Nie verkaufen sich Schulreformen so einfach wie in
zumindest scheinbar schwierigen Zeiten. Orientierungslose
Bildungswissenschaftler glauben dann noch mehr an revolutionäre
Heilsbotschaften. So geschehen beim inszenierten PISA-Schock. Jenes
herbeigeredete Bildungsdesaster warf hohe Wellen, suggerierte Bedürfnisse nach
Neuem und warf Bewährtes mir nichts, dir nichts über Bord. So wurde 2004 in
sechs Kantonen unter dem Deckmantel von Harmos beschlossen, den
Fremdsprachenunterricht an der Volksschule „von Grund auf zu erneuern“.
Doch die Digitalisierung des Unterrichts wurde von
langer Hand am Schreibtisch vorbereitet, ohne Einbezug der Bedürfnisse von
Lernenden und Lehrpersonen. Wie nach dem PISA-Schock wird erneut top-down
definiert, wie die Schule von morgen auszusehen habe. Die digitale Maschinerie
birgt neben unbestrittenen Vorteilen auch viele Risiken und Nachteile, die
natürlich nicht zur Debatte stehen sollen. Schliesslich ist man euphorisiert im
digitalen Flow der vermeintlichen technischen Möglichkeiten. Doch wie soll die
Zukunft der Schule aussehen? Darauf weiss einzig und allein die IT-Branche die
Antwort, zwar nicht die beste für die Schule, aber die beste für die Branche.
Man erinnere sich an Passepartout: Kritiker wurden
von Beginn an belächelt und als rückständig hingestellt. Studien, die dem
Konzept ein schlechtes Zeugnis ausstellten, wurden systematisch ignoriert.
Millionen versandeten in überteuerten Weiterbildungen, nach dem Motto: Was viel
kostet, muss erstens gut sein und darf zweitens nicht scheitern. Schliesslich
will niemand für verpulverte Steuergelder geradestehen. Dass die meisten
Lehrpersonen Passepartout skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, wurde mit
dem Argument beiseite gewischt, dass die Staatsdiener Geduld
bräuchten, sie würden sich schon noch mit dem Konzept anfreunden. Wer das nicht
konnte, dem wurde stinkfrech die Lehrbefähigung abgesprochen.
Passepartout, die Sternstunde des modernen
Fremdsprachenunterrichts, war eine «heilige Kuh», und entzog sich folglich jeglicher
Kritik. Es dauerte rund acht Jahre, bis der ideologische Irrsinn gestoppt
werden konnte. Die Umfragewerte unter den Lehrpersonen waren unterirdisch, die
Leistungen der Lernenden ebenso. Zuletzt sprach sich das Baselbieter Stimmvolk
im November 2019 mittels einer geleiteten Lehrmittelfreiheit überdeutlich für
den Übungsabbruch aus. Wie lange wird es dauern, bis die ernüchternde
Erkenntnis einkehrt, dass sich mit der Heilsbotschaft «Digitalisierung»
dieselben Fehler wie bei Passepartout wiederholen? Hurraschreiend werden
Millionen für Hard- und Software ausgegeben, um den zwischenmenschlichen
Austausch im Schulzimmer mit dem Bildschirm zu ersetzen. Dem neoliberalen
Diktat folgend könnten mit einer Institutionalisierung der virtuellen Welt
Personalkosten eingespart werden.
Die Digitalisierung durch Computerfreaks ist der
Schule nicht förderlich, da sie den intensiven persönlichen, unmittelbaren
Austausch im Schulzimmer deutlich einschränkt. Gerade zurzeit zeigt sich dies
aufgrund der Corona-Krise und Homeoffice erzwungenermassen in ausgeprägter
Form: Die Jugendlichen sitzen stundenlang alleine vor ihren Bildschirmen und
wünschen sich den direkten Kontakt zu ihren Mitschüler/-innen und Lehrpersonen
zurück.
Wird der Unterricht auch nach der Corona-Krise verstärkt
digitalisiert durchgeführt, hätten nicht nur leistungsschwächere Schüler/-innen
einen Nachteil. Eltern müssten einspringen, was weder pädagogisch sinnvoll noch
ihre Aufgabe wäre. Lernen würde zunehmend zu einer Selbstisolation vor dem
Bildschirm enden. Die Umschreibung des Menschen als Homo oeconomicus wird
dessen Natur genauso wenig gerecht wie die des Homo digitalis. Der Mensch ist
in erster Linie ein soziales Wesen und Unterrichten ist ganz wesentlich auch
Beziehungsarbeit.
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