss, dass das städtische Schulsystem «miserabel» sei, was sich in den Zahlen derjenigen niederschlage, die direkt nach der Schule eine Lehre anfangen. Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP) war bei der letzten Sitzung vor den Sommerferien abwesend und kam so drum herum, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Im Lehrstellenbericht musste er jedoch einräumen, dass die neu konzipierte berufliche Orientierung, welche 2018 eingeführt worden war, nicht den erhofften Erfolg nach sich gezogen habe. «Die Quote der Direktübertritte von der Volksschule in die Berufsschule ist mit 17 Prozent immer noch deutlich zu tief», heisst es.

Sind Jugendliche aus Basel zu faul? Lehrbetriebe stellen jedenfalls lieber Lernende aus dem Baselbiet ein, BZ Basel, 4.7. von Leif Simonsen

Mehr Baselbieter als Basler Lehrlinge angestellt

SVP-Grossrat Lorenz Amiet, selbst KMUler und CEO einer Umzugsbude, nahm kein Blatt vor den Mund und befeuerte die feind-freundschaftliche Nachbarschaft zwischen Baselland und Basel-Stadt: «Die Basler Lehrbetriebe nehmen erfahrungsgemäss lieber Baselbieter oder Aargauer Stifte. Die Basler sind weniger leistungsbereit, unpünktlicher und oft unmotivierter als die anderen.» Amiets Aussagen werden im Lehrstellenbericht belegt. Die städtischen Lehrbetriebe schlossen im vergangenen Jahr mehr Lehrverträge für das sogenannte Eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ mit Baselbieter Auszubildenden ab als mit baselstädtischen. Von den insgesamt 1723 Lehrverträgen wurden deren 656 von Baslern unterzeichnet, 658 von Baselbietern. Zehn Prozent der neu angestellten Lehrlinge kamen aus dem Aargau, sieben Prozent aus dem Kanton Solothurn. Im weniger fordernden Eidgenössischen Berufsattest (EBA) für die Leistungsschwächeren kamen über 50 Prozent der neuen Stifte aus Basel-Stadt. «Nur» 35 Prozent der EBA-Lehrlinge stammen aus dem Baselbiet.

Dass sich weniger als jeder fünfte Basler Schüler nach der Sek für eine Lehre entscheidet, habe mehrere Gründe, schreibt der Regierungsrat. Unter anderem habe dies mit der «demografischen Zusammensetzung» der Bevölkerung sowie mit dem «Drang, in weiterführende Schulen zu gehen», zu tun. Vom immer wieder ins Feld geführten Nachteil des Basler Schulsystems, wonach es zu viele Ausländer habe, hält Amiet wenig. «Lehrlinge, die als Autolackierer tätig sind, müssen nicht fliessend Deutsch sprechen und die Kommaregeln beherrschen», sagt er. Es sei vielmehr eine Einstellungsfrage. «Es gibt diejenigen, die sich freuen, wenn es bei der Arbeit viel zu tun gibt. Andere hingegen schmeissen dann den Bettel.» Die Lehrlinge aus dem Nachbarkanton würden in der Regel zu Ersteren gehören.

Zehn Prozent weniger Lehrstellen besetzt

Beim Basler Gewerbeverband hört man nicht zum ersten Mal von diesen Vorwürfen. Reto Baumgartner, Leiter Berufsbildung, sagt, er halte die Übertrittsquote von der Volksschule in die Lehre für «sehr schlecht». Er will nicht die Leistungsbereitschaft der Basler pauschal infrage stellen, doch meint er: «In Basel-Stadt fällt auf, dass die Jungen sich in erster Linie nach einer anderen Lösung als nach einer Berufslehre umsehen.» Dieses Problem müsse gelöst werden. «Denkbar wäre, dass man für die Weiterführenden Schulen die Übertrittsbedingungen erhöht», sagt Baumgartner.

Die Auswirkungen von Corona auf die Lehrstellensituation sind nicht von der Hand zu weisen. In Basel-Stadt werden in diesem Sommer zehn Prozent weniger Lehrstellen als 2019 besetzt – dies, obwohl die Zahl der Ausbildungsplätze etwa gleich geblieben ist. Als krisenanfällig haben sich besonders die Gastro und der Detailhandel erwiesen, wo besonders viele Lehrstellen nicht besetzt werden konnten.

 


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