Ab diesem Schuljahr
erhalten Kinder und Jugendliche in Waldkirch und Bernhardzell nicht mehr eine
«6», wenn sie bei einer Prüfung besonders gut abgeschnitten haben. Stattdessen
bekommen sie ein «Lernziel sehr gut erreicht». Der Schulrat hat entschieden,
das Benotungssystem für alle Fächer und Stufen anzupassen. Statt mit einer Zahl
werden Schüler mit Worten beurteilt. Konkret wird angegeben, in welcher
Qualität die Lernziele erreicht wurden: sehr gut, gut, genügend, nicht
genügend, schwach oder sehr schwach. Schulratspräsidentin Susanne Roth sagt:
«Die Aussagekraft der neuen Beurteilung ist grösser und der Lernweg der
Schülerinnen und Schüler kann besser aufgezeigt werden.»
"Lernziel sehr gut erreicht" - In den Schulen von Waldkirch gibt es keine Noten mehr, St. Galler Tagblatt, 2.9. von Michel Burtscher
Kompetenzen sind schwierig abzufragen
Auslöser für die
Abschaffung des klassischen Notenspiegels war laut Roth die Umsetzung des
Lehrplans 21. Demnach werden nebst den traditionellen Lerninhalten künftig
vermehrt Schwerpunkte bei den sogenannten «überfachlichen Kompetenzen» wie dem
Arbeits-, Lern- und Sozialverhalten gesetzt. Doch diese sind schwieriger
abzufragen als reines Wissen. «Eine Beurteilung dieser Kompetenzen lässt sich
mit dem klassischen Notenspiegel nicht befriedigend abbilden», sagt Roth. Doch
auch die Rückmeldungen bei Prüfungen seien mit einer Beurteilung durch Worte
aussagekräftiger: «Wir möchten mit den Schülerinnen und Schülern nicht über Ziffern
sprechen, sondern über Lernziele, Lernwege sowie das Arbeits-, Lern- und
Sozialverhalten», betont Roth.
Darum wurde in Waldkirch seit dem Sommer des vergangenen Jahres an einer
Alternative gearbeitet. Beteiligt daran waren nicht nur die Behörden, sondern
auch die Lehrerinnen und Lehrer selbst. Verschiedene Möglichkeiten wurden
diskutiert, etwa die Umstellung auf eine Beurteilung mit Symbolen wie Äffchen
oder Farben. So wie es andere Schulen bereits tun. Am Schluss habe sich der
Schulrat für das System mit den Worten entschieden, weil die Begriffe schon
heute im Zeugnis stehen, um die Noten zu erklären. «Unsere Hoffnung ist, den
Eltern so die Umstellung zu erleichtern», sagt Susanne Roth. Trotzdem äusserten
sich die Eltern teilweise kritisch zum neuen System. Aber nicht nur: Es habe
auch Lob gegeben.
Bei den Lehrerinnen und
Lehrern sieht es ähnlich aus. Es gebe zwei oder drei, die sich im Moment noch
schwer täten mit der Umstellung, weil sie über Jahrzehnte mit dem alten
Beurteilungssystem gearbeitet hätten, erzählt Roth. «Wir sind aber überzeugt,
auch diese noch vom Mehrwert des neuen Systems überzeugen zu können.» Die
grosse Mehrheit des Teams befürworte diese Veränderung jedoch, betont Roth.
Eines ist trotzdem klar:
Die neue Art der Beurteilung hat Folgen für den schulischen Alltag – und zwar
insbesondere für das Lehrpersonal. Die Schulratspräsidentin erklärt:
«Für
die Lehrpersonen bedeutet das neue Beurteilungssystem einen Mehraufwand.»
Sie sei sich jedoch sicher, dass sich dieser lohne, da damit ein grosser
Mehrwert für die Förderung und Begleitung der Schülerinnen und Schüler erreicht
werden könne.
In den Zeugnissen stehen weiterhin Zahlen
Unter Bildungsexperten ist
indes umstritten, wie sinnvoll die Abschaffung der klassischen Noten
tatsächlich ist. Ganz verschwinden aus den Waldkircher Schulzimmern werden sie
ohnehin nicht. Denn in den Zeugnissen, die im Kanton St.Gallen ab 2020 nur noch
einmal jährlich ausgestellt werden, wird die Leistung der Schülerinnen und
Schüler weiterhin mit einer Zahl beurteilt. So wie es das kantonale Volksschulgesetz
vorsieht. Diese Zahl stelle eine Gesamtbeurteilung aller relevanten Faktoren
dar, sagt Roth.
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