9. Dezember 2019

Lehrerin erhält Lohn, darf aber nicht unterrichten


Seit zweieinhalb Jahren erhält Lateinlehrerin T. L. von der Sekundarschule Arlesheim-Münchenstein ihren Lohn, darf aber nicht arbeiten. Ihr wurden von der Schule schlicht keine Stunden mehr zugeteilt. Seither kämpft die Lehrerin dafür, dort wieder unterrichten zu dürfen.
Sekundarschule Arlesheim: Hier möchte die Lehrerin gerne unterrichten, Bild: Dominik Plüss
Die Lehrerin, die bezahlt wird, aber nicht unterrichten darf, Basler Zeitung, 9.12. von Dina Sambar


T. L. wurde zweimal entlassen. Beide Male wurde die Kündigung für nichtig erklärt, einmal durch einen Regierungsratsbeschluss, das zweite Mal durch das Kantonsgericht. T. L. ist demnach noch offiziell bei der Schule mit einem 30-Prozent-Pensum angestellt. Auf der Online-Liste der Lehrpersonen der Schule ist sie jedoch nicht verzeichnet.

Vater kämpft wie Löwe
Um die vertrackte Situation zu begreifen, muss man eine weitere Person einführen: Konrad Wyss, Vater von T. L. und ehemaliger Schulleiter der besagten Sekundarschule. Er verteidigt seine Tochter wie ein Löwe, denn er ist überzeugt: «Ich hielt einen der neuen Co-Schulleiter für inkompetent und liess ihn das auch spüren. Das rote Tuch bin ich. Sie wollen mich treffen und klopfen auf die Tochter.» Der Kampf seiner Tochter ist für ihn deshalb auch sein Kampf. Konrad Wyss ist es denn auch, der die BaZ kontaktiert. T. L. möchte sich nicht öffentlich zu dem Fall äussern, hat jedoch nichts dagegen, wenn ihr Vater und der Schulrat dies tun. Schulratspräsidentin Beatrice Müller widerspricht der Darstellung von Konrad Wyss: «Die Kündigung hat nichts mit dem Vater Wyss zu tun.»

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ein Grossteil der nackten Fakten lässt sich aus den Regierungsratsprotokollen und aus dem Gerichtsurteil herauslesen. Die erste Kündigung erfolgt im März 2017 mit der Begründung rückläufiger Schülerzahlen. Die Entlassung wird durch den Regierungsrat aufgehoben, weil T. L. nicht nur Latein unterrichten kann, sondern auch die formale Unterrichtsbefähigung für Deutsch und Geschichte hat. Anstatt ihr jedoch Deutsch- und Geschichtsstunden anzubieten, verlängerte die Schule Verträge mit befristet angestellten Lehrpersonen. Das verstösst gegen das Anciennitätsprinzip.

Das Argument der Schule, dass die Kündigung einer anderen Lehrperson keine Option gewesen sei, weil im Klassenzimmer die Kontinuität gewährleistet sein müsse, lässt der Regierungsrat nicht gelten. Der Schulrat muss T. L eine gleichwertige Stelle anbieten oder die Suche nach einer solchen einleiten. Da der Schulrat eine längerfristige Weiterbeschäftigung in Arlesheim-Münchenstein laut Regierungsratsprotokoll als unwahrscheinlich betrachtet, sucht die Schulleitung an anderen Baselbieter Sekundarschulen nach einer Stelle.

Diese Suche bleibt erfolglos – dies ist jedoch teilweise auch der Fehler der Schule, wie sich später zeigen soll. Im April 2018 wird T. L aber zunächst erneut gekündigt. Dieses Mal stützt der Regierungsrat die Kündigung. Doch T. L. zieht vor Gericht. Dass die Situation äusserst verfahren ist, zeigt ein Schreiben des Schulrats an das Verwaltungsgericht, einen Tag vor der Urteilsberatung. Darin steht, bei der Schulleitung sei erneut eine Drohmail von Konrad Wyss eingegangen. Mitglieder der Schulleitung und des Schulrats würden seit Jahren bedroht. Beatrice Müller bestätigt, dass man Strafanzeige gegen Wyss erhoben habe, die Staatsanwaltschaft die Mails jedoch nicht als bedrohlich genug erachtete.

Auch Konrad Wyss dementiert nicht: «Ich habe mitgemischt, weil es immer hiess, meine Tochter sei wegen mir nicht Kollegiums-tauglich», sagt Wyss, der angibt, in den Mails die Grenzen ausgelotet zu haben: «Ich habe Dinge geschrieben wie ‹Wir haben noch nicht abgerechnet› oder ‹ich zwinge Sie in die Knie›. Doch das waren keine Drohungen. Ich meinte die finanzielle Abrechnung und den juristischen Weg. Das darf ich schreiben.»
Im März 2019 erhält T. L. vor Gericht recht. Auch die zweite Kündigung muss aufgehoben werden. Denn in der Suchanfrage, die an sämtliche Sekundarschulen des Kantons ging, stand, dass T. L. nur Latein unterrichtet habe. Allerdings gab und gibt sie an einer weiteren Sekundarschule auch Deutsch und Deutsch als Fremdsprache. Diese Tatsache auszulassen, habe ihre Chancen deutlich verringert, entscheidet das Gericht. T. L. ist also noch mindestens bis im Sommer 2021 in Arlesheim-Münchenstein angestellt.

Urteilsbegründung zu spät
Trotz Kenntnis des mündlichen Urteils wurden T. L. jedoch wieder keine Stunden zugeteilt: «Der Hauptgrund ist, dass wir die Urteilsbegründung erst am 21. Juni erhalten haben, da waren längst alle Stellen für das neue Schuljahr besetzt. Auch befristet angestellten Lehrpersonen können wir erst wieder auf Ende Schuljahr kündigen», sagt Beatrice Müller und fügt an, dass es bei diesem Fall nun zwei Möglichkeiten gebe: «Entweder sie erhält im Sommer wieder ein Pensum, oder es gibt keine passende Stelle und man müsste ihr in der Folge kündigen.»

Dies erklärt jedoch nicht, weshalb sich die Schule schon so lange damit schwertut, T. L. wieder Stunden zuzuteilen. Beatrice Müller räumt ein, dass die rechtlichen Auseinandersetzungen mit T. L. schon sehr lange dauern und aufgrund diverser Beschwerdeverfahren noch immer nicht geklärt sind: «Der Schulrat steht weiterhin mit T. L., ihrem Vertreter, der Bildungs-, Kultur und Sportdirektion und dem Personalamt BL in engem Kontakt für eine Lösung.» Konrad Wyss, der seiner Tochter auch beratend zur Seite steht, weiss um das Verwarnungsverfahren der Schule, das noch im Raum steht. Dieses Verfahren sei der Anfang der Schikanen gewesen. Er traut der Schule nicht über den Weg: «Meine Tochter arbeitete zum Zeitpunkt der Verwarnung bereits seit Jahren an dieser Schule. Ich habe sie als Rektor noch selber miterlebt, nie gab es Probleme. Sie werden dann einfach einen Experten suchen, der sagt, ihr Unterricht sei ungenügend, um ihr wieder kündigen zu können», sagt Wyss und fügt an, nicht lockerlassen zu wollen, bis das Gerichtsurteil endlich vollzogen werde.

Es besteht demnach die Chance, dass das ganze Rösslispiel nochmals von vorne beginnt – ­finanziert vom Steuerzahler.

*Name der Redaktion bekannt.


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