Ganz schön auf Trab hält mich dieser Lehrplan
21! Ein Lehrplan, der ja gar nicht für die Lehrer gedacht ist und mit dem, so
wird jedenfalls behauptet, sich fast nichts ändern wird. Ein Lehrplan, der gar
nicht nötig gewesen wäre und nun doch die Gemüter erhitzt. Ich bleibe dabei,
ich kritisiere ihn.
Ade du schöne Harmonisierungs-Idee, Blog Südostschweiz, 22.6. von Elisabeth Calcagnini
Ich erkläre den Leuten, dass die Macher dieses Konzepts die heimliche
Anpassung des schweizerischen Bildungswesens an internationale Standards
wollen, von der Organisation für wirtschaftliche und Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) gepusht werden und ihre Interessen in erster Linie
profitorientiert sind. Ich lege das Scheitern des Konzepts in anderen Ländern
offen. Ich prognostiziere den vorauszusehenden Abbau von Fachwissen. Doch beim
Sammeln von Unterschriften oder an Veranstaltungen ist immer wieder das Gleiche
zu hören: Da haben so viele Experten daran gearbeitet, das hat schon so viel
Geld gekostet, jetzt machen wir das einmal. Wird schon nicht so schlimm sein.
Wir wollen doch in der Schweiz endlich
einmal die Schule harmonisieren!
Da hätte ja eigentlich niemand etwas dagegen. Doch wo bleibt die
hochgelobte Harmonisierung? Der Kanton Thurgau schert aus bei der
Fremdsprachenfrage. Im Kanton Appenzell wird die Umsetzung des Lehrplans 21
zwar angenommen, doch der Landamman befindet eigenmächtig und im Widerspruch
zum Lehrplan 21, dass weder selbstgesteuertes Lernen noch Lernlandschaften ein
Thema sind. Auch gegen Lerncoaches und altersdurchmischtes Lernen stellt er
sich, und das erste Kindergartenjahr soll freiwillig bleiben. Die Baselbieter
stimmen dafür, die bisherigen Fächer beizubehalten und schicken die
Sammelfächer bachab. Staatsrat Oskar Freysinger im Wallis umschreibt in zehn
wunderbaren Thesen eine Schule, wie sie sein soll, mit pädagogischen
Grundsätzen, die ihren Namen verdienen. Die Inhalte seiner Thesen grenzen sich
wohltuend ab von der Stossrichtung des Lehrplans 21. Freysinger will in der
Schule die Charakteristik des Kantons und was sich bewährt hat beibehalten, er
hat zwar nichts gegen die Einführung des Lehrplans, solange seine Thesen
weiterhin beherzigt werden. Die Appenzeller, Thurgauer, Baselbieter und
Walliser behaupten mutig die Kantonshoheit im Bildungswesen gegenüber der EDK,
die mit ihrer Verwaltungsvereinbarung die Kantonsparlamente übergangen hat. Hut
ab!
In allen offiziellen Grundlagenpapieren wird der Lehrplan 21 in erster
Linie als Instrument für die
Harmonisierung der Volksschule dargestellt. Doch gerade dieses
Ansinnen ist meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt. Der Lehrplan 21 wird
richtigerweise zurechtgestutzt, geändert, abgespeckt und relativiert. Für alle
Kantone gleich bleibt einzig das Gerüst der Kompetenzorientierung. Doch wer
garantiert mit so einem umfangreichen Katalog von genau ausformulierten
Leistungserwartungen, dass bei einem Kantonswechsel die Kinder wirklich ähnlich
kompetent sind? Die im Lehrplan 21 vermehrt verlangte Individualisierung lässt
das Ganze noch unglaubhafter erscheinen. Es ist vorauszusehen, dass diese
neoliberale Bildungsoffensive eher ein Abgleiten in disharmonische Inkompetenz
vorantreiben wird.
Und es ist ein Glück, dass in der Schweiz jeder Kanton seine
traditionell verankerten Eigenheiten schützt. Diese Vielfalt soll auch in
Zukunft erhalten bleiben.
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