Am 11.
Mai öffnen die Volksschulen wieder. Das hat der Bundesrat entschieden. Die
Kantone haben in der Gestaltung des Schulunterrichts volle Freiheit, sollen
sich aber an die Schutzmassnahmen des Bundesamts für Gesundheit halten. Das BAG
hat nun zuhanden der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren
(EDK) ein Schutzkonzept für den Präsenzunterricht ausgearbeitet und am Mittwoch
finalisiert. Seit Donnerstag liegt das knapp vier Seiten lange Papier bei den
Kantonen – und sorgt in einzelnen Punkten für Irritation.
Das
BAG will die Gestaltung des Schulunterrichts dem Alter der Kinder anpassen. Am
einfachsten ist die Situation in den Primarschulen. Für Kinder bis 10 Jahren
schlägt das BAG vor, dass die Erwachsenen untereinander stets einen Abstand von
zwei Metern einhalten. Auch zwischen Lehrern und Schülern soll es den
Sicherheitsabstand geben, nicht aber zwischen den Schülern. Den Grund für diese
Empfehlung hat Daniel Koch, BAG-Delegierter für das Covid-19, am Mittwoch an
der Medienkonferenz des Bundesrats skizziert. Gemäss Koch können Erwachsene das
Virus Kindern weitergeben, aber kleine Kinder übertragen es nicht auf
Erwachsene. Darum heisst es im BAG-Konzept: Kleine Kinder seien keine
«Vektoren», weil sie in 99 Prozent der Fälle asymptomatisch seien, also die
coronaüblichen Symptome gar nicht erst bekämen. Schutzmasken müssen Lehrer im
Schulzimmer im Übrigen nicht tragen.
Was
die Bildungsverantwortlichen in den Kantonen am BAG-Schutzkonzept irrtiert:
Beim Sicherheitsabstand für Schüler ab 10 Jahren verwendet das BAG die
Kann-Formulierung. Es soll den Kantonen überlassen sein, ob sie Schüler im
Sicherheitsabstand platzieren. Tun sie es, könnte dies auf das Modell des
Halbklassenunterrichts hinauslaufen. Die Kantone sind generell frei, über die
BAG-Empfehlungen hinaus Präventivmassnahmen zu treffen.
Die
EDK muss nun rasch Stellung beziehen. Gemäss Recherchen dieser Zeitung hat der
EDK-Vorstand den Entwurf des Schutzkonzepts zwar gutgeheissen, aber punktuell
Kritik geübt. Wegen der Freiwilligkeit beim Sicherheitsabstand für über
10-Jährige wird die EDK vom BAG am Montag Klarheit fordern. Bereits am Mittwoch
soll der Bundesrat das BAG-Schutzkonzept offiziell präsentieren.
Rückkehr
zum Ganzklassenunterricht
Roland
Inauen, regierender Landammann und Bildungsdirektor von Appenzell Innerrhoden,
sagt: «Seit Karfreitag ist in Innerrhoden lediglich ein neuer Corona-Fall
aufgetreten. Das bestärkt uns in unserem Wunsch, die Schulen raschestmöglich
wieder zu eröffnen.» Er verstehe das BAG-Konzept so, dass man die
Primarschulen, wie vor dem Lockdown, im Ganzklassenunterricht weiterführt,
«unter Beachtung der nötigen Schutzmassnahmen für besonders gefährdete Personen
und unter Einhaltung der Hygienevorschriften». Kritischer sei die Sache bei der
Oberstufe und beim Gymnasium, so Inauen.
Anders
ist die Stimmung in der Westschweiz, die das Coronavirus ungleich stärker traf.
Die Waadtländer Bildungsdirektorin Cesla Amarelle fordert, dass sich das BAG
präzise zum notwendigen Gesundheitsschutz im Schulbetrieb äussert. Zum Beispiel
sei unklar, wie, wie oft und mit welchen Substanzen man sich in den Schulen die
Hände waschen müsse. Ob man auch bei den Eltern der Kinder auf
Risikokrankheiten achten müsse, ist aus Amarelles Sicht ebenfalls nicht
geklärt. Unklar sei zudem, welche Regeln für schulische Tagesstrukturen gälten,
so Amarelle.
Sowohl
Amarelle in der Waadt als auch Inauen in Appenzell Innerrhoden befürchten, dass
einzelne Eltern sich weigern werden, ihre Kinder zurück in die Schule zu
schicken. Inauen sagt, beim Büssen sollte man sehr zurückhaltend sein. Amarelle
wünscht sich, dass der Bund in Abstimmung mit den Kantonen Verantwortung
übernimmt und einheitliche Regeln vorschlägt.
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