Wir alle können in der Politik mitreden und
mitbestimmen, sofern man natürlich den Schweizer Pass hat. Die Demokratie
gehört zum Selbstverständnis der Schweiz. Allerdings ist sie nicht
selbstverständlich. In verschiedenen Ländern in Osteuropa etwa, gerät die
Demokratie unter Druck und auch hierzulande steht sie vor Herausforderungen,
seien es Populismus, Fake-News oder die zunehmende Polarisierung.
Mündige Bürger und stärkere Demokratie dank neuem Schulfach, SRF Regional, 21.11. von Stefan Brand
Die Schweizer Politik hat bereits auf diese Tendenz
reagiert und stärkt im neuen Lehrplan 21 die politische Bildung. Der Kanton
Aargau macht daraus gar ein eigenes Schulfach, als einziger Kanton der
Deutschschweiz. Andere Kantone integrieren die politische Bildung etwa in den
Geschichtsunterricht, im Aargau ist während der 9. Klasse eine Wochenstunde für
politische Bildung reserviert. Lehrerinne und Lehrer haben am Mittwochabend in
Aarau mit Experten diskutiert, wie man den Schülerinnen und Schülern Politik
wirklich näherbringen kann.
Wie könnte der Unterricht in politischer Bildung im
Schulalltag konkret aussehen? Darüber hat SRF mit Jan Scheller gesprochen.
Scheller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Zentrum für Demokratie in
Aarau mit Schwerpunkt politische Bildung.
SRF: Wie kann man politische Bildung in der Schule
konkret vermitteln, damit aus Schülern mündige Bürger werden, wie es das grosse
Ziel der politischen Bildung ist?
Jan Scheller: Wir plädieren dafür, dass man an ganz
konkreten Fallbeispielen aufzeigt, welche Positionen es gibt, welche Interessen
und welche Akteure im Spiel sind. Wenn man all dies weiss, kann man ein eigenes
politisches Urteil fällen.
Was müssen die Lehrpersonen im Unterricht konkret
beachten?
Der wichtigste Punkt: Die Lehrpersonen müssen eine
Leitfrage entwickeln, zu der die Schüler einen Bezug haben. Zum Beispiel bei
Terrorismus geht es einerseits um die Frage nach möglichst genauen Kontrollen
und andererseits um die Freiheit der Bürger. Dieses Spannungsfeld sollten die
Lehrer auf ein konkretes Fallbeispiel runter brechen, zu welchem die Schüler
einen Bezug haben.
Es geht also um mehr als einfach nur zu zeigen, wie
man den Wahlzettel richtig ausfüllt. Es geht um Meinungsbildung. Dies kann
heikel sein, schliesslich sollte Unterricht doch neutral sein?
Lehrer dürfen bei kontroversen Themen nicht unter
den Tisch fallen lassen, dass es kontrovers ist. Wenn es mehrere Meinungen
gibt, dürfen sie eben nicht sagen, es gibt nur eine Meinung. Das ist die ganz
grosse Aufgabe der Lehrpersonen. Was Lehrer nicht können, ist alle möglichen
Positionen zu einem Thema ausserhalb des demokratischen Spektrums zu
thematisieren, also etwa Verschwörungstheorien.
Aber die Lehrer müssen entscheiden, welche
Positionen sie den Schülern vermitteln, sie müssen selektieren. Dies kann zu
Vorwürfen führen, dass die Kinder politisch manipuliert würden.
Deshalb müssen sich die Lehrer intensiv in die
Problemstellung einarbeiten. Es ist wichtig, dass man zum Beispiel nicht nur
Positionen aus dem linken Spektrum ausführt, sondern auch aus dem rechten.
Normalerweise können Lehrpersonen in der Schule
Lösungen mit richtig oder falsch bewerten, das ist bei politischer Bildung ja
kaum möglich. Wie misst man die Leistung der Schülerinnen und Schüler hier?
Bei einigen Fragestellungen ist es auch in der
politischen Bildung schon möglich, Antworten als richtig oder falsch zu
bewerten. Zum Beispiel, wenn es um Personen oder Parteien geht. Wenn es aber um
die Bewertung von Argumenten geht, dann muss es um plausible und weniger
plausible Argumente gehen und nicht um richtige und falsche. Das heisst: Wie
gut begründet ein Schüler seine Aussage? Geht er auf Gegenargumente ein und
entkräftet er diese? Das muss dann der neue Wertmassstab sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen