Von der
Begabungsförderung profitieren in Basel-Stadt alle Kinder.So zumindest lautet die
Theorie,denn gemäss dem Basler Erziehungsdepartement beginne diese schon im täglichen
Unterricht.Schliesslich verfüge
jedes Kind über Stärken. Für besondereTalente aber halten die Volksschulen zusätzliche Angebote
bereit. Auf Primarstufe heisst das Projekt «Pull-Out»:
Hochbegabte Kinder besuchen seit 2015 während der
Unterrichtszeit ein externes Angebot, das ihre gesteigerten Lernbedürfnisse
abdeckt. Nun zeigt sich: Jungs sind bei der Begabtenförderung in diesem frühen
Alter inzwischen klar im Vorteil. War das Geschlechterverhältnis
im Startjahr noch ausgeglichen, kamen im laufenden Schuljahr
doppelt so vieleSchüler in den Genuss von zusätzlicher Förderung als Schülerinnen. Nur
gerade 24 Mädchen durften den gesonderten Unterricht
besuchen, 73 Kinder waren es insgesamt. Die Zahlen aus dem Vorjahr präsentieren sich
ähnlich. Dies geht aus der Antwort der Regierung auf eine schriftliche
Anfrage von SP-Grossrat Kaspar Sutter hervor.
Die Buben ins Töpfchen..., BZ Basel, 11.4. von Benjamin Rosch und Leif Simonsen
Sutter sieht seine
Befürchtung bestätigt. DerSP-Grossrat hat aus seinem Umfeld
mehrfach zu Ohren gekriegt, dass in den Pull-Out-Angeboten hauptsächlich Jungs sitzen.
«Ich bin enttäuscht. Von der Schule erwarte ich eine Förderung unabhängig von
Geschlecht oder Quartier», sagt er.Irritiert zeigt sich Sutter darüber, dass das
Erziehungsdepartement die Zahlen nüchtern präsentiere,
jedoch «keine Selbstkritik oder Zielsetzung,etwas zu ändern»,
an denTag lege.Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach, Lehrbeauftragte der
Uni Basel, setzt an diesem Punkt an. Der Befund sei gerade deshalb interessant, weil die Debatte oft
anders verlaufe, und oft behauptet würde, Jungs kämen systematisch zu kurz und
der Fokus liege auf Mädchen:«Diese
Zahlen relativieren das doch sehr.»Offensichtlich gäbe es an Basler Schulen «zu wenig
Know-how» und es werde zu wenig geschlechtersensibel gearbeitet,
setzt Schutzbach zur Kritik an.Für eine Einordnung der Basler Zahlen brauche es
eine spezifische Untersuchung. Aus bereits erfolgten Studien lassen sich dennoch
Erkenntnisse ableiten:«Begabung äussert sich verschieden,und es ist
erforscht,dass sie bei den Mädchen eher weniger wahrgenommen wird als bei Jungs», sagt
Schutzbach. Jungs werde oft mehr
zugetraut. Gleichzeitig würden unterforderte Mädchen weniger den Unterricht
stören und so gar ihre höhere Denkfähigkeit eher verbergen, um nicht aufzufallen.
Das geht so weit, dass manche Mädchen selbst vorgeschlagene Förderung ablehnen.
«Hier geht die Forschung von einem fragileren Selbstkonzept bei Mädchen aus,
das heisst, Mädchen trauen sich grundsätzlich schulisch eher weniger zu als Jungs»,
sagt Schutzbach.
An der Sekundarschuleist es umgekehrt
Genau umgekehrt verhält
sich die Sache an der nächsten Stufe, der Sekundarschule. Hier
nutzen mehr Mädchen die Möglichkeit von Förderangeboten am
Gymnasium, allerdings sind die Zahlen deutlich tiefer und damit wohl weniger
aussagekräftig. «Eine wissenschaftliche Erklärung für diesen Unterschied ist dem
Regierungsrat nicht bekannt», heisst es in der Antwort der Regierung. Auf Anfrage der
«Schweiz am Wochenende»bekräftigt Volksschulleiter Dieter Baur aber, man werde
sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen «und eine Ursachenforschung betreiben».
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen