Seit zweieinhalb Jahren erhält Lateinlehrerin T. L. von der
Sekundarschule Arlesheim-Münchenstein ihren Lohn, darf aber nicht arbeiten. Ihr
wurden von der Schule schlicht keine Stunden mehr zugeteilt. Seither kämpft die
Lehrerin dafür, dort wieder unterrichten zu dürfen.
Sekundarschule Arlesheim: Hier möchte die Lehrerin gerne unterrichten, Bild: Dominik Plüss
Die Lehrerin, die bezahlt wird, aber nicht unterrichten darf, Basler Zeitung, 9.12. von Dina Sambar
T. L. wurde zweimal entlassen. Beide Male wurde die Kündigung für
nichtig erklärt, einmal durch einen Regierungsratsbeschluss, das zweite Mal
durch das Kantonsgericht. T. L. ist demnach noch offiziell bei der Schule mit
einem 30-Prozent-Pensum angestellt. Auf der Online-Liste der Lehrpersonen der
Schule ist sie jedoch nicht verzeichnet.
Vater kämpft wie Löwe
Um die vertrackte Situation zu begreifen, muss man eine weitere Person
einführen: Konrad Wyss, Vater von T. L. und ehemaliger Schulleiter der besagten
Sekundarschule. Er verteidigt seine Tochter wie ein Löwe, denn er ist
überzeugt: «Ich hielt einen der neuen Co-Schulleiter für inkompetent und liess
ihn das auch spüren. Das rote Tuch bin ich. Sie wollen mich treffen und klopfen
auf die Tochter.» Der Kampf seiner Tochter ist für ihn deshalb auch sein Kampf.
Konrad Wyss ist es denn auch, der die BaZ kontaktiert. T. L. möchte sich nicht
öffentlich zu dem Fall äussern, hat jedoch nichts dagegen, wenn ihr Vater und
der Schulrat dies tun. Schulratspräsidentin Beatrice Müller widerspricht der
Darstellung von Konrad Wyss: «Die Kündigung hat nichts mit dem Vater Wyss zu
tun.»
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ein Grossteil der nackten
Fakten lässt sich aus den Regierungsratsprotokollen und aus dem Gerichtsurteil
herauslesen. Die erste Kündigung erfolgt im März 2017 mit der Begründung rückläufiger
Schülerzahlen. Die Entlassung wird durch den Regierungsrat aufgehoben, weil T.
L. nicht nur Latein unterrichten kann, sondern auch die formale
Unterrichtsbefähigung für Deutsch und Geschichte hat. Anstatt ihr jedoch
Deutsch- und Geschichtsstunden anzubieten, verlängerte die Schule Verträge mit
befristet angestellten Lehrpersonen. Das verstösst gegen das
Anciennitätsprinzip.
Das Argument der Schule, dass die Kündigung einer anderen Lehrperson
keine Option gewesen sei, weil im Klassenzimmer die Kontinuität gewährleistet
sein müsse, lässt der Regierungsrat nicht gelten. Der Schulrat muss T. L eine
gleichwertige Stelle anbieten oder die Suche nach einer solchen einleiten. Da
der Schulrat eine längerfristige Weiterbeschäftigung in Arlesheim-Münchenstein
laut Regierungsratsprotokoll als unwahrscheinlich betrachtet, sucht die
Schulleitung an anderen Baselbieter Sekundarschulen nach einer Stelle.
Diese Suche bleibt erfolglos – dies ist jedoch teilweise auch der Fehler
der Schule, wie sich später zeigen soll. Im April 2018 wird T. L aber zunächst
erneut gekündigt. Dieses Mal stützt der Regierungsrat die Kündigung. Doch T. L.
zieht vor Gericht. Dass die Situation äusserst verfahren ist, zeigt ein
Schreiben des Schulrats an das Verwaltungsgericht, einen Tag vor der
Urteilsberatung. Darin steht, bei der Schulleitung sei erneut eine Drohmail von
Konrad Wyss eingegangen. Mitglieder der Schulleitung und des Schulrats würden
seit Jahren bedroht. Beatrice Müller bestätigt, dass man Strafanzeige gegen
Wyss erhoben habe, die Staatsanwaltschaft die Mails jedoch nicht als bedrohlich
genug erachtete.
Auch Konrad Wyss dementiert nicht: «Ich habe mitgemischt, weil es immer
hiess, meine Tochter sei wegen mir nicht Kollegiums-tauglich», sagt Wyss, der
angibt, in den Mails die Grenzen ausgelotet zu haben: «Ich habe Dinge
geschrieben wie ‹Wir haben noch nicht abgerechnet› oder ‹ich zwinge Sie in die
Knie›. Doch das waren keine Drohungen. Ich meinte die finanzielle Abrechnung
und den juristischen Weg. Das darf ich schreiben.»
Im März 2019 erhält T. L. vor Gericht recht. Auch die zweite Kündigung
muss aufgehoben werden. Denn in der Suchanfrage, die an sämtliche
Sekundarschulen des Kantons ging, stand, dass T. L. nur Latein unterrichtet
habe. Allerdings gab und gibt sie an einer weiteren Sekundarschule auch Deutsch
und Deutsch als Fremdsprache. Diese Tatsache auszulassen, habe ihre Chancen
deutlich verringert, entscheidet das Gericht. T. L. ist also noch mindestens
bis im Sommer 2021 in Arlesheim-Münchenstein angestellt.
Urteilsbegründung zu spät
Trotz Kenntnis des mündlichen Urteils wurden T. L. jedoch wieder keine
Stunden zugeteilt: «Der Hauptgrund ist, dass wir die Urteilsbegründung erst am
21. Juni erhalten haben, da waren längst alle Stellen für das neue
Schuljahr besetzt. Auch befristet angestellten Lehrpersonen können wir erst
wieder auf Ende Schuljahr kündigen», sagt Beatrice Müller und fügt an, dass es
bei diesem Fall nun zwei Möglichkeiten gebe: «Entweder sie erhält im Sommer
wieder ein Pensum, oder es gibt keine passende Stelle und man müsste ihr in der
Folge kündigen.»
Dies erklärt jedoch nicht, weshalb sich die Schule schon so lange damit
schwertut, T. L. wieder Stunden zuzuteilen. Beatrice Müller räumt ein, dass die
rechtlichen Auseinandersetzungen mit T. L. schon sehr lange dauern und aufgrund
diverser Beschwerdeverfahren noch immer nicht geklärt sind: «Der Schulrat steht
weiterhin mit T. L., ihrem Vertreter, der Bildungs-, Kultur und Sportdirektion
und dem Personalamt BL in engem Kontakt für eine Lösung.» Konrad Wyss, der
seiner Tochter auch beratend zur Seite steht, weiss um das Verwarnungsverfahren
der Schule, das noch im Raum steht. Dieses Verfahren sei der Anfang der
Schikanen gewesen. Er traut der Schule nicht über den Weg: «Meine Tochter
arbeitete zum Zeitpunkt der Verwarnung bereits seit Jahren an dieser Schule.
Ich habe sie als Rektor noch selber miterlebt, nie gab es Probleme. Sie werden
dann einfach einen Experten suchen, der sagt, ihr Unterricht sei ungenügend, um
ihr wieder kündigen zu können», sagt Wyss und fügt an, nicht lockerlassen zu
wollen, bis das Gerichtsurteil endlich vollzogen werde.
Es besteht demnach die Chance, dass das ganze Rösslispiel nochmals von
vorne beginnt – finanziert vom Steuerzahler.
*Name der Redaktion bekannt.
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