29. Januar 2020

Arbeitskonflikt: Schulbehörde unterliegt vor Gericht


Es ist eine unschöne und ärgerliche Geschichte für die Oberstufe Weesen-Amden (OSWA). Sie handelt von drei Lehrern, die 2014 von einem Tag auf den anderen krank geschrieben wurden, der ehemaligen Taggeldversicherung der OSWA und einem Rechtsstreit, in welchem die ganze Sache gipfelte. Dieser ist nun ad acta gelegt: Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat in allen drei Fällen gegen die Schule und für die damalige Versicherung entschieden. Der erste Fall wurde bereits Anfang letztes Jahr verhandelt (Ausgabe vom 25. Januar 2019). Mit seinem Urteil zieht das Gericht den Unmut der Schulbehörden auf sich, die nun auf Kosten in der Höhe von 450 000 Franken sitzen bleiben. Und auch wenn der Schulpräsident der OSWA, Andreas Mang, diesen Betrag im Gespräch relativiert, sei das Urteil des Gerichts für die OSWA stossend. Weiterziehen will sie das Urteil aber nicht.
Andreas Mang, Schulratspräsident, nimmt Stellung zum Fall, Bild: Urs Schnider
"Auslöser war ein Streit über eine neue Unterrichtsmethode", Südostschweiz, 28.1. von Urs Schnider


Andreas Mang, nun ist es definitiv: Auch im zweiten und dritten Fall hat das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Ihre Klage abgewiesen – die OSWA bleibt auf dem Schaden sitzen.
ANDREAS MANG: Tatsächlich ist sowohl der damalige, wie auch der heutige Schulrat davon ausgegangen, einen grossen Teil der getätigten Lohnzahlungen über die Krankentaggeldversicherung noch einfordern zu können. Wider Erwarten und zu unserem Unverständnis hat das Gericht nun anders entschieden.

Was hat diese Auseinandersetzung die OSWA gekostet?
Die gesamten Kosten, also Lohnmehrkosten, Anwalts- und Verfahrenskosten seit den Vorfällen im Jahre 2014 bis heute belaufen sich auf rund 450 000 Franken. Dazu ist jedoch zu erwähnen, dass durch den Weggang der damaligen Lehrpersonen diese Stellen neu besetzt wurden. Für die Neubesetzungen konnten junge und motivierte Lehrpersonen gefunden werden. Da junge Lehrpersonen in den Löhnen wesentlich tiefer eingestuft sind als Ältere, sind die jährlichen Personalkosten um rund 116 000 Franken tiefer ausgefallen als zuvor.

Das heisst, die Kosten konnten «eingespart» werden?
Ja. Wenn man diese Zahl auf die letzten fünf Jahre zurückrechnet, kann summa summarum festgestellt werden, dass den Steuerzahlern kein «Schaden» entstanden ist und das Ganze – auch aus finanzieller Sicht – eine positive Wende genommen hat. Das Wichtigste an der ganzen Sache ist jedoch, und dies wird meist vergessen, dass die Schule schnellstmöglich wieder zu einem ordentlichen Betrieb übergehen wollte – und auch konnte. Dies zugunsten aller an der Schule Beteiligten, insbesondere unseren Schülern. 

Konnten die Schüler eigentlich zu Hause bleiben, als gleich drei Lehrer krank geschrieben wurden?
Nein, trotz des gleichzeitigen Ausfalls der drei Lehrpersonen ist keine einzige Lektion ausgefallen. Das gesamte Schulteam hat diese doch heikle Situation hervorragend bewältigt. Zudem konnte die Schule in den vergangenen Jahren gerade in der Schulqualität einiges erreichen und steht heute im kantonalen Vergleich ganz vorne.

Es wurde also – wenn auch nur vorübergehend – der Steuerzahler zur Kasse gebeten. Eigentlich hätte ihre Versicherung zahlen müssen?
Lohnausfälle infolge längerer Krankheit sind durch die Krankentaggeldversicherung versichert. Aber wie wir nun ja erfahren haben, stellt sich das Versicherungsgericht hinter die Versicherung, welche diesen Schaden nicht übernehmen muss, obschon die damaligen Arbeitnehmer ihre Krankheiten mit ärztlichen Zeugnissen bescheinigt haben. Die Anwaltskosten würden in einem solchen Fall grösstenteils von einer Rechtsschutzversicherung übernommen. Eine solche besass die Schule zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht.

Wenn ich die tieferen Personalkosten durchrechne, die Sie vorhin genannt haben, müsste die OSWA inzwischen sogar im Plus liegen.
Das ist tatsächlich so. Es war zwar keine Absicht, jüngere Lehrpersonen anzustellen, um Kosten zu sparen, das war Zufall. Aber es ist eine glückliche Konsequenz aus dem Fall. Die Einsparungen bei den Lohnkosten, welche sich durch die jüngeren Lehrpersonen ergeben haben, führten unter anderem dazu, dass die Kosten der OSWA über die letzten Jahre tiefer ausgefallen sind. Entgegen des nationalen Trends, dass die Schulen jährlich höhere Kosten verursachen, konnte unsere Schule über die letzten Jahre permanent einen sinkenden Steuerbedarf ausweisen. Für dieses Jahr konnten wir zudem nochmals rund 300 000 Franken tiefer budgetieren als 2019, weil nach 25 Jahren das Oberstufenschulhaus im letzten Jahr letztmalig abgeschrieben werden konnte. Gleichzeitig möchten wir nun aber in den nächsten Jahren in werterhaltende Massnahmen von Gebäude und Infrastruktur investieren.

