Ein WC für Männer, ein WC für Frauen – und künftig ein drittes für alle,
denen diese Kategorisierung Mühe bereitet. Geht es nach den Plänen der Stadt
Bern, gehören genderneutrale WCs künftig in all ihren neuen oder sanierten
Gebäuden zum Standard: Laut dem städtischen Aktionsplan zur Gleichstellung
sollen neben geschlechtergetrennten Toiletten-, Dusch- und Garderobenablagen
«nach Möglichkeit» auch gemischtgeschlechtliche Bereiche eingeführt werden.
Auch der Berner Lehrerverband begrüsst Unisex-WCs, Bild: Franziska Rothenbühler
Stadt Bern will Unisex-Toiletten an den Schulen, Bund, 6.2. von Andres Marti
Damit der Gemeinderat damit auch tatsächlich vorwärtsmacht, macht der
Stadtrat Druck. Letzte Woche hat er mit grosser Mehrheit einen Antrag der Juso
überwiesen. Die Jungsozialisten forderten, bei der Sanierung des
Enge-Schulhauses seien mindestens zwei WCs zu Unisex-Toiletten umzubauen.
Einzig die SVP stimmte geschlossen dagegen.
Unisex-WCs in Schulen
AL-Stadträtin Tabea Rai nutzt den Schwung und fordert nun vom
Gemeinderat, künftig in jedem neuen oder neu sanierten Schulgebäude mindestens
eine Unisex-Toilette zu realisieren. Laut Gesetz müssen Toilettenräume für
Frauen und Männer durch Wände voneinander getrennt sein, welche vom Boden bis
zur Decke reichen. Die Unisex-Toiletten sollen deshalb als separater,
abschliessbarer Raum mit WC, Pissoir und Lavabo erbaut werden und allen
Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen. Auch Unisex-Garderoben werden
gefordert. Rai nervt sich an dem Vorwurf von Kritikern, die in diesen
Bestrebungen vor allem eine Modeerscheinung sehen: «Unsere Gesellschaft ist
mittlerweile einfach so weit, dass sich heute mehr Leute trauen, zu ihrer
Geschlechtsidentität zu stehen.»
Beim Lehrerverband wird die Einführung von Unisex-WCs an den Schulen
jedenfalls begrüsst. «Es ist für Kinder sehr wichtig, dass sie sich in der
Schule wohlfühlen, auch auf den Toiletten», sagt Franziska Schwab, Co-Leiterin
Pädagogik von Bildung Bern. In Skandinavien gehörten genderneutrale Toiletten
längst zum Alltag. Sie ist überzeugt: «Auch bei uns an den Schulen wird Unisex
Standard werden.»
Bei vielen Lehrern sind die Unisex-WCs aber auch umstritten: Laut Schwab
hat sich der Lehrerverband noch auf keine gemeinsame Position geeinigt: «Die
Meinungen gingen bei diesem Thema auseinander.» Ist es nicht auch denkbar, dass
Kinder, die eine Unisex-Toilette besuchen, ebenfalls stigmatisiert und gemobbt
werden? Die Toiletten müssten deshalb neutral angeschrieben sein, so Schwab.
Und: «Schule und Gesellschaft müssen den Kindern vorleben, dass alle Menschen,
auch diejenigen ohne eindeutiges Geschlecht, genau gleich akzeptiert werden.»
Auch an der Universität Bern wird über die Einführung von
Unisex-Toiletten diskutiert. Im Projekt «Gender und Nachhaltigkeit» soll die
Einführung von «All Gender Restrooms» an der Theologischen Fakultät «aus transdisziplinärer
Perspektive» in den Fokus genommen werden, so steht es im Programm. Warum
beschäftigen sich Theologinnen und Theologen mit der Geschlechterordnung in
öffentlichen Toiletten? Ihre Fakultät setze sich schon seit einiger Zeit mit
Geschlechtervielfalt auseinander, sagt Maria Lissek, Leiterin des Projektes und
Assistentin am Institut für Historische Theologie. Letztlich gehe es um
«soziale Nachhaltigkeit»: «Wie können Lebensräume gestaltet werden, sodass
Menschen nicht mehr ausgegrenzt werden?»
Kein Unisex-Zwang
Dass dies auch bei der aktuellen WC-Geschlechterordnung geschehe, ist
für Lissek unbestritten: Im Gespräch mit Transmenschen sei ihr von unangenehmen
Erlebnissen in den Toiletten berichtet worden. «Viele Menschen haben Mühe mit
der Tatsache, dass es eine Vielfalt von Geschlechtern gibt.» Andererseits gibt
es das Argument, dass bei der Einführung von Unisex-Toiletten Frauen einen
Schutzraum verlieren. An der Theologischen Fakultät würden die Unisex-Toiletten
aber nicht flächendeckend eingeführt, sondern würden eher das bestehende
Angebot ergänzen. Dass sich Menschen durch die Forderung nach genderneutralen
WCs in die Enge getrieben fühlen, verstehe sie deshalb nicht, sagt Lissek. «Es
würde niemand zur Benutzung der Unisex-Toiletten gezwungen werden.»
Wer übrigens schon heute ein öffentliches Unisex-WC besuchen will –
abseits vom Zug –, kann dies im Naturhistorischen Museum Bern tun. Das «WC für
alle» beim Eingang des Museums wurde anfangs Jahr eröffnet. Laut der
Kommunikationsstelle steht die Anlage allen Menschen offen: «Frauen, Männern,
Trans-, intergeschlechtlichen, nicht binären Personen und allen Menschen, für
die es keine Kategorien gibt.» Man wolle damit «ein kleines Zeichen der
Akzeptanz» setzen. Die Rückmeldungen auf der Facebook-Seite des Museums sind
überwiegend positiv. Eine Posterin freut sich, dass sie nun künftig bei Stau
auf dem Frauenklo eine Ausweichmöglichkeit hat.
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