6. Februar 2020

Bald geschlechtsneutrale Toiletten in Schulen


Ein WC für Männer, ein WC für Frauen – und künftig ein drittes für alle, denen diese Kategorisierung Mühe bereitet. Geht es nach den Plänen der Stadt Bern, gehören genderneutrale WCs künftig in all ihren neuen oder sanierten Gebäuden zum Standard: Laut dem städtischen Aktionsplan zur Gleichstellung sollen neben geschlechtergetrennten Toiletten-, Dusch- und Garderobenablagen «nach Möglichkeit» auch gemischtgeschlechtliche Bereiche eingeführt werden.
Auch der Berner Lehrerverband begrüsst Unisex-WCs, Bild: Franziska Rothenbühler
Stadt Bern will Unisex-Toiletten an den Schulen, Bund, 6.2. von Andres Marti



Damit der Gemeinderat damit auch tatsächlich vorwärtsmacht, macht der Stadtrat Druck. Letzte Woche hat er mit grosser Mehrheit einen Antrag der Juso überwiesen. Die Jungsozialisten forderten, bei der Sanierung des Enge-Schulhauses seien mindestens zwei WCs zu Unisex-Toiletten umzubauen. Einzig die SVP stimmte geschlossen dagegen.

Unisex-WCs in Schulen
AL-Stadträtin Tabea Rai nutzt den Schwung und fordert nun vom Gemeinderat, künftig in jedem neuen oder neu sanierten Schulgebäude mindestens eine Unisex-Toilette zu realisieren. Laut Gesetz müssen Toilettenräume für Frauen und Männer durch Wände voneinander getrennt sein, welche vom Boden bis zur Decke reichen. Die Unisex-Toiletten sollen deshalb als separater, abschliessbarer Raum mit WC, Pissoir und Lavabo erbaut werden und allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen. Auch Unisex-Garderoben werden gefordert. Rai nervt sich an dem Vorwurf von Kritikern, die in diesen Bestrebungen vor allem eine Modeerscheinung sehen: «Unsere Gesellschaft ist mittlerweile einfach so weit, dass sich heute mehr Leute trauen, zu ihrer Geschlechtsidentität zu stehen.»

Beim Lehrerverband wird die Einführung von Unisex-WCs an den Schulen jedenfalls begrüsst. «Es ist für Kinder sehr wichtig, dass sie sich in der Schule wohlfühlen, auch auf den Toiletten», sagt Franziska Schwab, Co-Leiterin Pädagogik von Bildung Bern. In Skandinavien gehörten genderneutrale Toiletten längst zum Alltag. Sie ist überzeugt: «Auch bei uns an den Schulen wird Unisex Standard werden.»

Bei vielen Lehrern sind die Unisex-WCs aber auch umstritten: Laut Schwab hat sich der Lehrerverband noch auf keine gemeinsame Position geeinigt: «Die Meinungen gingen bei diesem Thema auseinander.» Ist es nicht auch denkbar, dass Kinder, die eine Unisex-Toilette besuchen, ebenfalls stigmatisiert und gemobbt werden? Die Toiletten müssten deshalb neutral angeschrieben sein, so Schwab. Und: «Schule und Gesellschaft müssen den Kindern vorleben, dass alle Menschen, auch diejenigen ohne eindeutiges Geschlecht, genau gleich akzeptiert werden.»

Auch an der Universität Bern wird über die Einführung von Unisex-Toiletten diskutiert. Im Projekt «Gender und Nachhaltigkeit» soll die Einführung von «All Gender Restrooms» an der Theologischen Fakultät «aus transdisziplinärer Perspektive» in den Fokus genommen werden, so steht es im Programm. Warum beschäftigen sich Theologinnen und Theologen mit der Geschlechterordnung in öffentlichen Toiletten? Ihre Fakultät setze sich schon seit einiger Zeit mit Geschlechtervielfalt auseinander, sagt Maria Lissek, Leiterin des Projektes und Assistentin am Institut für Historische Theologie. Letztlich gehe es um «soziale Nachhaltigkeit»: «Wie können Lebensräume gestaltet werden, sodass Menschen nicht mehr ausgegrenzt werden?»

Kein Unisex-Zwang
Dass dies auch bei der aktuellen WC-Geschlechterordnung geschehe, ist für Lissek unbestritten: Im Gespräch mit Transmenschen sei ihr von unangenehmen Erlebnissen in den Toiletten berichtet worden. «Viele Menschen haben Mühe mit der Tatsache, dass es eine Vielfalt von Geschlechtern gibt.» Andererseits gibt es das Argument, dass bei der Einführung von Unisex-Toiletten Frauen einen Schutzraum verlieren. An der Theologischen Fakultät würden die Unisex-Toiletten aber nicht flächendeckend eingeführt, sondern würden eher das bestehende Angebot ergänzen. Dass sich Menschen durch die Forderung nach genderneutralen WCs in die Enge getrieben fühlen, verstehe sie deshalb nicht, sagt Lissek. «Es würde niemand zur Benutzung der Unisex-Toiletten gezwungen werden.»

Wer übrigens schon heute ein öffentliches Unisex-WC besuchen will – abseits vom Zug –, kann dies im Naturhistorischen Museum Bern tun. Das «WC für alle» beim Eingang des Museums wurde anfangs Jahr eröffnet. Laut der Kommunikationsstelle steht die Anlage allen Menschen offen: «Frauen, Männern, Trans-, intergeschlechtlichen, nicht binären Personen und allen Menschen, für die es keine Kategorien gibt.» Man wolle damit «ein kleines Zeichen der Akzeptanz» setzen. Die Rückmeldungen auf der Facebook-Seite des Museums sind überwiegend positiv. Eine Posterin freut sich, dass sie nun künftig bei Stau auf dem Frauenklo eine Ausweichmöglichkeit hat.


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