Eigentlich hätte dieser Artikel vor zwei Wochen erscheinen sollen. Mitte
Herbstferien schickte diese Zeitung eine Anfrage an das Schulamt – das Ziel
war, eine Klasse zu begleiten, die am ersten Tag nach den Schulferien freudig
ihre neuen iPads auspackt. In grossen Paletten waren zuvor 7900 Tablets an alle
Stadtberner Schulen verteilt worden, mit Anschaffungskosten von rund 12,1
Millionen Franken. Wir wollten zusehen, wie sich die Schülerinnen und Schüler
erstmals einloggen und die neuen Apps ausprobieren würden.
Zwei Wochen nach Ende der Schulferien war ein Klassenbesuch noch immer
nicht möglich. Nicht ohne Grund. Mängel der neuen Plattform Base4kids2
erschweren das Arbeiten in einzelnen Schulen «stark», wie das Schulamt am
Freitag in einem Brief an alle Lehrpersonen schrieb. Gewisse Geräte melden sich
von selbst wieder ab, drei Tage lang gab es Probleme mit den Passwörtern.
Chaos um iPads an Stadtberner Schulen, Berner Zeitung, 29.10. von Jessica King
Lehrer berichten zudem von Druckschwierigkeiten, von Dokumenten, die in
der neuen Open-Source-Software Collabora plötzlich anders formatiert sind, von
verlorenen Dateien, die zeitraubend aufgespürt werden müssen. Zudem können
Lehrpersonen noch nicht selber Passwörter zurücksetzen. Das Schulamt hat
bereits einen eigenen Chat und eine Telefonnummer eingerichtet, die von
Lehrpersonen rege benutzt werden. Im Brief versichert das Schulamt, dass eine
verbesserte Version der Collabora-App getestet wird. Die Feedbacks würden
berücksichtigt.
Überraschende Probleme
«Ein solch grosses Projekt ist eine riesige Herausforderung», sagt Jörg
Moor, stellvertretender Leiter des Schulamts, das die Federführung für
Base4kids hat. Es handle sich um den bisher grössten Open-Source-Auftrag im
schulischen Umfeld der Schweiz.
Mit Kinderkrankheiten müsse man immer rechnen, sie seien leider nicht
davon verschont worden. «Einige der Probleme zu Beginn waren aber auch für uns
überraschend.» Zudem hätten technische Pannen von bisher gut laufenden Systemen
die Lage erschwert – so konnten beispielsweise in drei Schulhäusern die alten
Notebooks keine Verbindung mehr mit dem WLAN herstellen.
In verschiedenen Schulen benutzen die Kinder die neuen Geräte deshalb
noch gar nicht. Etwa im Tscharnergut, wo GFL-Stadtrat und Lehrer Manuel C.
Widmer unterrichtet. «In unserem Lehrerzimmer gibts kein anderes Thema als die
iPads», sagt er. «Momentan bereiten die Tablets den Lehrern derart
Schwierigkeiten, dass ein Unterricht damit gar nicht möglich ist.»
In der Primarschule Rossfeld startet vorerst eine Klasse mit dem iPad im
Unterricht. Nach einem internen Pilotversuch erhalten die anderen Klassen
schrittweise bis Februar ihre Tablets, sagt Lehrer Sebastian Grünig. «Wir
können dann auf unsere internen Erfahrungen aufbauen und die Anfangsprobleme
abfedern.» Dritt- bis Sechstklässler teilen sich dann zu zweit ein Gerät, bei
den Jüngsten ist ein Gerät pro vier Schüler budgetiert. Oberstufenschüler und
Lehrer erhalten leihweise ein persönliches iPad.
Bereits verschoben
Dass einige Schulen mit der Einführung von Base4kids2 zuwarten, war dem
Schulamt bekannt. «Die Abnahme durch das Schulamt und projektbeteiligte
Lehrpersonen ergab, dass die Schüler nach den Herbstferien mit gewissen
Einschränkungen damit arbeiten können», sagt Jörg Moor. Bisher habe sich rund
einen Drittel der Nutzer erfolgreich angemeldet. Täglich benutzten rund 2000
User Base4kids2 – von insgesamt 1400 Lehrpersonen und 10'000 Schülerinnen und
Schülern.
Ursprünglich war geplant, dass die Lehrer die iPads nach den
Sommerferien verteilen. Einerseits wollten die Projektleiter verschiedene
Funktionalitäten ausführlicher testen und optimieren, andererseits wollte man
den Schulen mehr Zeit für die Vorbereitung zugestehen, erklärt Jörg Moor die
Verspätung. Ein Beispiel für die Komplexität bei der Entwicklung war, dass sich
Schüler und Lehrpersonen nur einmal auf dem Tablet anmelden sollen. Und nicht für
jede einzelne App wieder Log-in und Passwort eingeben müssen.
Obwohl die Umstellung ein Zusatzaufwand ist, freut sich Sebastian Grünig
auf die iPads. «Die Möglichkeiten sind riesig», sagt er. «Wir können die
Schülertablets steuern – Bildschirme einfrieren, Inhalte sperren. Diese
Kontrolle hatten wir mit den alten Laptops nicht.» Auch die sogenannten Shared
Documents – Dateien, die von mehreren Schülern gleichzeitig bearbeitet werden
können – erwartet er mit Spannung. Und: «Endlich haben wir genügend Geräte für
alle!»
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