Es ist eine unschöne und ärgerliche Geschichte für die Oberstufe
Weesen-Amden (OSWA). Sie handelt von drei Lehrern, die 2014 von einem Tag auf
den anderen krank geschrieben wurden, der ehemaligen Taggeldversicherung der
OSWA und einem Rechtsstreit, in welchem die ganze Sache gipfelte. Dieser ist
nun ad acta gelegt: Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat in
allen drei Fällen gegen die Schule und für die damalige Versicherung
entschieden. Der erste Fall wurde bereits Anfang letztes Jahr verhandelt
(Ausgabe vom 25. Januar 2019). Mit seinem Urteil zieht das Gericht den Unmut
der Schulbehörden auf sich, die nun auf Kosten in der Höhe von 450 000 Franken
sitzen bleiben. Und auch wenn der Schulpräsident der OSWA, Andreas Mang, diesen
Betrag im Gespräch relativiert, sei das Urteil des Gerichts für die OSWA
stossend. Weiterziehen will sie das Urteil aber nicht.
Andreas Mang, Schulratspräsident, nimmt Stellung zum Fall, Bild: Urs Schnider
"Auslöser war ein Streit über eine neue Unterrichtsmethode", Südostschweiz, 28.1. von Urs Schnider
Andreas Mang, nun ist es definitiv: Auch im zweiten und dritten Fall hat
das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Ihre Klage abgewiesen – die
OSWA bleibt auf dem Schaden sitzen.
ANDREAS MANG: Tatsächlich ist sowohl der damalige, wie auch der heutige
Schulrat davon ausgegangen, einen grossen Teil der getätigten Lohnzahlungen
über die Krankentaggeldversicherung noch einfordern zu können. Wider Erwarten
und zu unserem Unverständnis hat das Gericht nun anders entschieden.
Was hat diese Auseinandersetzung die OSWA gekostet?
Die gesamten Kosten, also Lohnmehrkosten, Anwalts- und Verfahrenskosten
seit den Vorfällen im Jahre 2014 bis heute belaufen sich auf rund 450 000
Franken. Dazu ist jedoch zu erwähnen, dass durch den Weggang der damaligen
Lehrpersonen diese Stellen neu besetzt wurden. Für die Neubesetzungen konnten
junge und motivierte Lehrpersonen gefunden werden. Da junge Lehrpersonen in den
Löhnen wesentlich tiefer eingestuft sind als Ältere, sind die jährlichen
Personalkosten um rund 116 000 Franken tiefer ausgefallen als zuvor.
Das heisst, die Kosten konnten «eingespart» werden?
Ja. Wenn man diese Zahl auf die letzten fünf Jahre zurückrechnet, kann
summa summarum festgestellt werden, dass den Steuerzahlern kein «Schaden»
entstanden ist und das Ganze – auch aus finanzieller Sicht – eine positive
Wende genommen hat. Das Wichtigste an der ganzen Sache ist jedoch, und dies
wird meist vergessen, dass die Schule schnellstmöglich wieder zu einem
ordentlichen Betrieb übergehen wollte – und auch konnte. Dies zugunsten aller
an der Schule Beteiligten, insbesondere unseren Schülern.
Konnten die Schüler eigentlich zu Hause bleiben, als gleich drei Lehrer
krank geschrieben wurden?
Nein, trotz des gleichzeitigen Ausfalls der drei Lehrpersonen ist keine
einzige Lektion ausgefallen. Das gesamte Schulteam hat diese doch heikle
Situation hervorragend bewältigt. Zudem konnte die Schule in den vergangenen
Jahren gerade in der Schulqualität einiges erreichen und steht heute im
kantonalen Vergleich ganz vorne.
Es wurde also – wenn auch nur vorübergehend – der Steuerzahler zur Kasse
gebeten. Eigentlich hätte ihre Versicherung zahlen müssen?
Lohnausfälle infolge längerer Krankheit sind durch die
Krankentaggeldversicherung versichert. Aber wie wir nun ja erfahren haben,
stellt sich das Versicherungsgericht hinter die Versicherung, welche diesen
Schaden nicht übernehmen muss, obschon die damaligen Arbeitnehmer ihre
Krankheiten mit ärztlichen Zeugnissen bescheinigt haben. Die Anwaltskosten
würden in einem solchen Fall grösstenteils von einer Rechtsschutzversicherung
übernommen. Eine solche besass die Schule zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht.
Wenn ich die tieferen Personalkosten durchrechne, die Sie vorhin genannt
haben, müsste die OSWA inzwischen sogar im Plus liegen.
Das ist tatsächlich so. Es war zwar keine Absicht, jüngere Lehrpersonen
anzustellen, um Kosten zu sparen, das war Zufall. Aber es ist eine glückliche
Konsequenz aus dem Fall. Die Einsparungen bei den Lohnkosten, welche sich durch
die jüngeren Lehrpersonen ergeben haben, führten unter anderem dazu, dass die
Kosten der OSWA über die letzten Jahre tiefer ausgefallen sind. Entgegen des
nationalen Trends, dass die Schulen jährlich höhere Kosten verursachen, konnte
unsere Schule über die letzten Jahre permanent einen sinkenden Steuerbedarf
ausweisen. Für dieses Jahr konnten wir zudem nochmals rund 300 000 Franken
tiefer budgetieren als 2019, weil nach 25 Jahren das Oberstufenschulhaus im
letzten Jahr letztmalig abgeschrieben werden konnte. Gleichzeitig möchten wir
nun aber in den nächsten Jahren in werterhaltende Massnahmen von Gebäude und
Infrastruktur investieren.