Zurück zum Thema: Was war eigentlich genau passiert mit den drei Lehrpersonen, warum wurden diese krank?
Der Auslöser für die Arbeitsunfähigkeit war ein Streit über eine neue Unterrichtsmethode, welche nicht von allen Beteiligten mitgetragen wurde und auch zu Beanstandungen vieler besorgter Eltern geführt hat. 

Der Hund lag wohl tiefer begraben, die Krankheit der Lehrpersonen scheint vorgeschoben, da sie gleichzeitig krank wurden. Gab es zum damaligen Zeitpunkt ein Führungsproblem an der OSWA?
Bei der damaligen Behörde gab es nie ein Führungsproblem. Diese hat stets sach- und fachorientiert versucht, die Konflikte zu lösen. Aufgrund der Krankschreibungen konnte diese Aufgabe jedoch nicht zu Ende geführt werden. Auf Stufe der damaligen Schulleitung jedoch gab es tatsächlich und offensichtlich ein Führungsproblem, zumal gerade diese die neuen Unterrichtsmethoden einführen wollte und letztlich ebenfalls von der arbeitsplatzbedingten Arbeitsunfähigkeit betroffen war.

Die Versicherung hätte die Lehrpersonen abmahnen und sie auffordern müssen, sich eine neue Stelle zu suchen. Hat sie das getan?
Die Versicherung hat zu keinem Zeitpunkt abgemahnt, sondern die Leistungen ohne eine Abmahnung eingestellt. Gemäss den allgemeinen Versicherungsbedingungen wäre sie hierzu aber verpflichtet gewesen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts geht auf diesen Punkt unverständlicherweise nicht ein. Auf die arbeitsplatzbedingte Konfliktsituation und die daraus entstandenen gesundheitlichen Auswirkungen bei den Lehrpersonen ist das Gericht ebenfalls nicht eingegangen, da das tatsächliche Ausmass des Arbeitsplatzkonflikts für die Beurteilung keine Rolle spiele. Das ist besonders stossend, da das Gericht zu dieser Frage die Schule nochmals zur Stellungnahme aufforderte und diese entsprechende Beweismittel nachlieferte.

In der Weesner Gemeindepublikation schrieb die OSWA, es sei besonders stossend, dass die gesetzliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers vom Gericht klar weniger gewichtet worden sei. Was heisst das konkret?
Das heisst, dass mit der Einstellung der Taggeldleistungen auch die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers enden würde. Der Arbeitnehmer würde also trotz 100-prozentiger, ärztlicher Krankschreibung, keinen Lohn mehr erhalten. Ob dies für eine öffentlich-rechtliche Institution sozial verträglich ist und der gesetzlichen Fürsorgepflicht entspricht, liegt nicht in meiner Beurteilung.

Müsste die OSWA aufgrund dieser Argumentation doch vor die nächste Instanz ziehen?
Wir haben zusammen mit unserer Anwaltskanzlei eine sorgfältige Chancen- und Risiko-Abwägung gemacht. Das Verfahren vor Bundes-Versicherungsgericht ist nicht mehr kostenlos und würde hohe Gerichtskosten verursachen. Diese hätten im Falle eines Unterliegens durch die Schule getragen werden müssen. Das Bundesgericht greift nur in die Beweiswürdigung des Sachgerichts ein, wenn diese willkürlich ist. Und Willkür liegt nur vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.

Was die Aussicht auf Erfolg gering macht?
Ja, da das Bundesgericht im Zusammenhang mit Willkür streng und zurückhaltend ist, schätzten wir die Erfolgschancen als sehr gering ein. Wir wollten das hohe Risiko eines Nichteintretens oder einer Abweisung der Beschwerde nicht eingehen. Vergleichbare Bundesgerichtsentscheide in der Vergangenheit bestätigten unseren Entscheid zusätzlich.

Was ist aus den betroffenen Lehrpersonen geworden?
Das weiss ich nicht, ich kenne keine der drei ehemaligen Lehrpersonen persönlich.

Wie fällt Ihr Fazit aus zu diesem Fall, abgesehen davon, dass die OSWA die Versicherung gewechselt hat?
Eine Konsequenz aus diesen Erkenntnissen zu ziehen ist sehr schwierig, zumal auch rückwirkend gesehen der damalige Schulrat alle Schritte sehr sorgfältig geprüft und meines Erachtens keine Fehlentscheide getroffen hat. Wir hoffen natürlich, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholt.

Besteht diese Gefahr?
Im Moment absolut nicht. Wir haben ein Top-Team mit einem sehr guten Zusammenhalt. Die OSWA ist super aufgestellt. Es ist eine tolle Atmosphäre hier mit den Schülern und den Lehrpersonen. Klar, es gibt die üblichen Probleme, die man mit Jugendlichen an einer Schule haben kann. Das gibt es an jeder anderen Schule auch. Aber vom Personal her ist das Team der OSWA eines, das sich jede Schulbehörde nur wünschen kann.

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