29. Oktober 2019

Mille-feuilles Kritiker schuld am schlechten Ruf des Lehrmittels

Als jahrzehntelange Abonnentin der NZZ habe ich mich gewundert über den Artikel betreffend das Lehrmittel «Mille feuilles». Er erinnerte mich an die Zeiten, als Französisch unter lauten und kritischen Stimmen in die Primarschule vorverschoben wurde, an ähnliche Aufschreie, als Französisch und Englisch in der Primarschule gelernt werden sollten, an die Kritik am Englischlehrmittel «Voices» im Kanton Zürich, an diejenige zum Lehrplan 21 oder auch an die Stimmen gegen Standarddeutsch im Kindergarten. Die Kritiker, die im Artikel zu Wort kommen, arbeiten in einem Schwarz-Weiss-Schema mit einer aggressiven,martialischen, übertriebenen Semantik, mit Begriffen wie «Kampf» und «Gegner», «pauken»,«verheerend», «gescheitert», «miserabel», «Desaster», «Debakel», «Bildungszertrümmerung»,«Verheizen von Schülerinnen und Schülern» und mit gewagten Prophezeiungen.
NZZ, 28.10. Leserbrief von Christine Le Pape Racine


Was auffällt: Es sind seit Jahrzehnten immer dieselben wenigen Personen, die gut mit politischen Milieus vernetzt sind (gemäss ihrer Website «Mitte-links»-Kreise), die sich in der Deutschschweiz gegen die Weiterentwicklung des Sprachenunterrichts wenden. Wenn das Lehrmittel inzwischen einen solch schlechten Ruf hat, wie sie behaupten, dann ist es zu einem grossen Teil ihr «Verdienst», denn die «regelrechte Protestwelle» durch die Kantone treten vor allem sie los. Enttäuscht hat mich die Tatsache, dass die NZZ-Journalisten im Artikel vor allem eine Seite zu Wort kommen lassen und deren Aussagen übernehmen. Ausser einer Vertreterin des Basler Erziehungsdepartements wurde offenbar keine beteiligte Fachperson, keine Lehrwerkautorin, keine von «Mille feuilles» begeisterte Lehrperson, niemand, der eine oder zwei andere Perspektiven vorgelegt hätte, befragt. Jede pädagogische Neuerung birgt ihre Schwierigkeiten, braucht Zeit und muss auch immer wieder in einem differenzierten Dialog revidiert werden. Auf einem Blog, den die Kritiker bewirtschaften, liest man den Satz von Nietzsche: «Jedes Sehen ist perspektivisches Sehen.» Dem kann ich nur beipflichten.

3 Kommentare:

  1. Christine Le Pape Racine referierte an der DV des Lehrervereins Baselland vom 24. September 2014. Hier ein Protokollauszug ihrer Rede:

    Der Hauptfokus des Kurzreferats von Frau Le Pape Racine liegt auf dem Wandel der Gesellschaft (Stichwort Globalisierung), der es erforderlich mache, in der Schweiz zwei Fremdsprachen zu können. Die Kinder hätten heute das Recht und die Pflicht, zwei Fremdsprachen zu lernen. Wenn die Fremdsprachen in der Primarzeit angelegt würden, käme jedes Kind zum Zug, andernfalls könnten auf der Oberstufe die Fremdsprachen abgewählt werden. Gleichzeitig sei eine neue Didaktik der funktionalen Mehrsprachigkeit entstanden, die alte Didaktik des getrennten Sprachenlernens sei überholt. Im Projekt Passepartout, einem didaktischen Entwicklungsprojekt, werde nun eine interkantonale Harmonisierung angestrebt. Im Passepartout-Lehrplan seien drei Bereiche verbindlich: 1. Die kommunikative Sprachhandlungsfähigkeit; 2. das Bewusstsein für Sprachen und Kulturen; 3. der systematische Aufbau von Sprachlernstrategien. Da es ein langjähriges Projekt sei, klappe vieles nicht sofort. 2018 werde das Gesamtprojekt evaluiert. Die Lehrmittel würden nach einer ausgiebigen, zweijährigen Testphase eingeführt werden. Gemäss dem Motto «Older is faster, younger is better», verbunden mit der Ergänzung «nur unter bestimmten Bedingungen», ist Frau Le Pape Racine davon überzeugt, dass Frühfremdsprachen ihre Berechtigung haben.

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  2. Mehr zu Frau Le Pape Racine und ihren didaktischen Konzepten https://schuleschweiz.blogspot.com/2014/09/fruhfranzosisch-veranstaltung-geriet.html

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  3. Frau Le Pape Racine hat auch publiziert: https://www.youtube.com/watch?v=ZJfok2z89KU

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