Im Thurgau werden immer mehr Volksschulen zu Lernwerkstätten umgewandelt, in der die Lehrperson nicht mehr normal unterrichten, sondern nur noch autonom lernende Schüler begleiten sollen. Der aktuelle Konflikt in Wigoltingen hat bekanntermassen auch mit solchen Umwälzungen zu tun, gegen die sich die dortigen Lehrpersonen gewehrt haben. Schulleitung und Schulbehörde beharren jedoch auf ihrem Reformkurs.
Schreibbeispiel mit Lehrerkommentar. Bild: Eltern für eine gute Volksschule
Rechtschreiben oder schlechtschreiben? Eltern für eine gute Volksschule, 18.6.
Als Beispiel für
solch ein autonomes Lernen zeigte der ehemalige Gründungsrektor der PH Zug, Dr.
Carl Bossard, anhand des Schreib- und Leseunterrichts auf, warum so viele Schulabgänger
spürbare Lücken im Rechtschreiben zeigen. Doch allzu viele sehen weg oder
beschönigen. Eine Studie der Universität Freiburg zeigt auf, dass Kinder aus
der Schweiz deutlich mehr Fehler als deutsche und österreichische machen.
Untersucht
wurden 1'650 Primarschüler im deutschsprachigen Teil des Kantons Freiburg. Die
Ergebnisse decken sich mit einer Studie im Kanton Solothurn und einer repräsentativen
Stichprobe im Kanton Bern. Die Gründe für die schwächeren Leistungen von
Schweizer Kindern in der Rechtschreibung verortet der Wissenschaftler im
Unterricht und in den Lehrmitteln. Lautorientiertes und freies Schreiben
stünden im Vordergrund. Das geht auf Kosten der korrekten Orthografie. Man will
so die Kleinen zu furchtlosen Schreibern heranbilden. Üben und Wiederholen,
diese uralten Prinzipien aus der Zeit vor den reformpädagogischen Innovationen,
scheinen überholt.
Seit Jahren werden
im deutschsprachigen Raum viele Kinder nach einem Konzept alphabetisiert, bei
dem sie sich die Schriftsprache selber erarbeiten sollen. Auch bei allen im
Thurgau obligatorischen Lehrmitteln ist diese Methode integraler Bestandteil. Das
Konzept verspricht, die Kinder das Schreiben individuell und nach eigenem Tempo
lernen zu lassen – eben selbstgesteuert oder autonom.
Auf ihre
Wirkung untersucht wurde dieses Konzept erst vor Kurzem. „Die
Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie sind katastrophal, eigentlich
müsste ‚Lesen durch Schreiben‘ sofort verboten werden“, urteilt der
emeritierte Zürcher Pädagogikprofessor Jürgen Oelkers.
Im Publikum der
Veranstaltung im Evangelischen Kirchgemeindehaus Weinfelden hatten sich am
Samstag Nachmittag neben vielen Eltern auch Nationalrätin Verena Herzog und
Alt-Nationalrat Peter Schmid eingefunden. Gemeinsam wurde festgehalten, wie
wertvoll es sei, dass der Zusammenschluss „Eltern für eine gute Volksschule“
solche bildungspolitischen Fragen zur Diskussion stellt. Nur durch einen ruhigen
Dialog in der Sache lassen sich so heftige Auseinandersetzungen wie in
Wigoltingen vermeiden.
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