Nächste
Woche wird der Bund Vorgaben für die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts vom
11.Mai in der Volksschule machen. Mit welchen Massnahmen rechnen Sie?
Silvia
Steiner: Wir gehen davon aus, dass der Bund Eckwerte in drei Bereichen erlassen
wird: erstens zum Schutz der vulnerablen Personen, namentlich der Schüler,
ihrer Eltern und der Lehrpersonen. Zweitens erwarten wir Angaben zum Thema Prävention
und Aufklärung, drittens zur Umsetzung der Hygienemassnahmen.
"Wir dürfen die Lehrer nicht überlasten", Südostschweiz, 25.4. von Kari Kälin
Wird
es vor allen Schulzimmertüren Desinfektionsspender geben?
Die
Details sind noch nicht spruchreif, dazu kann ich mich nicht äussern. Der
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK)ist es wichtig, dass die
Kantone genügend Spielraum bei der Umsetzung der Schutzkonzepte haben, dass sie
den unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen Gemeinden und Schulen
Rechnung tragen können. Wir müssen zum Beispiel die Bedenken von Westschweizer
Kantonen ernst nehmen, sie haben grössere Infektionsraten und stehen der
Schulöffnung skeptischer gegenüber als die Deutschschweiz.
Ist
das Einhalten der Coronaregeln in einer Primarklasse mit 20 Schülern
realistisch?
Es ist
unrealistisch, dass sich die Schüler im Klassenzimmer und im Turnunterricht nie
näher als zwei Meter kommen. Es ist aber wichtig, dass sie im öffentlichen Raum
die Abstandsregeln respektieren und maximal in Fünfergruppen unterwegs sind. Ich
traue es den Lehrern zu, die Kinder für diese Anforderungen zu sensibilisieren.
Werden
die Kantone gefährdete Kinder oder Kinder von gefährdeten Eltern dispensieren?
Der Bund
wird zu diesem Thema keine detaillierten Weisungen erlassen, auch die EDK
verzichtet bewusst darauf. Die Kantone müssen den Einzelfall bewerten und
abwägen zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit von Schülern und
deren Angehörigen sowie dem verfassungsmässigen Recht auf Bildung. Das Gesetz
sieht Bussen vor für Eltern, die ihre Kinder von der Schule fernhalten.
Werden
die Kantone Sanktionen aussprechen, wenn Eltern ihre Kinder aus Angst vor einer
Ansteckung nicht in die Schule schicken?
Davon
sehen wir bewusst ab. Es ist wichtig, dass die Menschen in dieser schwierigen Phase
wieder Vertrauen in die Volksschule aufbauen. Mit Bussen werden wir die Ängste
nicht vertreiben. Vielmehr werden wir das Gespräch suchen müssen, gerade auch
mit Eltern, welche selber zur Risikogruppe gehören. Ich bin zuversichtlich,
dass wir im Dialog passende Lösungen für den Einzelfall finden werden.
Wie
viele Lehrpersonen gehören zur gefährdeten Gruppe?
Das
wissen wir nicht. Es würde aber nichts bringen, wenn jemand mit Angst vor einer
Klasse steht.
Können
die Schulen einen Ausfall der vulnerablen Lehrer verkraften?
Ich habe
grosses Vertrauen, dass auch Lehrpersonen mit gesundheitlichen Problemen ihrem
Beruf nachgehen, weil sie Freude daran haben. Es ist entscheidend, dass die
Schulen für sie ein Schutzkonzept umsetzen können. Da sind vor allem auch die
Schulleitungen gefordert.
Ist
eine Mischform von Präsenz- und Fernunterricht zum Schutz verletzlicher Lehrer
denkbar?
Der
Aufwand für diesen Tanz auf zwei Hochzeiten wäre sehr gross. Ich finde das
keine gute Idee. Wir dürfen die Lehrer jetzt nicht überlasten, sondern müssen sorgfältig
mit unseren Ressourcen umgehen. Entscheiden wird letztlich der Bund. Ich bin
zuversichtlich, dass er die pädagogischen Inputs der Kantone berücksichtigen
wird.
