30. Oktober 2019

Rationaler Diskurs unmöglich

Die beiden Leserbriefe zum Mille feuilles-Artikel in der NZZ könnten konträrer nicht sein. Zu Recht weist Professor Wachter darauf hin, dassbeim Sprachunterricht ein antiakademischer Reflex vorherrscht, den man mit«horror grammaticae» bezeichnen könnte. Allerdings übersieht er, dass die Mehrsprachigkeitsdidaktik, die lic.phil. Le Pape Racine als «Weiterentwicklungdes Sprachunterrichts» bezeichnet, mit ihren Sprachvergleichen (bereits ab der dritten Primarklasse) grammatikalisch sehr anspruchsvoll daherkommt. So sollen die Kinder in mehreren europäischen Sprachen die Verneinung wissenschaftlich analysieren, wenn es nur darum ginge zu lernen, dass es heisst «Elle ne dort pas.» Le Pape folgt in ihrer Schelte dem bewährten Muster, dass ein unqualifizierter Rundumschlag die beste Verteidigung ist: Sie ortet eine Mitte-Links-Verschwörung und weiss von einer jahrzehntelangen Gegnerschaft, obwohl das diskutierte Lehrmittel erst seit 8 Jahren im Gebrauch ist. Pedantisch mit moralingetränktem Furor reitet sie auf Vokabeln im Artikel herum. Sie hat offenbar die Bäume gesehen, nicht aber den Wald. Sachliche Argumente sucht man vergeblich. Kein Wort verliert sie über die Tatsache, dass inzwischen vier gross angelegte, evaluierende Studien den Absturz ihrer Didaktik belegen. Notabene Studien, welche die Passepartout-Verantwortlichen selbst in Auftrag gegeben haben und die, einem deus ex machina gleich, die Kritiker eigentlich zum Verstummen hätten bringen sollen. Nun, da die Evaluation zum Bumerang geworden ist, werden sie aus dem Bewusstsein weggezappt. Auch nicht der Hauch eines leisen Zweifels vermag den Glauben von Frau Le Pape Racine zu erschüttern. Vielmehr soll man sich denjenigen anschliessen, die auf dem untergehenden Kahn noch Hosianna rufen und an wundersame Rettung glauben. Bereitschaft zu einem rationalen Diskurs scheint definitiv nicht die Stärke der ehemaligen PH-Dozentin zu sein.
Felix Schmutz, 30.10.

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