Kinder mit Lernbeeinträchtigungen zeigen in Regelklassen zwar teils
etwas bessere Leistungen, fühlen sich in Kleinklassen aber wohler. Weiter
herrsche in integrierten Klassen oft regelrechte Bahnhofsstimmung,
konzentriertes Arbeiten sei auch für gute Lerner teils nur mit Gehörschutz
möglich. Während die schulische Integration den Kanton und die Gemeinden hohe
Summen kostet, führe sie zu neuer Separation der schulisch Stärkeren und besser
Betuchten. Diese und andere Schlüsse zogen drei Referenten an einer
Veranstaltung am 27. September 2019 in der Helferei in Zürich, zu der der
Verein «Starke Volksschule Zürich» eingeladen hatte, um über das Thema
Kleinklassen zu diskutieren.
Schulintegration führt zu Bahnhofsstimmung im Klassenzimmer, Medienmitteilung Verein Starke Volksschule Zürich, 30.9.
Mit dem Gehörschutz im Klassenzimmer
Von der Theorie ging’s mit Yasmine Bourgeois
umgehend in die Alltagspraxis. Die zweite Referentin ist selber
Mittelstufenlehrerin und Mitglied der Kommission für Bildung und Sport im
Zürcher Gemeinderat. An Beispielen, die sie selber erlebt hatte, führte sie den
Anwesenden den schwierigen Alltag in integrativen Regelklassen vor Augen: Im
Klassenzimmer herrsche eine Bahnhofsstimmung, es sei ein Kommen und Gehen und
ein zeitgleiches Nebeneinander von verschiedensten Tätigkeiten. Kinder, die
sich auf ihre Arbeit konzentrieren wollten, hätten oftmals Mühe und würden
deshalb etwa in der Stadt Zürich mit Gehörschutz ausgerüstet. Die geschilderten
Erlebnisse bestätigten die Erkenntnisse von Dr. Eliane Perret und zeigten auf,
dass die Integration genau das generiere, wovon die Reformen die
Sonderschulkinder befreien wollten: Stigmatisierung finde in Regelklassen erst
recht statt.
Regelklasse ja, aber nur
soweit möglich
Als Einschub
unterbreitete Dr. Marianne Wüthrich, Berufsschullehrerin in Pension und Vorstandsmitglied
des Vereins, dem Publikum rechtliche Grundlagen aus internationalen, nationalen
und kantonalen Regelungen. Ihre Bilanz: Kleinklassen sind nach wie vor nicht
verboten. Eltern hätten die Möglichkeit, mit den Gemeindebehörden eine Lösung
für ihre Kinder zu fordern und zu finden. Weiter wies sie darauf hin, dass das
Sonderschulkonzept des Kantons Zürich vorsieht, dass Sonderschulkinder «soweit
möglich» in Regelklassen unterrichtet werden sollen aber nicht «um jeden
Preis», wie es in der Praxis leider oftmals gelebt wird.
Einen gangbaren Mittelweg finden
Die Integrationsbemühungen lässt sich der
Kanton ganz schön viel kosten. Dies zeigte der letzte Referent und Kantonsrat
Marc Bourgeois auf. Er ist zudem Mitglied der Kommission für Bildung und
Kultur. Rund 2 Milliarden Franken wendet der Kanton jährlich für unser
Bildungssystem auf. Deshalb müsse genau hingeschaut werden, wofür das Geld
ausgegeben wird. Anhand von Zahlen erläuterte Bourgeois, dass zwar ca. 50% der
Sonderschüler in Regelklassen integriert wurden, aber gleichzeitig die
Sonderschulquote massiv gestiegen sei. Die Integration habe also zu mehr
Sonderschülern geführt. Das Problem sei grundsätzlich, dass sowohl der Erhalt
der fragwürdigen Integration als auch Wiedereinführung von Kleinklassen massive
Kosten verursachen. Es gilt, einen gangbaren Mittelweg zu finden, der den
Schulkindern auf allen Leistungsstufen dienen muss!
Es muss sich etwas ändern
Die Diskussion im Anschluss verlief lebhaft
und teils kontrovers. Einig aber waren sich im Saal alle vor allem in einem
Punkt: Die Integration um jeden Preis hat einen zu hohen Preis. Es braucht eine
Rückbesinnung auf ein gesundes Mass. Dazu sei aber zuerst das Volk gefragt. Der
Verein «Starke Volksschule Zürich» ermutigt deshalb, dass betroffene Eltern
sich in den Gemeinden und Bezirken zusammentun, ihre Politiker auf Missstände
hinweisen und so ein Umdenken fordern.
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