Zu wenig Informatik, zu konservativ, zu wenig auf
den Arbeitsmarkt ausgerichtet: Das Bildungssystem, liest man regelmässig, halte
nicht mit den Ansprüchen der Wirtschaft und der zunehmenden Digitalisierung mit. Zwei Zürcher Unternehmer finden: Um für die Zukunft
gewappnet zu sein, brauche es keine neuen Lehrpläne, sondern einen
grundsätzlichen Systemwandel.
Müssen wir das Lehren neu lernen? SRF, 14.9. von Gina Messerli
Lernen für die Zukunft
«Ich bin davon überzeugt, dass wir mit den
bisherigen Rezepten nicht mehr weiterkommen», meint Christian Müller, Ökonom
und Journalist.
Die jetzige Generation sei die erste, die sich
nicht mehr um materiellen Wohlstand kümmern müsse. Dafür sei sie mit globalen
Herausforderungen und vielen Möglichkeiten konfrontiert. Deshalb sei es
wichtig, die Fähigkeiten und Ausgangslage jedes einzelnen optimal abzuholen.
Aus diesem Grund hat Christian Müller zusammen mit
Daniel Straub, Coach und ehemaliger Leiter einer Montessori-Schule, Intrinsic
gegründet. Das Unternehmen vermittelt den Menschen die Methode des sogenannten
intrinsischen Lernens.
Darin sehen die beiden Gründer ein grosses
Potenzial für die kommende Zeit. Am Intrinsic Campus, einer Unterdivision des
Unternehmens, werden Lehrpersonen für die Schülerinnen und Schüler der Zukunft
fit gemacht.
Anleiten anstatt beibringen
Intrinsisch zu lernen: Das heisst im Wesentlichen,
aus eigener Motivation heraus zu lernen. Aber auch: «Es gibt kein Curriculum.
Sondern mein Lernweg führt mich zu meinem Interesse», sagt Daniel Straub.
Gelernt wird im eigenen Tempo. Und so, wie es einem
behagt. Die Lehrpersonen vermitteln nicht mehr den Stoff, den man, so Müller,
auch in Top-Qualität auf Youtube finde. Sie helfen den Schülerinnen und
Schülern, sich im Dschungel der verfügbaren Informationen zurechtzufinden.
Die angehenden Lehrpersonen lernen ähnlich, wie
ihre Schützlinge das später auch tun sollen: praxisorientiert, mit einem hohen
Betreuungsangebot durch ExpertInnen und Coaches und ausgehend von den eigenen
Bedürfnissen und Kapazitäten.
Eine verkappte Vision?
Nicht alle sind von den Zukunftsvisionen der beiden
Zürcher begeistert. Der Philosoph Konrad Paul Liessmann beispielsweise findet
harsche Worte für das Unterfangen: «Die Vorstellung, dass der Computer oder
Youtube das Lernen übernimmt und der Lehrer zum blossen Anleiter reduziert wird,
ist eine vollkommen unsinnige Vorstellung.»
Lernen sei nicht bloss ein rezeptiver, sondern vor
allem auch ein sozialer Prozess, bei dem es wichtig sei, dass Kinder lernen,
miteinander auszukommen und auch mal miteinander zu ringen oder zu streiten.
Auch die Philosophin und Kulturjournalistin Catherine
Newmark sieht das Konzept des intrinsischen Lernens in einem kritischen Licht:
«Es gibt Strecken, wo die innere Neugierde nicht so gross ist. Wir sind Wesen,
die ab und zu Zwang brauchen».
Ob intrinsisches Lernen wirklich Zukunft hat, wird
sich bald zeigen: Der erste Studiengang mit den Lehrkräften von morgen startet
am 16. September an der Talstrasse in Zürich und gibt 20 Studierenden die
Gelegenheit, sich über drei bis fünf Jahre zur Primarlehrperson ausbilden zu
lassen.
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