Sollen
einzelne Kantone ihre Schulen auch später als nach dem 11.Mai öffnen dürfen?
Aus Sicht
der EDK spricht nichts dagegen. Die Kantone sollen selber entscheiden, wann sie
den normalen Betrieb wieder hochfahren. Die EDK wird sich auf Eckwerte bei den
Schutzkonzepten einigen, aber keine didaktischen und operativen Vorgaben
definieren.
Die EDK
empfiehlt, keine mündliche Maturaprüfungen zu veranstalten. Weshalb hat sie
keinen generellen Verzicht beschlossen?
Wir
wollen den Kantonen Freiheiten lassen. Für viele bedeutet die Maturaprüfung
eine Art psychologischer Abschluss eines wichtigen Abschnitts einer
Bildungskarriere.
Einige
Kantone werden schriftliche Maturaprüfungen durchführen, andere wie Zürich oder
Bern wollen darauf verzichten. Kommt man in prüfungsfreien Kantonen im
Schlafwagen zur Matura?
Die
Gymnasiasten haben auf dem Weg zur Matura ein mehrjähriges, strenges
Promotionsverfahren durchlaufen. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn dieser
Leistungsausweis respektive die Erfahrungsnoten nicht genügten, um nachher an
einer Hochschule zu studieren. Die Universität Zürich hat mir übrigens
bestätigt, dass sie keine Zweifel an der Studierfähigkeit des diesjährigen
Maturajahrgangs hegt.
Stört
die föderale Vielfalt bei den schriftlichen Prüfungen nicht?
Nein. Ich
kann gut mit ein paar Farbtupfern leben. Ich gebe zu bedenken, dass sich nach
einem langen Intermezzo mit Fernunterricht einige Probleme stellen. Wie können
wir die Chancengerechtigkeit sicherstellen? Hatten alle die gleichen
Lernbedingungen? Können die Prüfungen auch bestanden werden, wenn die Schüler
während Wochen nur von der Ferne unterrichtet wurden? Die Prüfungen müssen auch
rekursfähig sein. Ergo müssten die Mittelschullehrerinnen und -lehrer neue
Prüfungen schreiben. Es geht auch darum, deren Ressourcen zu schonen.
Für
das Streichen der schriftlichen Prüfung müsste der Bundesrat die
Maturitätsverordnung mit Notrecht ändern. Was passiert, wenn der Bundesrat das
nicht tut?
Die
EDK-Plenarversammlung hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, den Entscheid
den Kantonen zu überlassen. Diverse Kantone, die 67 Prozent der Maturanden
stellen, haben sich bereits gegen schriftliche Prüfungen ausgesprochen, unter
anderem die ganze lateinische Schweiz. Wenn der Bund auf den schriftlichen
Prüfungen beharrt, beschert das einigen Kantonen grosse Probleme bei der
praktischen Umsetzung. Ob dem Bundesrat unser Antrag gefällt, weiss ich jedoch
nicht.
Zur
Person Silvia Steiner (CVP) ist seit 2015 Bildungsdirektorin des Kantons Zürich
und Präsidentin der Schweizerischen Konferenz der Konferenz der kantonalen
Erziehungsdirektoren.
Steiner: "Es ist unrealistisch, dass sich die Schüler im Klassenzimmer und im Turnunterricht nie näher als zwei Meter kommen. Es ist aber wichtig, dass sie im öffentlichen Raum die Abstandsregeln respektieren und maximal in Fünfergruppen unterwegs sind."
AntwortenLöschenDiese Aussage zeigt die Absurdität der momentanen Lage. Frau Steiner äussert hier Dinge, die ihr offenbar nicht als Widerspruch auffallen.
Bereits beim Zeugnis hat sie sich mit dem Kanton Zürich einen eigenen Weg offen gehalten. Nun sagt sie auch noch, jeder Kanton könne die Schulen nach Belieben wieder öffnen. Wozu brauchen wir eigentlich noch eine EDK?