In Basler Bildungskreisen kreist ein spöttisches
Bonmot. «Wenn der Volksschulleiter Dieter Baur bei Sonnenschein aus dem Fenster
schaut und sagt, es regnet – dann ist auch der oberste Lehrergewerkschafter
Jean-Michel Héritier der Meinung, dass es regnet.» Diese Minne ist
ungewöhnlich, denn meist divergieren die Interessen von Arbeitgebern und
Arbeitnehmervertretern. Alles gut also im Basler Bildungswesen?
Gewerkschaft in der Kritik: "Damit erkauft sich die Regierung das Einverständnis zu fast allen Schulreformen", BZ Basel, 4.2. von Leif Simonsen
Keineswegs,
meint Bildungsexperte Alain Pichard. Auf seinem Blog Condorcet moniert er die
Verbandelungen von Staat und Gewerkschaft. Tatsächlich weist Basel-Stadt ein
eigenartiges Konstrukt auf. Die Geschäftsleitung der Gewerkschaft Freiwillige
Schulsynode (FSS) ist identisch mit derjenigen der Kantonalen Schulkonferenz,
dem staatlich subventionierten Mitwirkungsorgan der Schulkonferenzen. Pichard
sagt: «So etwas gibt es in der ganzen Schweiz nicht ein zweites Mal. Diese
Staatsnähe erinnert ein bisschen an die DDR."
«Regierung erkauft sich das Einverständnis»
Pichard
ist der Meinung, dass die Lehrergewerkschaft mit den fürstlichen
Arbeitsbedingungen ruhiggestellt würden. Auf seinem Blog listet er die
«Stillhalteprämien» auf, welche die Lehrergewerkschaft in der jüngeren
Vergangenheit erhalten habe. Lohnerhöhungen, Schulraumverbesserungen, Rückkehr
der Einführungsklassen, Kostenbeteiligungen des Erziehungsdepartements bei
privat gekauften Computern, zwei Wochen Weihnachtsferien seit 2018. «Damit
erkauft sich die Regierung das Einverständnis zu fast allen Schulreformen und
Drangsalierungen gegenüber aufmüpfigen Kolleginnen und Kollegen», resümiert
Pichard.
Die
Folge: Pädagogisch würde kaum etwas in Frage gestellt. «Die Pleitereform
Frühfranzösisch wird gehauen und gestochen durchgezogen, an der disparaten
Lehrmittelreihe Passepartout wird festgehalten.» Kleinklassen seien abgeschafft
worden, Noten durch Berichte ersetzt und die Maturquote erreiche schweizweite
Höchstwerte. 20000 Franken gebe Basel-Stadt jährlich pro Schüler aus – mehr als
jeder andere Kanton. Umso befremdlicher sei, dass das Bildungsniveau im Kanton
so tief sei. Gestützt auf die Erkenntnisse des nationalen Bildungsmonitorings
schreibt er: «Ebenfalls rekordverdächtig: Nur 40 Prozent der Basler
Schülerinnen und Schüler sind im Stande, einfache proportionale Zuordnungen in
der Mathematik zu lösen. Das ist einsame Spitze (von hinten gesehen).»
Roland
Stark, der ehemalige SP-Grossratspräsident und Lehrer, pflichtet Pichard bei.
Dank der Verbandelung könnten Reformen von oben nach unten durchgeboxt werden,
nahezu ohne Widerstand. Das sei auch in der Ära vor dem jetzigen
Gewerkschaftschef Jean-Michel Héritier so gewesen. «Als die Kleinklassen
abgeschafft wurden, erwies sich die Freiwillige Schulsynode als
Totalversagerin. Sie liess ausser Acht, dass die schwierigen Schüler dadurch
nicht weg waren, sondern als Zusatzbelastung in die Regelklassen integriert
werden.» Nun hätten die Lehrer begriffen, dass es die Kleinklassen wieder
brauche. «Doch würden sie sich aufraffen, eine Medienmitteilung zu verfassen?
Natürlich nicht», sagt Stark. Bisweilen würden im Stadtkanton gar abweichende
Meinungen unterdrückt. «Jeder Französischlehrer weiss, dass das Lehrmittel
Mille feuilles nichts taugt.» Bei der Petition gegen das Lehrmittel hätten aus
den sechs Kantonen tausend Lehrerinnen und Lehrer unterschrieben – niemand aus
Basel. Die Schulleitungen, so Stark, hätten Druck aufgebaut, sich nicht in
diese Sache einzumischen.
Schulsynode wehrt sich gegen Vorwürfe
Zu
den Vorwürfen der gewerkschaftlichen Staatsnähe meint FSS-Präsident Jean-Michel
Héritier: «Ja, wir arbeiten eng mit dem Kanton zusammen. Es hat Vorteile, wenn man miteinander und nicht gegeneinander arbeitet.» Allerdings widerspricht er Pichards Vorwurf, wonach die Freiwillige Schulsynode nichts erreicht habe. «Die Einführungsklassen gibt es wieder, die vierkantonalen S3-Leistungschecks wurden abgeschafft. Und nun arbeiten wir darauf hin, dass die Lehrmittelfreiheit kommt», sagt Héritier. In dieser Woche liess die Freiwillige Schulsynode in einer Medienmitteilung verlauten, wie sie diesen Erfolg erreichen will: «Auf dem Verhandlungsweg mit dem Regierungsrat.»
Héritier: «Ja, wir arbeiten eng mit dem Kanton zusammen. Es hat Vorteile, wenn man miteinander und nicht gegeneinander arbeitet.» Allerdings widerspricht er Pichards Vorwurf, wonach die Freiwillige Schulsynode nichts erreicht habe. «Die Einführungsklassen gibt es wieder, die vierkantonalen S3-Leistungschecks wurden abgeschafft. Und nun arbeiten wir darauf hin, dass die Lehrmittelfreiheit kommt», sagt Héritier. In dieser Woche liess die Freiwillige Schulsynode in einer Medienmitteilung verlauten, wie sie diesen Erfolg erreichen will: «Auf dem Verhandlungsweg mit dem Regierungsrat.»
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