Zurück zum Thema: Was war eigentlich genau passiert mit den drei
Lehrpersonen, warum wurden diese krank?
Der Auslöser für die Arbeitsunfähigkeit war ein Streit über eine neue
Unterrichtsmethode, welche nicht von allen Beteiligten mitgetragen wurde und
auch zu Beanstandungen vieler besorgter Eltern geführt hat.
Der Hund lag wohl tiefer begraben, die Krankheit der Lehrpersonen
scheint vorgeschoben, da sie gleichzeitig krank wurden. Gab es zum damaligen
Zeitpunkt ein Führungsproblem an der OSWA?
Bei der damaligen Behörde gab es nie ein Führungsproblem. Diese hat
stets sach- und fachorientiert versucht, die Konflikte zu lösen. Aufgrund der
Krankschreibungen konnte diese Aufgabe jedoch nicht zu Ende geführt werden. Auf
Stufe der damaligen Schulleitung jedoch gab es tatsächlich und offensichtlich
ein Führungsproblem, zumal gerade diese die neuen Unterrichtsmethoden einführen
wollte und letztlich ebenfalls von der arbeitsplatzbedingten Arbeitsunfähigkeit
betroffen war.
Die Versicherung hätte die Lehrpersonen abmahnen und sie auffordern
müssen, sich eine neue Stelle zu suchen. Hat sie das getan?
Die Versicherung hat zu keinem Zeitpunkt abgemahnt, sondern die
Leistungen ohne eine Abmahnung eingestellt. Gemäss den allgemeinen
Versicherungsbedingungen wäre sie hierzu aber verpflichtet gewesen. Der
Entscheid des Versicherungsgerichts geht auf diesen Punkt unverständlicherweise
nicht ein. Auf die arbeitsplatzbedingte Konfliktsituation und die daraus
entstandenen gesundheitlichen Auswirkungen bei den Lehrpersonen ist das Gericht
ebenfalls nicht eingegangen, da das tatsächliche Ausmass des
Arbeitsplatzkonflikts für die Beurteilung keine Rolle spiele. Das ist besonders
stossend, da das Gericht zu dieser Frage die Schule nochmals zur Stellungnahme
aufforderte und diese entsprechende Beweismittel nachlieferte.
In der Weesner Gemeindepublikation schrieb die OSWA, es sei besonders
stossend, dass die gesetzliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers vom Gericht
klar weniger gewichtet worden sei. Was heisst das konkret?
Das heisst, dass mit der Einstellung der Taggeldleistungen auch die
Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers enden würde. Der Arbeitnehmer würde
also trotz 100-prozentiger, ärztlicher Krankschreibung, keinen Lohn mehr
erhalten. Ob dies für eine öffentlich-rechtliche Institution sozial verträglich
ist und der gesetzlichen Fürsorgepflicht entspricht, liegt nicht in meiner
Beurteilung.
Müsste die OSWA aufgrund dieser Argumentation doch vor die nächste
Instanz ziehen?
Wir haben zusammen mit unserer Anwaltskanzlei eine sorgfältige Chancen-
und Risiko-Abwägung gemacht. Das Verfahren vor Bundes-Versicherungsgericht ist
nicht mehr kostenlos und würde hohe Gerichtskosten verursachen. Diese hätten im
Falle eines Unterliegens durch die Schule getragen werden müssen. Das
Bundesgericht greift nur in die Beweiswürdigung des Sachgerichts ein, wenn
diese willkürlich ist. Und Willkür liegt nur vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.
Was die Aussicht auf Erfolg gering macht?
Ja, da das Bundesgericht im Zusammenhang mit Willkür streng und
zurückhaltend ist, schätzten wir die Erfolgschancen als sehr gering ein. Wir
wollten das hohe Risiko eines Nichteintretens oder einer Abweisung der
Beschwerde nicht eingehen. Vergleichbare Bundesgerichtsentscheide in der
Vergangenheit bestätigten unseren Entscheid zusätzlich.
Was ist aus den betroffenen Lehrpersonen geworden?
Das weiss ich nicht, ich kenne keine der drei ehemaligen Lehrpersonen
persönlich.
Wie fällt Ihr Fazit aus zu diesem Fall, abgesehen davon, dass die OSWA
die Versicherung gewechselt hat?
Eine Konsequenz aus diesen Erkenntnissen zu ziehen ist sehr schwierig,
zumal auch rückwirkend gesehen der damalige Schulrat alle Schritte sehr
sorgfältig geprüft und meines Erachtens keine Fehlentscheide getroffen hat. Wir
hoffen natürlich, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholt.
Besteht diese Gefahr?
Im Moment absolut nicht. Wir haben ein Top-Team mit einem sehr guten
Zusammenhalt. Die OSWA ist super aufgestellt. Es ist eine tolle Atmosphäre hier
mit den Schülern und den Lehrpersonen. Klar, es gibt die üblichen Probleme, die
man mit Jugendlichen an einer Schule haben kann. Das gibt es an jeder anderen
Schule auch. Aber vom Personal her ist das Team der OSWA eines, das sich jede
Schulbehörde nur wünschen kann.
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