12. März 2020

Wenn der Amtschef zum Chefideologen mutiert


In deutlichen Worten rechnen erfahrene Englisch­Experten der Sekundarschule mit dem Amt für Volksschule (AVS) und dem Bildungsrat ab – in einem Brief an einen breiten Empfängerkreis im Bildungswesen. Das AVS wolle einen praxisfernen und rückwärtsgewandten Lehrplan durchsetzen und missachte den Volkswillen, als die Baselbieter an der Urne «Ja zu Lehrplänen mit klar definierten Stoffinhalten und Themen» sagten. Dies kommt im fünfseitigen Schreiben der Englisch­Lehrplan Entwickler zum Ausdruck. 
Der Sololauf des Chef-Ideologen, Basler Zeitung, 11.3. von Daniel Wahl

Adressiert ist in erster Linie der AVS­-Chefbeamte Beat Lüthy, der die Lehrplan­-Entwicklung der Arbeitsgruppe immer wieder hintertrieben hat. Seine neusten Interventionen ignorierend, haben die Sekundarlehrer ihrem Schreiben beharrlich und pädagogisch begründet den eigenen bereits erstellten Stoff ­Lehrplan nochmals beigelegt. 

Korsett für Lehrplan 21 
Von vorne: Die Baselbieter haben im Frühsommer 2018 beschlossen, dem ideologisierten Lehrplan 21 mit seinen Tausenden von Kompetenzbeschreibungen ein Korsett zur Seite zu stellen: ein Lehrplan als Teil A, der Stoffinhalte und Themen und Treffpunkte genau beschreibt. 

Der Volksentscheid ist Ausdruck eines Unmuts über die Bildungsmisere, die durch Kompetenzlehrmittel entstanden ist und rekordschlechte Lernerfolge bei den Kindern beschert hat. Statt «Schülerinnen und Schüler werden befähigt, sprachliche Fertigkeiten in unterschiedlichen, möglichst authentischen Situationen anzuwenden», soll es im Lehrplan zum Beispiel für einen Erstklässler der Sekundarschule konkret heissen: Texte erfassen, Beschreibungen von Menschen, Gegenstände, Orte, Tiere, Weg, Natur, Bild. 

Solche Konkretisierungen sind das Resultat der berufenen Englisch­Experten, die sich im vergangenen Jahr an die Arbeit gemacht haben. Die Englischlehrer verfassten einen sechsseitigen Lehrplan, knapp, verständlich und strukturiert. 

Die beauftragten Französischlehrer stützten sich jedoch auf eine Mustervorlage aus Beat Lüthys Amt ab. So viel sei vorweg verraten: Lüthys Mustervorlage war grossmehrheitlich eine Neusortierung von Kompetenzbeschreibungen–eine Quasi­Kopie des alten Lehrplans 21.Entsprechend wuchs der Lehrplanvorschlag der Französischlehrer zu
einem 29­seitigen eher unverständlichen Monstrum an. Lüthy gilt im Kanton als treibende Kraft hinter der Kompetenz­Ideologie. 

Lüthys Vorlage fällt durch 
Es kam, wie es kommen musste: Die Amtliche Kantonalkonferenz der Lehrer(AKK) empfahl die Version der Englischlehrer:«Der Entwurf des Lehrplans Englisch findet grosse Akzeptanz. Der Entwurf des Lehrplans Französisch wird als stark überladen und unübersichtlich beurteilt.» Deutlich äussert sich auch die Konferenz Lehrer/­innen Sekundarschule I (KLS): «Die Fassung des Lehrplans Englisch erfüllt diese Anforderungen vollumfänglich und kann im Grunde so verwendet werden. Der Lehrplanentwurf Französisch erachtet die KLS jedoch als viel zu umfangreich, unübersichtlich und wenig hilfreich.»Er lege zu wenig klar fest, welche Stoffinhalte und Themen bearbeitet werden sollen. 

Die Französisch­Version auf Basis von Lüthys Mustervorlage fiel auch beim Lehrerverband (LVB) durch und ist indirekt als Kritik am Chefbeamten einzuordnen:«Wir fordern eine Überarbeitung des Lehrplanentwurfs Französisch, die sich am Vorbild des Lehrplanentwurfs Englisch orientiert.» Dass die Starke Schule beider Basel sich vehement für die Englisch­Version starkmacht, muss gar nicht mehr thematisiert werden.

Das klare Verdikt ist aber von Beat Lüthy nicht verstanden worden. Er forderte von den Englischlehrern in einer Sitzung vom 5.Februar, sie müssten sich entgegen der Ergebnisse aus der Vernehmlassung an seiner Französisch­Vorlage orientieren. Und wie es ein Lehrer für seine Schützlinge tut, hat er bereits den Stoffplan für das erste Sek­Schuljahr zuhanden der hochdotierten Fachexperten ausgefüllt. 

Um zu kaschieren, dass der kritisierte Umfang seiner Monstervorlage gleich geblieben ist, hat der Chef­Ideologe sich eines Schülertricks bedient: Er hat die Schriftgrösse verkleinert und so das Dokument von 29 auf 13 Seiten reduziert. Übersichtlicher ist es dabei nicht geworden. 

Amtliche Bevormundung 
Die amtliche Bevormundung ist nicht gut angekommen:«Die erfolgreiche Umsetzung der geleiteten Lehrmittelfreiheit ..//.. wird durch die vom AVS vorgegebene praxisferne Überarbeitungsvorlage des Lehrplans nahezu verunmöglicht. Damit wird der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler gefährdet, um den es ausschliesslich geht», heisst es im Brief. Für einen Eklat hatte der Funktionär aus Gschwinds Bildungsdirektion schon im letzten Frühling gesorgt. Er hatte auch damals die Experten mit seinem eigenen Werk beglückt. «Hauptsache, der Lehrplan entspricht der gescheiterten Fremdsprachenideologie und propagiert das kompetenzorientierte und selbstorganisierte Lernen, in welchem die Schüler sich selbst überlassenwerden», wurde Lüthy dafür kritisiert. Auf eine Anfrage der BaZ hat der Chefbeamte nicht reagiert. Angeblich sei man auf der Bildungsdirektion wegen des Coronavirus überlastet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen