Das Ende des lähmenden Lehrmittelstreits, BZ Basel, 15.11. von Michael Nittnaus
Die Rede
ist vom Lehrmittelstreit in Französisch und Englisch. Vom sechskantonalen
Passepartout-Projekt, das die Lehrmittel Mille feuilles, Clin d’Oeil und New
World in Baselland 2012 zur Pflicht machte. Jene Lehrmittel also, denen die von
den Passepartout-Kantonen selbst in Auftrag gegebene Schluss-Evaluation durch
das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Fribourg kürzlich ein
miserables Zeugnis ausstellte. Die Forscher untersuchten die
Französischkompetenzen am Ende des 8. Schuljahres. Das Ergebnis lässt kaum
Deutungsspielraum: Die von der Erziehungsdirektorenkonferenz festgelegten
Grundkompetenzen (Niveau A 1.2) erreichten im Hörverstehen zwar 87 Prozent der
getesteten Schüler, im Leseverstehen waren es noch 62
Prozent, im Sprechen aber nur noch 42,5 Prozent. Die Passepartout-Lernziele
verlangen allerdings das höhere Niveau A 2.1. Dieses erreichten beim Hören 57,
beim Lesen 33 und beim Sprechen gerade noch 11 Prozent der Schüler.
Das
Komitee Starke Schule beider Basel, das hinter der Volksinitiative steht, hält
deshalb im Abstimmungsbüchlein knallhart fest: «Mille feuilles ist
unbrauchbar.» Und es empfiehlt, ein Ja einzulegen. Doch wer glaubt, damit der
ursprünglichen Forderung der Starken Schule zum Durchbruch zu verhelfen, dass
die drei Passepartout-Lehrmittel «an den Volksschulen nicht mehr eingesetzt
werden dürfen», der irrt. Denn zur Abstimmung kommt nicht die Volksinitiative,
die sogar im Landrat eine Mehrheit fand, sondern die Umsetzungsvorlage der
Regierung.
Diese
sieht keinesfalls ein Verbot von Mille feuilles, Clin d’Oeil und New World vor.
Und das ist gut so. Denn tatsächlich halten längst nicht alle Lehrer diese für
unbrauchbar. So hat etwa die Baselbieter Primarlehrerkonferenz schon 2018 eine
Petition verabschiedet, in der sie die Lehrmittel verteidigt. Statt eines
Verbots heisst die Lösung von Bildungsdirektorin Monica Gschwind «geleitete
Lehrmittelfreiheit» – und das über alle Fächer. Die Freisinnige hat damit wohl
einen gordischen Knoten gelöst. Sie wird allen gerecht. Denn neu soll jeder
Lehrer frei aus einer von fächerspezifischen Arbeitsgruppen evaluierten
und vom Bildungsrat verabschiedeten Liste an Lehrmitteln auswählen dürfen. Fest
steht bisher nur eines: Mille feuilles, Clin d’Oeil und New World erhalten
weiter einen Platz. Die Starke Schule geht freilich davon aus, dass schon in
wenigen Jahren kein Lehrer mehr auf sie setzt. Wenn doch, so würden die neuen
Lehrpläne mit ihren klareren Jahres-Lernzielen
dafür sorgen, dass keine Klasse stofflich abgehängt wird.
Wie die
bz weiss, sind in Französisch mindestens drei weitere Lehrmittel vorgesehen, in
Englisch deren fünf. Der Bildungsrat wird die definitiven Listen aber erst nach
der Abstimmung verabschieden. Eingeführt werden soll die Lehrmittelfreiheit
bereits
ab dem
nächsten Schuljahr Mitte 2020 – und das laut gut unterrichteten Quellen für
alle Stufen gleichzeitig. Hier hat Gschwind äusserst sportlich geplant. Es wird
nämlich zur etwas grotesken Situation führen, dass zumindest in der
Anfangsphase Mille feuilles in den 3. und 4. Primarklassen praktisch
alternativlos bleibt. Denn auf dem Markt gibt es für Frühfranzösisch schlicht
noch nichts anderes. Hinter den Kulissen laufen zwar Gespräche mit anderen
Verlagen, doch so schnell steht kein neues FranziLehrmittel bereit.
Etwas
steht übrigens fest: Stimmt das Volk in einer Woche der Vorlage zu, wird die
Starke Schule nicht noch mit einer Verbots-Initiative nachtreten. Alt Landrat
Jürg Wiedemann hätte zwar eine solche fixfertig in der Schublade, inklusive
2000 Unterschriften. Auf Anfrage sagt er aber, dass diese gestorben sei, sobald
der Bildungsrat auch wirklich andere Lehrmittel auf die definitive Liste packt.
Und daran bestehen keine Zweifel. Daher wäre der lähmende Lehrmittelstreit
tatsächlich beendet – zumindest in Baselland.
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