Kreativität, Glück, Empathie,
Spieleentwicklung - überall ploppen neue Schulfächer auf, über deren Sinn und
Unsinn man herrlich diskutieren kann. Über was man nicht diskutieren kann, ist
die Ursache für all diese Pop-up-Fächer: die radikal neuen Anforderungen an
unsere Kinder in der sehr nahen Zukunft.
Sechs neue Superfächer für Schweizer Superkinder, NZZaS, 1.6. von Dennis Lück
Auch hier in der Schweiz
brodelt es im edukativen Underground. Die ersten Schulen unterrichten das Fach
Glück, der Intrinsic Campus befasst sich mit der Eigenmotivation von
Schülerinnen und Schülern, und TeachOZ bildet eine Plattform, die alle
Lehrpersonen zu einer gigantischen Community zusammenführt. Grossartig, es
passiert etwas. Aber das grosse Ganze? Das orientiert sich leider viel zu stark
an einer grossen Bildungsbremse: an der Pisa-Studie.
Das Verlangen nach
Spitzenresultaten bei der Pisa-Studie verhindert genau das, was Schülerinnen
und Schüler tatsächlich brauchen. Denn Pisa zelebriert den Standard. Die
Zukunft aber zelebriert Kreativität, kritisches Denken, Kommunikationsfähigkeit
und kollaborative Fähigkeiten.
Das Pisa-Ergebnis bedeutet
also nur, dass wir grandios sind im standardisierten Abarbeiten von Aufgaben.
Und wissen Sie, wer standardisiertes Abarbeiten von Aufgaben zukünftig
erledigen wird? Richtig, die künstliche Intelligenz.
Also weg mit Pisa! Unsere
grandiose Realität spiegelt eine Studie, die besagt, dass wir zwar toll lesen
können (dank Pisa), aber dass 800 000 Schweizerinnen und Schweizer nicht
verstehen, was sie lesen. Pisa-Resultate dienen dazu, sich auf politischen
Bühnen zu brüsten. Den Schülern dienen sie nicht.
Jetzt stellen Sie sich
einmal kurz vor, Pisa würde erheben, wie kreativ und innovativ Schüler arbeiten,
wie ihr kritisches Denken sie Probleme lösen lässt, wie sie nicht nur lesen,
sondern verstehen und inhaltlich argumentieren können. Nur: Bis Pisa sich nach
diesem 4K-Modell - Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und
Kollaboration als Skills der Zukunft - orientiert, macht eine Software unsere
Standardarbeit.
Zurück zum edukativen
Underground: Ich möchte hier nicht recht haben, sondern zum Weiterdenken
anregen. Was wäre also, wenn man den Unterricht am 4K-Modell orientieren würde?
Also Anti-Pisa, aber Pro-Skills.
Dann könnte der Unterricht
so aussehen: Wir gründen Superfächer. Diese Superfächer leiten sich ab aus den
4K. Es gibt deren sechs. Die Fächer heissen Kreativität, Inspiration (sie
befeuert die Kreativität), Kommunikation, Kollaboration sowie Logik und
Zusammenhänge, die beide ihren Ursprung im kritischen Denken haben. Und das
leisten diese Fächer:
Kreativität ist ein Fach,
in dem der Schüler ein intrinsisch motiviertes Projekt umsetzt. Dabei lernt
man, in multiplen Lösungen zu denken, statt nur mit einer Lösung zu arbeiten.
Das Verständnis für eine Fehlerkultur wird geschult, die Eigenmotivation
entwickelt und, da man schöpferisch tätig wird, wird automatisch die
Kreativität befeuert.
Das Superfach Inspiration
ergänzt natürlich die Kreativität. Hier taucht alles Künstlerische und Musische
auf: Musik, Theater, Kunst, Film, Tanzen oder Bewegung an sich.
Im Superfach Kommunikation
geht es nicht nur um das Erlernen der Sprachen, sondern vor allem um das
Schaffen einer Diskussionskultur, um seine Meinung bilden und äussern zu
lernen.
Das Superfach
Kollaboration löst alles im Team, von sportlichen bis hin zu komplexen
mathematischen Herausforderungen. Schüler lernen, ihre Rolle innerhalb einer
Organisation wahrzunehmen.
Die Superfächer Logik und
Zusammenhänge entspringen dem K des kritischen Denkens. Logik beinhaltet
natürlich Mathematik, aber auch das Trainieren des logischen Denkens durch
spielerische Elemente.
Zusammenhänge ist das
grösste der Superfächer. Hier finden sich auch alle anderen Fächer, wie wir sie
bisher kennen, wieder. Aber eben immer mindestens im Doppelpack. Was sind die
Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Geschichte? Zwischen Technologie und
Mensch? Zwischen Religion und Mensch? Zwischen Biologie und Chemie? Zwischen
Natur und Wirtschaft?
Oder man betrachtet
Ereignisse aus allen Perspektiven: Trump aus der Perspektive der Wirtschaft,
der Kultur, der Ethik und der Kommunikation. Kreuzprodukte sind erwünscht. Wäre
das nicht eine schöne Schlagzeile, «Die Schweiz erfindet Superfächer»? Statt:
«Die Schweiz versteht nicht, was sie so toll lesen kann»?
Denken Sie ruhig, das ist
Spinnerei. Aber, verdammt noch mal, denken Sie darüber nach. Es geht um die
Zukunft unserer Kinder.
Dennis Lück ist Kreativchef der Kommunikationsagentur Jung von
Matt/Limmat.
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