30. November 2019

Folgt am Dienstag der nächste PISA-Schock?


Es begann mit einem Schock, ging weiter mit endlosen Debatten und mündete in einem Dauerstreit: Seit knapp zwei Jahrzehnten – immer wenn die Pisa-Resultate erscheinen – gerät die Schweizer Bildungswelt in Aufruhr. Kommenden Dienstag erfahren hiesige Schüler wieder, wie gut sie im Vergleich zu Jugendlichen aus aller Welt sind. Bis dahin werden die Resultate gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Doch schon jetzt ist klar: Es wird erneut zu Diskussionen kommen. 
Wie schief steht der Turm von Pisa? Südostschweiz, 30.11. von Yannick Nock


Bei der grössten Erhebung in der Pisa-Geschichte war der Test zum ersten Mal nicht für alle Jugendlichen gleich. Der Computer passte sich während des Ausfüllens dem Leistungsniveau des Schülers an. Beantwortete ein15-Jähriger die ersten Fragen falsch, wurden die weiteren einfacher, war er besonders gut, wurden sie schwerer. 

Ziel des Verfahrens ist es, möglichst alle Schüler mitzunehmen. Hätte ein schwacher Jugendlicher früher komplett versagt, konnte er jetzt bei den einfacheren Fragen zeigen, dass er doch etwas beherrscht. Und die ganz guten mussten beweisen, dass sie tatsächlich besonders schlau sind. 

Doch können massgeschneiderte Fragen universelle Ergebnisse hervorbringen? Schweizer Bildungsexperten, die vor Veröffentlichung der Daten nicht mit Namen erwähnt werden möchten, warnen bereits: Der Test sei nur bedingt mit früheren vergleichbar. Schwankungen in den Ergebnissen könnten auch an der neuen Methode liegen, nicht an der eigentlichen Leistung der Schüler. Dem widerspricht Andreas Schleicher, Chef der Pisa-Studie: Der Einfluss der Methode sei natürlich berücksichtigt worden. 

3,2 Millionen Franken zahlt die Schweiz für den Test 
Doch genau dieser Punkt sorgte bereits vor drei Jahren – bei der letzten Pisa-Erhebung – für einen Eklat. Die hiesigen Erziehungsdirektoren weigerten sich, eine eigene Publikation und Interpretation der Schweizer Daten zu veröffentlichen. Das Problem: 2015 wurden die Aufgaben des Tests erstmals ausschliesslich am Computer gelöst. Schweizer Schulen, die noch immer in einer Welt von Bleistift und Papier leben, sahen sich benachteiligt. Und tatsächlich: Die 15-Jährigen schnitten in allen Fächern – Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen – schlechter ab als 2012. 

In ihrer Not wandten sich die Erziehungsdirektoren an Stefan Wolter, den Bildungsökonomen des Bundes. Für ihn war klar, dass das deutlich schlechtere Abschneiden der hiesigen Schüler mit der Methodenänderung zu tun hatte, selbst wenn Pisa-Chef Schleicher versicherte, diese seien berücksichtigt worden. Die Schweiz stellte gar ihre Teilnahme an künftigen Pisa-Tests in Frage, schliesslich belaufen sich die Kosten auf 3,2 Millionen pro Zyklus. Doch Schleicher liess jede Kritik von sich abprallen, ging stattdessen in die Gegenoffensive: «Bei ‹Schneewittchen› schmiss die Königin den Spiegel hin, als sie nicht mehr die Schönste im Land war. Dadurch wurde sie aber auch nicht schöner», sagte er und legte nach: «Aber wahrscheinlich gefällt gewissen Schweizer Bildungsvertretern ohnehin das ‹Rumpelstilzchen› besser.» 

Nach Beschwerdebriefen, die zwischen den Erziehungsdirektoren und den Pisa-Verantwortlichen hin und her gingen, legte sich die Aufregung Monate später. Zumindest ein bisschen. Zwar verharren beide Seiten bis heute auf ihrem Standpunkt. Die Konferenz der Erziehungsdirektoren hat allerdings bereits die Teilnahme an Pisa 2021 bewilligt. Ein Austritt stehe aktuell nicht zur Debatte, heisst es. Bildungsexperten aus verschiedenen Ländern, darunter auch der Schweiz, machten sich zuletzt aber für eine Änderung stark. Der Pisa-Test solle nicht mehr alle drei, sondern nur alle fünf Jahre durchgeführt werden. Das mag die Kosten zwar senken, die Diskussionen werden aber bleiben.

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