28. November 2019

Ein Hurra auf die Mehrsprachigkeit

Graubünden wird zum Bollwerk der Mehrsprachendidaktik. An der PH in Chur ist Mehrsprachendidaktik schon seit Jahren zum Glaubensbekenntnis mutiert. Kritische Einwände und die spektakulären Misserfolge der mit diesem Ansatz verfassten Lehrmittel konnten die beschauliche methodische Stille im Bergkanton nicht stören. Abgeschirmt von den Stürmen der Welt lebt man hier das Ideal der beglückenden Sprachenvielfalt. (uk)
Höchste Schweizerin hält Plädoyer für Sprachenvielfalt, Südostschweiz, 28.11. von Andri Nay

Über 30 verschiedene Sprachen werden an der Pädagogischen Hochschule Graubünden gesprochen. Genau der richtige Ort für die höchste Schweizerin und ihren Beitrag zur Sprachendebatte.


Graubünden ist mit seinen drei Kantonssprachen und fünf romanischen Idiomen ein Mekka für Sprachen-Liebhaber. Da wundert es nicht, dass die mehrsprachige Nationalratspräsidentin Marina Carobbio Guscetti die Einladung der Pädagogischen Hochschule Graubünden (PHGR) annahm und am Dienstag einen Vortrag über die gesellschaftliche und politische Bedeutung der Sprachenvielfalt hielt.

Carobbio, die erst wenige Tage zuvor im Tessin überraschend zur Ständerätin gewählt worden war, sprach vor rund 250 geladenen Gästen und Studierenden. Eine Sprachendebatte und ein Podiumsgespräch mit Bildungsexperten umrahmten diesen Vortrag – natürlich alles auf Italienisch, Romanisch und Deutsch.

«Sprache vermittelt Wissen»

Schon Carobbios Vorredner hielten ein Plädoyer auf die Sprachenvielfalt. «Wir haben in Graubünden nicht nur Vielfalt in den Bergen und Seen, sondern auch in der Sprache», begrüsste Gian-Paolo Curcio, Rektor der PHGR, die Gäste in der bis auf den letzten Platz besetzten Aula. «Ohne Sprache gibt es keine Zukunft, keine Vergangenheit und auch keine Kultur.» Und nicht zuletzt passend zur Veranstaltungsstätte verwies der Hochschulrektor darauf, dass Sprache für die Bildung essenziell sei, indem sie «Wissen vermittelt».

Vincenzo Todisco, Co-Leiter der Sonderprofessur integrierte Mehrsprachigkeitsdidaktik (IMD) sprach über die grosse Sprachenvielfalt an der PHGR: «Deutsch, Romanisch, Italienisch, Englisch, Spanisch, Albanisch, Polnisch, Finnisch, Koreanisch und sogar Gälisch sprechen die Studierenden der PHGR.» Insgesamt seien mehr als 30 verschiedene Sprachen und damit genauso viele unterschiedliche Kulturen präsent. Doch sogar innerhalb einer Sprache gebe es Vielfalt: «Wir müssen nur nach Haldenstein gehen und schon sprechen die Menschen ein wenig anders als in Chur.»

Carobbios grosser Auftritt

Hier knüpfte die höchste Schweizerin bei ihrem Vortrag zur Bedeutung er Sprachenvielfalt an. Nationalratspräsidentin Carobbio Guscetti meinte in ihrer Rede kurz und bündig: «Wir müssen dankbar sein für die Mehrsprachigkeit unseres Landes – das ist unsere Stärke».
Doch diese «Stärke» müsse auch gepflegt werden. «Deshalb habe ich dieses Jahr alle Nationalratssitzungen auf Italienisch geleitet.» Und es habe etwas gebracht: «Die Voten auf Italienisch haben sich im Vergleich zum vergangenen Jahr verdoppelt.»

Für Carobbio Guscetti geht es dann beim Sprachenlernen auch um mehr als darum, ein paar Vokabeln zu büffeln. «Eine Sprache zu lernen, bedeutet in eine andere Kultur einzutauchen und gibt eine andere Sicht auf das Leben.»

Zum Abschluss der Veranstaltung sagte Rico Cathomas, Co-Leiter der Sonderprofessur IMD, in einem Podiumsgespräch: «Zweisprachigkeit bedeutet nicht generell Überforderung» und Vincenzo Todisco ergänzte: «Wir müssen uns von der Idee, dass wir eine Fremdsprache nach der Schule perfekt beherrschen, verabschieden. Sprachen lernen, bedeutet lebenslanges Lernen.»

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