30. Juni 2019

Knatsch mit Schulpräsidentin endet vor Gericht


Die Aufarbeitung des Gamser Schulstreits endet vor dem Kreisgericht Sarganserland-Werdenberg mit Freisprüchen. Die beiden Angeklagten hätten die Grenze zur Strafbarkeit nicht erreicht. Vor der Urteilsverkündung waren in einer erhitzenden, neunstündigen Verhandlung am Kreisgericht in Mels emotionale Abgründe spürbar geworden, die einer griechischen Tragödie zum Ruhm gereichen würden. Rein juristisch gesehen standen zwar eher leichte Vorwürfe im Raum, die mit überschaubarem Strafmass versehen werden sollten. 
Gamser Schlammschlacht endet mit betretenem Schweigen, St. Galler Tagblatt, 23.6.


Es ging vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland um Ehrverletzungen, für die je eine bedingte und eine unbedingte Geldstrafe in Höhe von 4200 respektive 14000 Franken gefordert wurde (der W&O berichte am 11. Juni). Aber unsichtbar tobte ein wilder Streit um böse Kränkungen, schlaflose Nächte, Umgangsstil und Demokratie, durchzogen von persönlichen Abhängigkeiten und alten Geschichten. 

Lieber zu Polizei und Gerichten rennen 
In der Urteilsbegründung mahnte der Richter denn auch überdeutlich daran, dass der epische Schul-Zwist im fairen Gespräch unter Erwachsenen zu lösen gewesen wäre. «Er gehört nicht ans Gericht». Es entspreche aber dem Zeitgeist, lieber zu Polizei und Gerichten zu rennen, statt selbst mit Anderen klarzukommen, schrieb er allen Beteiligten ins Stammbuch. Darauf herrschte eine mit den Händen zu greifende Stille, die ahnen liess, dass es hier kaum Sieger gab, sondern Verlierer den Platz verliessen. In der Sache sei freizusprechen, hiess es weiter, weil der Kampf zwar hart aber nicht strafbar geführt geworden sei. Amtspersonen müssten nicht alles, aber manches aushalten, auch überzogene Kritik. 

Kränkungen, Krankheiten und Krawall 
Die Staatsanwaltschaft hatte die Sache zur Anklage gebracht, weil ein 61-jähriger Landwirt die Schulratspräsidentin in einem Flugblatt, mit E-Mails und Leserbriefen heftig angegriffen hatte. Dabei habe er auf vermeintliche charakterliche Defizite gezielt. Er habe planvoll und wider besseres Wissen behauptet, sie sei inkompetent, unehrlich, intransparent und niveaulos. Sie hätte sogar eine Sekretärin in die Krankheit getrieben. Mit diesen Äusserungen habe er die Frau verleumdet und ihren beruflichen wie privaten Leumund schwer beschädigt, so die Anklage. "Ich habe alles so erlebt. Ich hätte nie erwartet, dass es eine solche Dynamik gibt." Die ganze Familie hätte bis heute darunter zu leiden. Zudem habe er versucht, sie mit dem Hinweis zu nötigen, sie werde keine Ruhe haben, wenn sie ihre Wiederwahl anstrebe. Angeklagt war zudem eine heute 68-jährige ehemalige Lehrerin, die mehrere Leserbriefe verfasst hatte. Darin hatte sie ihrer Chefin vorgeworfen, Entlassungen seien unsauber gewesen, die Präsidentin agiere diktatorisch, sie lüge und verbreite ein Klima der Angst. 

Verrohte Sitten und verlorener Seelenfrieden? 
Beide Angeklagte plädierten auf unschuldig, die Frau mittels Anwältin, der Mann grad selbst. Sinngemäss machten sie geltend, dass sie nicht anders auf die von ihnen empfundenen Defizite in der Amtsführung hätten reagieren können. Sie hätten nur gesagt, was sie tatsächlich gesehen hätten. «Ich habe alles so erlebt», erklärte die Lehrerin. «Ich hätte nie erwartet, dass es so eine Dynamik gibt», zeigte sich der Landwirt überrascht. Drei Zeuginnen, die ehemalige Schulleiterin und zwei ehemalige Lehrerinnen bestätigten das Bild eines für sie schockierenden Kulturwechsels, der mit der neuen Präsidentin Einzug gehalten habe. Früher habe man stets kollegial entschieden. Das sei in einer Schule auch nötig, sie müsse auf Teamwork basieren, nicht wie in der Wirtschaft auf Konkurrenz. Dann sei plötzlich alles anders gewesen, verdiente Mitarbeiter seien kurz vor den Ferien oder in hohem Alter freigestellt oder gemobbt worden. Ausdrücke wie «vergiftete Atmosphäre, verrohte Sitten, verlorener Seelenfrieden» zeigten sich als scharfe Riffe, die aus der aufgewühlten See verletzter Gefühle emporragten. 

Ein nicht geklärter Wertekonflikt 
Bald wurde deutlich, dass es im Kern ursprünglich um einen Wertekonflikt ging, der Haltungen, Beziehungsgestaltung und Prioritätensetzung im Schulalltag betraf. Dieser Wertekonflikt wurde offenbar nie geklärt. So blieb der eskalierte Streit über Jahre hinweg nur oberflächlich sichtbar und dürfte auch nach der juristischen Klärung noch bitter schmecken.

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