Vier Zürcher Goldküstengemeinden machen erstmals gemeinsame Sache im
Kampf gegen «Elterntaxis». Das ist zu begrüssen – doch das Phänomen ist
keinesfalls nur auf Helikoptereltern und Expats beschränkt.
Elterntaxis: Schulweg ist mehr als eine Strecke von A nach B - auch deshalb erweisen Eltern ihren Kinder mit einem Fahrservice keinen Dienst, NZZ, 25.1. von Lena Schenkel
Mütter und Väter, die ihre Kinder im Auto zur Schule chauffieren, sind
oft nicht nur «Taxi-», sondern auch «Helikoptereltern»: Sie wollen ihre Kinder
am liebsten vor allen Gefahren und Widrigkeiten des Lebens beschützen. Deshalb
ziehen sie ihrem Nachwuchs auf dem Spielplatz Helme an, tracken sie mit
GPS-Sendern, frisieren ihre Geschichtsvorträge – oder fahren sie in die Schule,
weil sie den Weg für gefährlich erachten, wie 41 Prozent der Eltern in einer
repräsentativen Umfrage angaben.
Dabei sind Schweizer Schulwege im Schnitt laut derselben Studie weniger
als 1,5 Kilometer lang, 40 Prozent sind gar kürzer als 500 Meter. Zwar hat der
Verkehr in den letzten Jahren sicher eher zu- als abgenommen, doch Kanton und
Gemeinden haben von Gesetzes wegen für sichere Schulwege zu sorgen. Auch in
Zürich achten die Schulen bei der Zuteilung der Kinder darauf, dass der Weg
zumutbar ist. Schon Kindergartenkinder erhalten Verkehrskundeunterricht. Ihnen
wird etwa das Überqueren von schwach befahrenen Strassen auf Fussgängerstreifen
zugemutet.
Selbst wenn an der Zürcher Goldküste viele Gemeinden am Hang liegen, ist
das dort nicht anders. Dass vier von ihnen nun erstmals gemeinsam in einer
breit angelegten Kampagne gegen die sogenannten Elterntaxis mobilmachen, ist zu
begrüssen und angesichts der seit Jahren anhaltenden Problematik eigentlich
überfällig.
Wirkung der «Elterntaxis» ist kontraproduktiv
Gefährlich ist in der Regel nämlich nicht der Schulweg, sondern der
elterliche Chauffeurdienst. Zum einen lernen die in Autos beziehungsweise Watte
gepackten Kinder gar nicht erst, sich selbständig und sicher im Verkehr zu
behaupten. Zum andern gefährden ihre Chauffeure durch illegale oder zumindest
grenzwertige Fahrmanöver vor den Schulen just jene Kinder, die sich dort noch
zu Fuss fortbewegen.
Das Phänomen ist freilich nicht auf die Goldküste beschränkt: Auch vor
Wipkinger Schulen oder Schwamendinger Kindergärten schlagen Kinder morgens auf
den Trottoirs die Autotüren zu. Zweifellos ist das Sicherheitsargument in der
Stadt stichhaltiger. Einem unsicheren Schulweg liesse sich jedoch auch ohne
Auto begegnen: indem die Kinder von sich abwechselnden Erwachsenen zu Fuss
begleitet werden. Das wäre nicht nur gesünder, sondern in Zeiten Gretas auch
ökologischer.
Nicht sicherer für die Kinder, sondern «gäbiger» für ihre Eltern
Bloss: Das kostet Zeit. Und darum scheint es beim Phänomen Elterntaxi in
erster Linie zu gehen, wie es an Zürcher Schulen heisst. Dass nur übermässig
behütende Eltern und Auto-affine Expats ihre Kinder zur Schule chauffieren,
entspricht offenbar einem Klischee. Viel häufiger geht es um Bequemlichkeit –
um nicht zu sagen: Faulheit. Wer den Nachwuchs auf dem Weg zur Arbeit oder
zwischen zwei Terminen schnell vor der Schule ab- oder einlädt, spart Zeit (und
kann morgens zum Beispiel länger im Bett liegen bleiben).
Was die Grossen an Zeit gewinnen, verlieren die Kleinen jedoch an
wertvoller Erfahrung. Denn der Schulweg ist weit mehr als eine Strecke von A
nach B. Es lauern dort nicht nur Gefahren, sondern locken auch Abenteuer. Hier
werden seit je Freundschaften gepflegt und Feindschaften ausgetragen. Erstmals
erkunden die Kinder ihre Umgebung auf eigene Faust und in eigenem Tempo. Was
man ihnen mit einer Autofahrt raubt, zeigen Schulwegbilder von
Kindergartenkindern: Blumen und Schmetterlinge malten jene, die zu Fuss gingen
– ihren chauffierten Gspänli blieben dagegen nur schwarze Striche in Erinnerung.
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