24. September 2015

Zeugnis vs. Computertest

Die Sekundarschule ist zu einem Labor verkommen: Bis zur 9. Klasse hat ein Schüler gegen fünf computerbasierte Tests gemacht: Den Auftakt macht in der 8. Klasse der obligatorische Stellwerktest, der 35 Franken pro Schüler kostet. Dann folgen Berufseignungstests wie Multi- und Basic-Check (je 100 Franken) sowie weitere fachspezifische Eignungsprüfungen. Nicht zu vergessen: Das Übungsmaterial des Stellwerktests in der 9. Klasse, das zusätzlich kostet. Diese Cashcow hat die Nachhilfeindustrie nicht verschmäht. Das Lernforum etwa bietet Vorbereitungskurse an. Auf der Website des Lernforums heisst es: «Eigentlich sollten diese Tests nicht durch ein Training ‹verfälscht› werden, aber die Resultate nach dem Kurs sind sehr gut.» Willkommen im florierenden Wirtschaftszweig Schule!













Resultat ist tagesformabhängig: Stellwerktest an einer Sekundarschule. Bild: Simon Tanner
Warum Zeugnisse besser sind als Computertests, Mamablog, 24.9. von Patrick Hersiczky


Was aber diese Tests tatsächlich bringen, ist umstritten. Gerade beim obligatorischen Stellwerktest, der mit der Reform zum 9. Schuljahr einhergeht, habe ich meine Zweifel. Immer wieder kommt es vor, dass meine Schüler Testergebnisse erzielen, die nicht meiner Notengebung entsprechen. Dem kann man entgegenhalten, dass ein solcher Test jeden Schüler gleich behandelt. Der Computer vergibt bekanntlich keine Sympathiepunkte. Offensichtlich ist jedoch, dass Schüler mit einer guten Konzentrationsfähigkeit die besseren Chancen haben. Mit Schulwissen hat das nichts mehr zu tun.
Ich habe im Fach Deutsch den Stellwerktest schon selber gemacht und war überrascht über mein Ergebnis, das leider nicht der maximalen Punktezahl entsprach. Mein Problem war: Gerade bei Hörtexten wie etwa einer enorm langen Verkehrsdurchsage habe ich mir nicht alles merken können. Immerhin: Der Stellwerktest unterscheidet die Leistungen nach Lesen und Schreiben sowie Hören und Sprachreflexion. Letztlich ist es aber für einige meiner Schüler immer wieder eine Erfahrung, wie wenn man gegen eine Glaswand läuft: Es tut weh, weil man es nicht erwartet hat.
Problematisch ist zudem, dass sich Schüler und Lehrer miteinander vergleichen. Ich weiss von Fällen, bei denen besonders ehrgeizige Lehrer geholfen haben. Auch der Faktor Zeit spielt keine Rolle. Der Test ist adaptiv. Das heisst, er passt sich dem Wissen des Schülers an. Wenn der Computer genügend Antworten zur Auswertung hat, wird der Test beendet. Das kann von 20 Minuten bis gegen zwei Stunden dauern. Bei den privaten Tests wie etwa Multicheck wird der Zeitfaktor mitbeurteilt. Dafür kann man diese Eignungsprüfungen so oft machen, wie man eben 100 Franken aufwenden will. Interessant ist hier: Es gibt Schüler, die beim zweiten oder dritten Anlauf deutlich besser abschneiden, obschon sie sich nicht gross vorbereitet haben.
Es wäre wünschenswert, wenn anstelle dieser Testerei den Lehrern wieder mehr Vertrauen geschenkt und das Zeugnis berücksichtigt würde. Dieses zeigt nämlich die Leistung eines ganzen Semesters und nicht eine Tagesform. Letztlich möchte ich Schüler, die langfristig gute Leistungen erbringen – und zwar im Schulwissen wie auch in den sozialen Kompetenzen. Genau dies kann ein Computer aber glücklicherweise noch nicht beurteilen.

*Patrick Hersiczky ist Sekundarlehrer und nebenberuflich freier Journalist bei der «Aargauer Zeitung». Er ist Vater zweier Kinder (13 und 15) und lebt in Baden.


2 Kommentare:

  1. Schade , dass hier noch keiner einen Kommentar geschrieben hat.
    Warum?
    Diese ganze Testerei. Das ist doch eine reine Geldmacherei. Wer schon mal Kinder in dem Alter hatte, weiss wovon ich spreche. Multichek, Basicchek, jedesmal Fr. 100.- Und dann vielleicht schlechte Ergebnisse. Wer genug Geld hat schickt sein Kind so oft, bis es endlich stimmt für den Lehrberuf.

    Warum gibt es in der Schweiz keine Abschlussprüfungen, wie in Deutschland ??
    In Deutschland gibt es den
    Hauptschuabschluss, Realschulabschluss, und das Abitur.
    Bei jeden Prüfungen muss der Schüler beweisen, was er gelernt hat.
    Es gibt schriftliche und mündliche Abschlussprüfungen.
    Und das kostet die Eltern nichts.
    Aber die Schüler haben etwas in der Hand mi dem sie sich bewerben können.
    Liebe Schweiz, schon mal darüber nachgedacht so etwas einzuführen???
    Aber dann können andere ja nicht mehr daran verdienen.

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  2. Sie vergessen die Kurse für die Aufnahmeprüfung an weiterführende Schulen.

    Eine solche Abschlussprüfung wäre also noch ein Test mehr. Ausserdem ist die Validität solcher Tests sehr umstritten. Die Lehrer würden einen grossen Teil der Schulzeit mit der Vorbereitung auf diesen Abschlusstest "verbraten". Ist dies wirklich in Ihrem Sinn?

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