Carl
Bossard, ehemaliger Rektor der Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor der PH
Zug, ist ein leidenschaftlicher Lehrer. Seine Vorträge sprühen von Witz und
reicher pädagogischer Erfahrung. Bossard scheut sich aber auch nicht, Klartext
zu sprechen über unser Bildungssystem – er ist für jeden Bildungsinteressierten
ein Augenöffner. Für Bossard ist die Beziehungsebene zwischen Lehrer und
Schüler zentral für den Lernerfolg. Ein Referat in Zürich.
Carl Bossard in Aktion, Bild: Timotheus Bruderer
Schulkinder suchen keinen Coach. Sie wollen einen Häuptling, 21.11. von Urs Kalberer
Zuerst
stellt der Referent die Begrifflichkeit von «Autorität» klar. Wegen seiner Nähe
zum negativ konnotierten Adjektiv «autoritär» kam der Wortgebrauch in den Dunstkreis
des Parteiischen oder sogar Tyrannischen. Dabei wünschen sich die Eltern und selbst
die Lehrer nichts anderes als einen Experten, einen Spezialisten für den Umgang
mit den Schulkindern – eben eine Autorität.
Schulhausarchitektur
Im Laufe
der Zeit wandelte sich das Bild des Lehrers in der Öffentlichkeit: Vom
ehemaligen Prestige ist heute nicht mehr viel übriggeblieben. Dieser
Machtverlust spiegelt sich auch in der Architektur der Schulbauten. Früher
betrat man das Schulhaus, das sich an prägnanter Lage im Dorf befand, durch ein
eindrückliches Portal. Von Jahr zu Jahr
stieg man höher im Gebäude, das eine Aura von Ordnung und Stabilität
ausstrahlte. Heute sind Schulbauten weniger respekteinflössend, weniger
hierarchisch gebaut. Das ehemalige Machtgefälle zwischen Lehrer und Schüler ist
viel kleiner geworden. Farben, Zeichnungen, Spielgeräte etc. erwecken den Eindruck
eines Ortes, der vielseitig und divers ist.
Schulhaus
Wangen an der Aare (Schulhaus Nord), Kanton Bern. Bild: http://www.picswiss.ch/ Foto: Roland Zumbühl
Schulhaus
Maihof, Schindellegi, Kanton Schwyz, Bild: http://www.picswiss.ch/
Foto: Roland Zumbühl
Das
Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Ordnung muss man aushalten können. Ein
guter Lehrer pendelt zwischen diesen Polen. Ein Ordnungsfanatiker kommt ebenso
wenig weit wie einer, der konzeptlos von einer Idee zur nächsten hüpft. Es
braucht einerseits Ordnung, andererseits die Freiheit Unerwartetes zuzulassen.
Einstein prägte das Bonmot: «Ohne Chaos kann nichts entstehen, ohne Ordnung
kann nichts bestehen». Ein guter Lehrer führt und wirkt gleichzeitig
fürsorglich. Kinder wollen einen verständnisvollen Häuptling.
Die
Wichtigkeit der Führung im Klassenzimmer wird auch durch die Forschung von Hattie
belegt. Besonders lernförderlich ist ein Unterricht, in dem die Schüler durch
klare Ziele und strukturierte Lernumgebungen geführt werden. Führung und Fürsorge
implizieren auch, dass die Lehrkraft den Mut zu einem Nein hat. Solchen
Autoritäten gegenüber empfindet man Respekt.
Der
Referent leitet über zu immerwährenden pädagogischen Wahrheiten. Dazu zählt er
die Wichtigkeit der Beziehung zwischen Lehrer und Kind. Bildung braucht
Beziehung. Diese Bindung führt durch den Unterricht zu Anregungen, welche erst
Lernen auslösen. Das Ich braucht ein Gegenüber. Doch das Ziel der Schule kann
sich nicht in Beziehungsarbeit erschöpfen, Beziehung bildet die Basis für erfolgreichen Unterricht. Dieses zentrale Fundament des Lernens ist heute durch
verschiedene Einflüsse bedroht. Eltern, Politiker, Medien, Verwaltung und die
Wirtschaft: Sie alle wollen sich auch einbringen ins System Schule, was die
Aufgabe des Lehrers nicht einfacher macht. Die Einschränkung der methodischen
Freiheit wie sie in der Lehrerbildung zum Vorschein tritt, aber auch die Aufblähung
der Verwaltung sind dabei starke Steuerungsfaktoren.
Dr. phil. Carl Bossard: Coach oder Häuptling? Zürich, 19. November
2019
Organisation:
Starke Volksschule Zürich
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